„Wyzszobramski-Kammerchor“ trat in der Stadtkirche auf

7.7.2015, 09:13 Uhr
„Wyzszobramski-Kammerchor“ trat in der Stadtkirche auf

© Foto: Hans von Draminski

Besetzt ist dieses relativ junge Ensemble nachgerade winzig, kein ganzes Dutzend Sängerinnen und Sänger steht da auf der Bühne; Chorleiter Peter Sikora singt mit. Dass der Chor dennoch mächtig und druckvoll klingt, dass ein weibliches Mitglied der Schwabacher Kantorei, das die Polen schon daheim in Teschen erlebt hat, ehrfürchtig sagt „die singen uns an die Wand“, ist ein für osteuropäische Chöre fast schon typisches Phänomen.

Hier kann sich niemand hinter den Chorkollegen verstecken, müssen intonatorischer Fokus und Artikulation zu 100 Prozent stimmen, soll das Klanggebäude, das man jeweils sehr sorgsam aufbaut, nicht schnell wieder in sich zusammenbrechen.

Dabei gehen die elf Polen sichtlich locker und undogmatisch ans Werk, stellen sich mit Giuseppe Pitonis „Cantate Domino“ als wohl präparierter Elitechor mit machtvollen Bässen, leuchtenden Sopranen und passablen Mittelstimmen vor. „Boze Wielki“ ist die polnische Version von „Großer Gott, wir preisen dich“ und wird mit Volumen und Strahlkraft weit jenseits gängiger Kantorei-Standards bewältigt.

Wolfgang Amadé Mozarts „Kleine Nachtmusik“ ist dann bereits eine Vokal-Trouvaille, in welcher der „Wyzszobramski-Kammerchor“ Muskeln spielen lässt, was das präzise Zusammensingen, den bis ins letzte Winkelgrad ausbalancierten Harmoniegesang angeht. Man wähnt sich bei einem jener US-amerikanischen A-cappella-Ensembles, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts riesige Erfolge feierten.

Der „Wyzszobramski-Kammerchor“ beherrscht freilich auch das lyrische Fach, was beispielsweise bei Josef Gabriel Rheinbergers hymnischem „Confitebor“ spürbar wird. Ansonsten pendeln die Choristen lustvoll und souverän zwischen effektvoller Hoch- und dramatischer Neoromantik und verstehen es sogar, aus Giuseppe Verdis selbst in der Kirchenmusik immer ein wenig opernhafter Klangrede einen spirituellen Klagegesang zu machen.

Wenn sich dieser wie ein gut gestimmtes Instrument agierende Kammerchor um Schwabachs Kirchenmusikdirektor Klaus Peschik auf der Orgelempore versammelt, zeugt das inspirierte Miteinander von einem tieferen Verständnis für Spannungsbögen und emotionalen Gehalt.

Minimale Probenzeit

Trotz minimaler gemeinsamer Probenzeit erreichen Chor und Organist einen erstaunlichen Grad der Synchronizität, ob beim tänzerischen „Lobet den Herren“ oder der ätherischen Anrufung „Blessed be the God“ von Samuel Sebastian Wesley. Einsamer Höhepunkt des gemeinsamen Musizierens ist die intelligente „Vom Himmel hoch“-Paraphrase „Warownym grodem“, deren umsichtig geplanter Spannungsaufbau Vorbildcharakter hat. Eine postmoderne Meditation über die Ankunft des Höchsten.

Klaus Peschik gibt den Choristen mit Rheinbergers „Monolog und Fuge für Orgel“ und Johann Sebastian Bachs c-Moll-Präludium und -Fuge Gelegenheit zum Luftholen – und die brauchen die Polen auch, kredenzen sie doch Bachs bekannte g-Moll-Orgelfuge (BWV 578) in der Fassung von Ward Swingle, Gründer der legendären „Swingle Singers“. Wer die amerikanischen Vokalakrobaten je live erlebt hat, zieht den Hut vor dem „Wyzszobramski-Kammerchor“, den der steht den auf rasante Kabinettstückchen abonnierten Amerikanern praktisch in nichts nach.

Zum guten Schluss gibt es einen nachdenklichen Gospelsong und drei ohrwurmige polnische Volkslieder. Angesichts stehenden Beifalls des sichtbar begeisterten Schwabacher Publikums schiebt der „Wyzszobramski-Kammerchor“ ein ziemlich aberwitziges „Halleluja“-Medley hinterher, das wie eine Achterbahn durch die Musikgeschichte zwischen Beethovens Fünfter und dem „Messias“ rast und dabei zahlreiche humorvolle Schlenker macht. Am Ende löst sich alles in fröhliches Gelächter auf, das keine Grenzen kennt.

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