Schülertheater am WEG fordert „das Establishment“ heraus

5.3.2016, 08:40 Uhr
Schülertheater am WEG fordert „das Establishment“ heraus

© Foto: Robert Schmitt

Denn das war deutlich mehr als ein erhobener Zeigefinger: „Wir wollen eine Zukunft haben und können nicht mehr schweigen“, so die baldigen Abiturienten: „Wir fordern das Establishment heraus.“

Zentraler Teil des Dramas „Weltfabrik Mensch: Wie viel ist zu viel?“ nach Motiven des Romans „Noah“ von Sebastian Fitzek ist eine heftige Beschimpfung, die sich an das fiktive Publikum eines Spenden-Dinners richtet.

Doch diese Vorstellung wird weder darstellerisch noch per Requisiten visualisiert und tritt daher schnell in den Hintergrund. Lediglich ein Sprecher-Duo steht samt Pult auf der Bühne.

Es könnten also durchaus die Besucher in der Aula der Schule gemeint sein, die sich dann heftigen Tobak gefallen lassen müssten: Sind es doch die „Heuchler“, „Mörder“ und „feisten Drecksäcke“, die für den Zustand der Welt verantwortlich sind.

Stärkster Teil des Stücks

„Ihre Sünden werden Ihnen nicht vergeben“, heißt es. In Richtung Dinner-Gäste — oder der Theaterbesucher? Man weiß es nicht, ignoriert die Beschimpfungen oder nimmt sie ernst, erlebt aber an dieser Stelle auf jeden Fall den stärksten Teil des Stückes.

Schülertheater am WEG fordert „das Establishment“ heraus

© Foto: Robert Schmitt

Die von den Schülern nach der literarischen Vorlage weitgehend selbst geschriebenen Texte und erdachten Szenen sind wuchtig, eindringlich und graben sich tief ins Gedächtnis.

Um die Geschichte des anfangs skrupellosen Pharmaunternehmers Noah und seiner unerwiderten Liebe zu einer Öko-Journalistin herum thematisieren sie Ressourcenverbrauch, Hedonismus, Überbevölkerung, Hungerkatastrophen und Armut in der Wohlstandsgesellschaft.

Dabei schöpfen die 16- bis 18-Jährigen nicht nur ihr darstellerisches Potential voll aus. Unaufdringlich und handlungsgerecht bauen sie bei im übrigen sparsamem Bühnenbild Fotos und Video-Sequenzen in ihr Spiel ein, die entweder die Handlung vorantreiben oder den Zustand der Welt in den Blick nehmen.

Noah wird zwar geläutert. Seine Lamborghini-Attitüde legt er ab. Gleichwohl gibt es auch für ihn kein Happy End. Denn Julie, die ihn interviewt, erwidert seine Liebe nicht, sondern will mit ihm lediglich die Welt retten. Das stürzt den erfolgsverwöhnten Unternehmer in den seelischen Abgrund.

Die Tragödie nimmt ihren Lauf. Mord und Selbstmord sind die Folge. Jeder ist für seine eigene Hölle und die Hölle auf Erden selbst verantwortlich. Unsere Lebensweise verknüpft beides: Leben und Liebe können zerbrechen wie die Weltkugel, wenn wir sie schinden und ausbeuten.

Ein lautes Bravo

Der Theatertruppe des WEG ist beides gelungen: Ein nachdenkliches Plädoyer für Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit und Bescheidenheit sowie ein Hilfeschrei in Richtung Establishment. Ein lautes Bravo für diese Leistung.

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