Uni Erlangen-Nürnberg dehnt sich nach Fürth aus

22.8.2012, 00:00 Uhr
Uni Erlangen-Nürnberg dehnt sich nach Fürth aus

© Thomas Scherer

Die Idee mit den Nierensteinen entstand aus der eigenen Not heraus. „Ich war damit einen Monat lang flachgelegen“, sagt Michael Zaiser. Er nutzte die Zeit um Nachzudenken. Sein Job sei es schließlich „Sachen kaputt zu machen“. Warum also nicht auch Nierensteine.

Michael Zaiser leitet den neuen Lehrstuhl für Werkstoffsimulation. Am Computer üben er und seine Mitarbeiter Druck aus – auf Baustoffe, Beton, Metalle, aber auch Nierensteine und sogar Schnee – und analysieren anschließend, was dabei im Inneren der Materialien vor sich ging. Zaisers Lehrstuhl ist der erste, den die Universität Erlangen-Nürnberg, nicht in Erlangen und auch nicht in Nürnberg, sondern in Fürth eingerichtet hat.

Seit fünf Jahren darf sich Fürth Wissenschaftsstadt nennen – als eine von nur dreien in Deutschland. Vor sechs Jahren hatte die Universität begonnen ihr Zentralinstitut für Neue Materialien und Prozesstechnik in Fürth aufzubauen. Inzwischen arbeiten am ZMP mehr als 50 Wissenschaftler. Doch die Lehrstühle der Professoren blieben in Erlangen. Zaiser kommt aus Stuttgart und hat in den vergangenen zwölf Jahren an der University of Edinburgh gelebt und gelehrt. Fachlich zog ihn die Uni Erlangen an, denn „sie besitzt das größte Werkstoffwissenschaftliche Departement in ganz Deutschland“. Doch die Stadt reizte ihn nicht: „Jeder Zweite dort arbeitet bei Siemens oder an der Uni – das finde ich, offen gesagt, ein bisschen langweilig.“ Jetzt wohnt er mit seiner Familie in der Fürther Altstadt und radelt jeden Morgen an der Pegnitz entlang zum neuen Arbeitsplatz. Sein Fahrrad lehnt an eine Kommode in seinem Büro. „Mir persönlich ist es ganz recht, dass ich in Fürth gelandet bin“, sagt Zaiser. Durch die vielen Berührungspunkte seiner Forschung mit der des ZMP mache das ja auch Sinn.

Als Zaiser im Februar nach Fürth kam, standen er und sein Rad noch alleine hier. Nur ein Schreibtisch und ein Aktenvernichter gehörten zum Inventar. „Einen Computer musste ich mir erstmal von einem Kollegen leihen“, erinnert er sich an die Anfänge. Inzwischen besteht sein Team aus acht Leuten, auf einem schwarzen Sofa in seinem Büro kann er Besucher empfangen und einige Zimmer weiter stehen Monitore, die das Zerstören von Nierensteinen und Schnee sogar dreidimensional darstellen können.

Am Computer bringt die Lawine niemanden um

„Die Visualisierung ist ganz wichtig“, erklärt Zaiser. „Sonst sind das nur Daten und die sehen dann auch so aus.“ Endlose Zahlen- und Buchstabenreihen liefen dann über die Monitore. Digitale Nierensteine kann Zaiser immer wieder mit Stoßwellen beschießen. Dabei versuchen die Wissenschaftler, dass „möglichst viel Energie im Stein ankommt und möglichst wenig in der Niere“. Das testen sie lieber am Rechner statt in der Klinik. „Am Computer können wir eine Lawine 100000 Mal auf unterschiedliche Art und Weise sprengen, ohne einen Menschen zu gefährden“, erklärt der Professor. „Der Computer ist ein Erkenntnis-Instrument.“

Uni Erlangen-Nürnberg dehnt sich nach Fürth aus

© Thomas Scherer

Jeden Parameter kann Zaiser in der Simulation verändern. Er kann Naturgesetze umgehen – die Schwerkraft ausschalten – um anschließend festzustellen, dass sie auf manche Prozesse keinen Einfluss haben. Um die Brucheigenschaften eines Steins zu untersuchen, muss der Computer bis zu 10 Millionen einzelne Partikel simulieren. „Dann ist Schluss, mehr schafft er nicht“, sagt Zaiser. Der Hochleistungsrechner steht in Erlangen.

Dabei wäre in der Fürther Uferstadt auf dem ehemaligen Grundig-Gelände nahe der Stadtgrenze noch Platz. Nach dem Technikum I, das das ZMP beheimatet, wird nun das Technikum II umgebaut. Wer das Gebäude im Erdgeschoss betritt, steht mitten auf der Baustelle. Der erste Stock, einschließlich Zaisers Büro, ist schon fertig, darunter hämmern und bohren die Handwerker. „Zum Glück haben die andere Arbeitszeiten als wir“, sagt der Professor. Er kommt morgens später und bleibt dafür abends länger. Bevor Fürths Oberbürgermeister Thomas Jung heute Zaiser und seinen Lehrstuhl bei einem Besuch offiziell in der Stadt willkommen heißt, haben seine Mitarbeiter in den letzten Tagen noch schnell ein paar Bilder an die weißen Wände gehängt. Auch der Staubsauger und zahlreiche Pappkartons mussten noch verschwinden, bevor die Gäste kommen.

Die ersten Studenten dürfen den neuen Seminarraum zu Beginn des Wintersemesters im Oktober betreten. Rund 60 Personen passen hinein, drei Vorlesungen wird Zaiser halten „am Block, damit es sich für die Studenten auch lohnt, aus Erlangen hier her zu fahren“. Er wird dabei ausschließlich Englisch sprechen, „als Service“ für die Studierenden. „Ein Absolvent einer guten Universität muss sich in seinem Fachgebiet fließend auf Englisch ausdrücken können“, sagt er. Nach zwölf Jahren in Großbritannien könne er das ganz gut.

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