„Steven Spielberg wollte leider nur einen Helden haben“

24.11.2012, 08:15 Uhr
„Steven Spielberg wollte leider nur einen Helden haben“

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Die jüdische Wissenschaftlerin und Journalistin redete offen und impulsiv. Sie, die in Argentinien aufgewachsen ist, kannte Emilie Schindler, die Frau Oskar Schindlers, noch persönlich. Ihr Ziel ist es, das Leben und die Heldentaten ihrer engen Freundin richtig zu stellen und mit der verfälschenden Darstellung in dem Film „Schindlers Liste“ aufzuräumen.

Unbeschönigt und nüchtern begann sie ihren Vortrag damit, dass es sich bei Oskar und Emilie Schindler um zwei völlig gegensätzliche Charaktere gehandelt hat. Während Emilie fromm und fleißig war, war Oskar der Playboy, der das Leben in vollen Zügen genoss. Spielte Emilie in Spielbergs Film nur die Rolle der „betrogenen Ehefrau“, die im Schatten ihres erfolgreichen und sich aufopfernden Ehemannes steht, der versucht, viele Juden vor dem sicheren Tod aus den Händen der Nazis zu retten, war sie in Wahrheit entscheidend an der Rettung der „Schindlerjuden“ beteiligt.

Die wahre Geschichte

Gespannt hörten die Schülerinnen und Schüler die wahre Geschichte der Schindlers, die 1935 in Krakau beginnt, als Oskar zunächst das Angebot erhält, als Geheimdienstmitarbeiter ausländische Spione für Deutschland zu entlarven. Dann übernimmt er eine Emailwarenfabrik, in der über 1200 Juden arbeiten, für die er Entgelt an Wehrmacht und SS bezahlt.

Ohne Beschönigungen beschreibt Erika Rosenberg den schrecklichen Alltag der Gefangenen im Arbeitslager Plaszów. Körperliche Ausbeutung, Krankheiten und medizinische Versuche prägen den Alltag der Menschen, die mit Anstaltskleidung ohne Unterwäsche in Baracken menschenunwürdig gehalten werden.

Als Oskar Schindler das Vertrauen des äußerst grausamen Lagerkommandanten Amon Goeth gewinnt, kann er den Juden helfen. Über eine zweite Rüstungsfabrik, die Schindler ab 1942 betreibt, kaserniert er Juden in einer Art Arbeiterwohnlager und schützt diese so vor der SS. Als das Arbeitslager Plaszów nach Ausschwitz verlegt werden soll, besticht Schindler die Verantwortlichen mit zwei Millionen Reichsmark, was heute einer Summe von 26 Millionen Euro entspricht, und besteht auf die Verlegung „seiner“ Juden nach Brünnlitz. So entsteht die berühmte „Schindler-Liste“, mit der Schindler die Juden mit gefälschten Lebensdaten rettet.

Doch auch seine Frau Emilie setzt sich unter Lebensgefahr dafür ein, dass die Menschen Lebensmittel erhalten und nicht auf die Todesliste gesetzt werden

Aber: „Spielberg wollte nur einen Helden haben“, klagte Erika Rosenberg. Dass Emilie Schindler an der Rettung der 1200 „Schindler-Juden“ maßgeblich beteiligt gewesen war, bewies die Schindler-Biographin mit überzeugendem Recherchematerial.

Schindlers Rückkehr

Erika Rosenberg setzte die Biographie der Schindlers fort, indem sie berichtete, dass das Ehepaar nach dem Krieg nach Argentinien auswanderte und ein neues Leben auf einer Farm südlich von Buenos Aires begann. 1957 kehrte Oskar nach Deutschland zurück, erhielt 1965 das Bundesverdienstkreuz von Bundeskanzler Adenauer und blieb in Deutschland, während Ehefrau Emilie in Argentinien weiterlebte. Völlig verarmt starb er 1974 in Hildesheim.

Emilie Schindler erfuhr erst aus der argentinischen Zeitung vom Tod ihres Mannes, der, seinem letzten Wunsch entsprechend, in Jerusalem beigesetzt wurde.

Erika Rosenberg möchte, dass Emilie Schindler jene Anerkennung erhält, die ihr gebührt hätte: Es gab schon in den 1960er-Jahren den Plan, einen Film zu drehen. Oskar Schindler hatte dafür selbst das Drehbuch geschrieben. Schon alleine die Besetzung der Rolle von Emilie Schindler mit dem damaligen Weltstar Romy Schneider zeigt, dass dieser Film ihr eine ganz andere Bedeutung zugemessen hätte. Das Projekt wurde dann jedoch auf Eis gelegt.

Rücksichtsloses Hollywood

Emotional berührt beendete die Wissenschaftlerin ihren Vortrag, indem sie über Spielbergs siebenfach oskargekrönten Film „Schindlers Liste“ von der ersten Idee bis zur Produktion berichtete und dass dieser vorbei an den wahren Helden rücksichtslos von der Filmindustrie für eigene Verdienstzwecke vermarktet wurde. Die Klage Emilie Schindlers gegen die Produktionsfirma Universal und gegen Spielberg blieb ergebnislos - angeblich habe der Film nur Verluste eingespielt.

Immerhin: Spielberg lud Emilie Schindler zum Drehen für die Schlussszene 1993 nach Israel ein. Er sei ihr jedoch auffällig aus dem Weg gegangen, berichtete Erika Rosenberg. Sie habe an den Regisseur einen Brief geschrieben und ihn um ein paar Worte an Emilie Schindler gebeten - erfolglos. Die von Emilie geretteten Juden und deren Nachfahren jedoch wussten, was sie geleistet hatte.

Die Welt gerettet

Die Referentin endete mit dem Talmudzitat: „Wer einen Menschen rettet, rettet die Welt!“ Sie hinterließ Schüler, die jetzt einiges anders sehen.

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