Segelroboter: Forscher setzen auf künstliche Intelligenz

3.4.2018, 12:04 Uhr
Der Wissenschaftler Diedrich Wolter von der Universität Bamberg arbeitet an einem Segelroboter, der nicht wie dieses Segelboot von Menschenhand gesteuert werden muss, sondern autonom agiert und die Gewässer überwachen soll.

© Timo Schickler Der Wissenschaftler Diedrich Wolter von der Universität Bamberg arbeitet an einem Segelroboter, der nicht wie dieses Segelboot von Menschenhand gesteuert werden muss, sondern autonom agiert und die Gewässer überwachen soll.

Die Mobilität der Zukunft wird auch an der Universität Erlangen-Nürnberg großgeschrieben. Während sich Informatiker mit dem autonomen Fahren beschäftigen oder Simulationen erstellen, etwa eines für die E-Mobilität nötigen Tankstellennetzes, versuchen andere Wissenschaftler, den Bahn- und Flugverkehr zu optimieren, oder prüfen, ob ein kohlendioxidfreier Schwerlastverkehr möglich ist.

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Am E-Drive-Center des Lehrstuhls Fertigungsautomatisierung und Produktionssystematik werden am Standort Nürnberg derweil Produktionstechnologien für elektrische Antriebe erforscht. Ein Ziel des Teams von Professor Jörg Franke ist es, Prozesse und Anlagen zur variantenflexiblen Produktion von Elektromotoren für E-Fahrzeuge zu entwickeln. Zudem wollen die Experten die wirtschaftliche Fertigung von induktiven Ladesystemen vorantreiben.

Segelroboter zur Überwachung von Gewässern

Ein Frühwarnsystem, etwa um die zunehmende Nitratbelastung eines Sees oder Flusses schnell erkennen zu können, schwebt Diedrich Wolter von der Universität Bamberg und seinen Kooperationspartnern in der Technologieallianz Oberfranken vor. Dazu entwickelt der Juniorprofessor für angewandte Informatik gemeinsam mit seinen Studenten einen Segelroboter.

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Dieser agiert autonom und soll mit Hilfe von kostengünstigen Umweltsensoren eine Überwachung von Gewässern ermöglichen. Nicht nur die Wassertemperatur ließe sich auf diese Weise ermitteln, sondern auch, an welcher Stelle eine Verunreinigung vorliegt – und ob diese im Überwachungszeitraum zugenommen hat. "Wenn der Wind bläst, dann fährt er auch", sagt Wolter über den entstehenden Forschungsprototypen, der über durch Algorithmen kontrollierte Ruder und Segel gesteuert wird. Angetrieben wird der Segelroboter, der an Bord bereits jetzt Kompass, Funkmodem, GPS und einen Windmesser hat, nämlich durch die Kraft des Windes – und der kann sich in der Natur, weil unberechenbar, auch als unangenehme Störquelle erweisen.

An dieser Stelle kommt Wolters Spezialgebiet ins Spiel: die künstliche Intelligenz und wie sie dem Professor und seinem Team dabei helfen kann, unsere Umgebung intelligenter zu machen, ob in Büros oder Fabriken, im Haus, in Städten oder eben in der Natur.

Selbstständiges Planen

So ist es bei dem Segelroboter zum Beispiel nicht damit getan, dass er nach einem festen Algorithmus die zu untersuchende Wasserfläche abfährt, um dann die jeweiligen Parameter zu ermitteln und per Funk an eine Kontrollstelle zu übertragen. Gefragt ist stattdessen etwas, das Wolter mit "Planen unter Untersicherheit" beschreibt.

Mit anderen Worten: Das autonome System, für das die Bamberger Wissenschaftler vor allem die Algorithmen für die Steuerung beitragen, muss "selbst planen, was es in Zukunft tun sollte, ohne die Zukunft zu kennen", so der Professor. "Segeln ist eine schöne Sache und als Mensch gut zu erlernen", sagt Diedrich Wolter. "Wenn ein Computer beteiligt ist, wird es allerdings schnell schwierig."

Zwar kann der Computer in der mobilen Sensorplattform lernen, sich bei jeder Untersuchungsfahrt besser zu verhalten als bei der davor. Das zentrale Problem ist jedoch, dass jedes Mal eine gute Lösung erzielt werden muss, ohne dass das System vorher die konkreten Eigenschaften kennt, wie sich das Boot in der jeweiligen Situation verhalten wird – sei es, weil es stürmt, oder regnet, oder windstill ist.

Steuerung über natürliche Wegbeschreibungen

Ergänzt werden könnte die Sensorplattform zur Umweltbeobachtung mit einem Sprachsystem. Denn die Informatiker in Bamberg beschäftigen sich auch mit der menschlichen Interaktion und dem Verständnis räumlicher Sprache. Während Navigationsgeräte etwa in Autos heute vor allem über die Eingabe von Adressen oder markanten Standorten bedient werden, wäre ebenfalls eine Steuerung über natürliche Wegbeschreibungen denkbar.

