Wendelsteiner Waldorfschüler polierten Faust auf

25.2.2014, 07:53 Uhr
Wendelsteiner Waldorfschüler polierten Faust auf

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Sie begeisterten mit ihrer Bühnen-Darstellung von Goethes „Faust – Der Tragödie erster Teil“ an den vergangenen beiden Wochenenden ihr Publikum sowohl an der Wendelsteiner Schule als auch an der Rudolf-Steiner-Schule in Ismaning bei München und haben wohl ihre ganz eigene Bindung zu dem deutschen Dichter aufgebaut.

Die Schüler haben innerhalb des im Lehrplan vorgesehenen Theaterprojekts in nur fünf Wochen mit den Spielleitern Michael Barz und Jacek Klinke das gesamte Stück erarbeitet und umgesetzt. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen.

Die moderne, klare Interpretation der Schüler gemeinsam mit großartigen schauspielerischen Leistungen eröffnete dem einen oder anderen Zuschauer neue Sichtweisen auf das Stück, das viele nur als Pflichtlektüre aus dem Deutschunterricht kennen.

Viergeteilte Rolle

Die Rolle des Dr. Faust teilten sich vier Schüler (Moritz Häussler, Jakob Debus, Julian Wendland, Jonas Giersberg), die jeweils den Faust in seinen verschiedenen seelischen Verfassungen verkörperten: den alten, an der Welt verzweifelnden Faust, den von Mephisto verführten Faust, den jungen verliebten Faust, und den Schuldigen, der sich und sein Gretchen ins Unglück gestoßen hat.

Dem entsprechend war auch die Rolle des Mephisto auf vier Schüler verteilt worden (Bruno Stömer, Karoline Jacob, Milo Drozynski und Thilo Stümpfel). So konnten auch Mephistos unterschiedliche Eigenschaften besonders herausgestellt werden. Der aalglatte Manager, der mit Gott eine Wette abschließt, der Verführer, der Faust zum Pakt überredet und hier als weiblicher Mephisto auftrat, der Spießgeselle und Kuppler, der Gretchen Faust zuführt und dabei sogar über ihre Frömmigkeit wüten darf, und der Begleiter, der Faust endgültig ins Chaos und Verderben zieht.

Drei Charaktere

Auch das Gretchen wurde von drei Schülerinnen dargestellt (Lisa Schulz, Sinja Groß, Mattea Schorr) – das unschuldige Mädchen, die verliebte junge Frau und die verzweifelte, fast wahnsinnige Kindsmörderin.

Das Publikum hatte durch die dichte Darstellung und den großartigen Umgang mit der Sprache Goethes keinerlei Mühe, den Wechsel der Darsteller aufzunehmen. Es gelang den Schülern, den Graben zwischen Originaltext und moderner Darstellung spielerisch zu überbrücken und in keiner Szene spürbar werden zu lassen.

Da die Schüler in Wendelstein und Ismaning auf unterschiedlichen Bühnen spielen mussten, hatte man sich bei der Bühnenausstattung auf technische Hilfsmittel beschränkt, um nicht zu viel hin und her transportieren zu müssen. Auf beinah leerer und karger Bühne nutzen die Schüler Licht- und Toneffekte, um die Zuschauer in die unterschiedlichen Szenarien des Stückes einzuführen. Dies funktionierte teilweise so beklemmend gut, dass das Publikum sich nach mancher Szene nicht zu rühren wagte.

Beeindruckende Laien

Wie viele der Zuschauer an beiden Aufführungsorten, zeigten sich auch Bürgermeister Werner Langhans in Wendelstein und Bürgermeister Michael Sedlmair in Ismaning beeindruckt von der Leistung und Darstellung der Schüler, die vergessen ließ, dass hier ein reines Schülerprojekt zur Aufführung kam.

Die Aufführungen in Ismaning bildeten den Auftakt zu einem einwöchigen Faust-Festival, bei dem sechs Klassen von Waldorfschulen aus ganz Deutschland an aufeinanderfolgenden Tagen alle Akte des Gesamtwerkes Faust I & II auf die Bühne bringen. Mit ihren Auftritten zu Beginn des Festivals legten die Wendelsteiner Schülerinnen und Schüler die Messlatte für noch folgende Darstellungen ziemlich hoch.

Noch bis 28. Februar 2014 findet das Faust-Festival statt:
www.faust-schuelerprojekt.de

www.waldorfschule-wendelstein.de

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