"Strecke 46": Hier schläft Frankens vergessene Autobahn

13.8.2018, 14:36 Uhr
Bauwerke wie dieses hier sind überall am früheren Trassenverlauf zu finden.

© Horst M. Auer Bauwerke wie dieses hier sind überall am früheren Trassenverlauf zu finden.

Seit Jahrzehnten dämmert die ab 1937 erbaute Fernstraße in der entlegenen Gegend weitgehend unbeachtet vor sich hin. Anfang September allerdings geriet die Bauruine kurzzeitig in die Schlagzeilen: In der Röhre eines Abwasserkanals bei Gräfendorf wurde ein menschliches Skelett entdeckt, das mit einem Gewaltverbrechen in Verbindung zu bringen ist.

Was sich die Natur längst zurückerobert hat, sind die imposanten Reste eines Verkehrswegs, dessen Bau  das NS-Regime 1939/40 einstellte . "Teilweise fehlte nur noch die Fahrbahndecke aus Betonplatten, an einigen Stellen war mit dem Bau noch gar nicht begonnen worden", erläutert Dieter Stockmann. Der 57-Jährige kennt sich aus wie kein Zweiter in der Gegend zwischen Bad Brückenau nahe der hessischen Landesgrenze und Gemünden am Main. Seit 18 Jahren führt er Gruppen, vom Kegelverein bis zu bunt zusammengewürfelten Wanderertruppe, zur vergessenen Autobahn.

Die "Strecke 46" sollte Bad Hersfeld mit dem 170 Kilometer entfernten Würzburg verbinden und dabei durch Täler und über Höhen führen. Nach dem Zweiten Weltkrieg verlegte man die Trasse auf bayerischem Gebiet rund 20 Kilometer weiter östlich in Richtung Schweinfurt. Seit 2003 steht Deutschlands längste Autobahnruine  - europaweit einmalig - unter Denkmalschutz.

Wildwuchs überlagert die alte Trasse

Die Trasse ist längst zugewuchert, aber wegen Alter und Art des Bewuchses im Gelände noch gut auszumachen. Hobby-Historiker Stockmann weiß, wo die Arbeiter mühevoll den Hang abtragen oder Dämme aufschütten mussten, wo Anschlussstellen und Parkplätze entstehen sollten. 47 Bauwerke haben entlang der "Strecke 46" die Zeit überdauert: Brücken und Unterführungen, Wasserdurchlässe und Steinbrüche. Stockmann hat sie für sein Buch über die Autobahnruine akribisch erforscht.

Südlich von Gräfendorf dient ein mächtiger Pfeiler der unvollendeten Saaleüberquerung heute als Kletterwand. Stockmann erklärt auf einer Wanderung entlang der Trasse die Landvermessung mittels trigonometrischer Punkte auf Steinen, die aus dem Waldboden ragen. Brusthoch stehen nicht weit entfernt die Grundmauern eines Streckenbaubüros. "Dort drüben“, sagt Stockmann und deutet auf den Niederwald, "verstecken sich die Reste eines Arbeiterlagers".

Die "Strecke 46" mit ihren engen Kurvenradien und oft steilen Anstiegen war als Route für Autowanderer gedacht, die sich an den landschaftlichen Schönheiten erfreuen sollten. Die Trasse verlief deshalb bewusst entlang von Hängen, damit die Reisenden den Blick auf die Schwarzen Berge der Rhön oder auf die Burgruine Homburg genießen konnten.

Dass die alte Reichsautobahn zu einem Pilgerziel für Neonazis werden könnte, glaubt Stockmann nicht: „Ich habe bei meinen Führungen noch keinen Rechtsradikalen erlebt. Notfalls habe ich von der Gemeinde Burgsinn aber die Erlaubnis, ein Platzverbot auszusprechen“.

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