So könnte man – wenn Wolters Ansätze weiterentwickelt werden und in konkrete Anwendungen münden – statt die genaue Straße des Standorts zu benennen, das System anweisen, "zu dem schicken Restaurant zu fahren, das links neben dem Hügel liegt" – oder eben den Segelroboter auffordern, die verdächtige Stelle rechts neben dem Schilf anzusteuern und Wasserproben für die Nitrat-Kontrolle zu nehmen.

Fahrerloses Transportsystem

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Assistenten, die verunglückte Menschen oder defekte Anlagenteile aufspüren helfen, entstehen an der Technischen Hochschule Nürnberg. Während die einen fliegen können und die anderen sich in unwegsamem Gelände zurechtfinden, haben alle diese Helfer eine Gemeinsamkeit: Sie können sich ebenso autonom fortbewegen wie eine auch an der TH entwickelte Rangierlok oder ein fahrerloses Transportsystem für Unternehmen.

"Die Kunst besteht darin, ein Gesamtsystem zu schaffen, in dem viele bereits vorhandene Algorithmen geschickt kombiniert werden", sagt Stefan May über den Kern der Entwicklungsarbeit. Seit dem Jahr 2010 entwickelt der Professor für Automatisierungstechnik und Mechatronik an der TH gemeinsam mit wissenschaftlichen Mitarbeitern und Studenten mobile Roboter. Zum Beispiel einen Flugroboter, also eine Drohne, die ausgestattet mit Wärmebildtechnik und einer speziellen Flugsteuerung defekte Teile von Photovoltaikanlagen ausfindig machen kann.

Suche nach kaputten Modulen

Die Wärme in derartigen Anlagen entsteht in erster Linie durch das Sonnenlicht. Durch den erzeugten elektrischen Strom wird Energie abgeführt. Bei defekten Zellen ist dieser Effekt geringer. Sie sind damit wärmer und im Wärmebild gut durch den Vergleich mit intakten Nachbarzellen zu identifizieren. "Anhand unserer Wärmebildtechnik kann man daher sehr schnell aus der Luft sehen, welches Modul der Photovoltaikanlage nicht mehr funktioniert", erklärt Stefan May.

Ist das kaputte Modul identifiziert, müssen für die genaue Lokalisierung der defekten Anlagenteile die einzelnen Bildausschnitte zu einer Gesamtkarte zusammengesetzt werden. Der Monteur sieht dann auf einen Blick, dass zum Beispiel ein Modul in der dritten Reihe defekt ist, und kann sich ohne große Suche direkt an die Reparatur machen. Einen Demonstrator haben die Nürnberger Tüftler aus dem Labor für mobile Robotik mit Partnern aus Industrie und Wissenschaft fertiggestellt. Nun ist es an den industriellen Partnern, den Assistenten zur Marktreife zu bringen.

Wenn Mays Team ein neues Projekt angeht, müssen die Entwickler nicht jedes Mal bei null anfangen. Vielmehr fließen gute Ideen und vielversprechende Ansätze von Forschern ein, die irgendwo auf der Welt tätig sind. Für einen Bergwerks-Inspektionsroboter, der ab April im Rahmen eines EU-Projektes in Nürnberg entwickelt wird, können die TH-Experten bereits auf Wissen und Fertigkeiten zurückgreifen, die sie sich bei ihren Arbeiten in der Rettungsrobotik angeeignet haben.

Vermisste aufspüren

Gefragt ist in der Rettungsrobotik zweierlei: Wo muss der autonom funktionierende Assistent überhaupt hinfahren, um einen vermissten Menschen etwa in einem brennenden Haus aufzuspüren? Wo genau befindet sich die Maschine, um dann – wenn mit Hilfe von Sensoren die relevanten Daten aufgenommen und übermittelt sind – menschliche Retter hinterher schicken zu können?

Während es sich bei dem Rettungsroboter um ein kettengetriebenes Fahrwerk handelt, soll der Bergwerks-Inspektor auf Rädern vorankommen, sagt May. "Wir gehen davon aus, dass in Bergwerkstunneln der Boden zwar rau und nass ist, aber keine Haufen und Treppen überwunden werden müssen." Während Letzteres einfacher mit Ketten zu bewältigen ist, haben auch Räder ihre Vorteile: Sie werden beispielsweise bei Sand und Kies weniger stark belastet. Wenn der radgetriebene Helfer nicht überall hinkommt, kann eine Drohne Detailinspektionen übernehmen. Das ist zum Beispiel für Aufnahmen in größeren Hohlräumen sinnvoll, wenn genaue Messdaten von der Decke gebraucht werden.

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