Unterstützer fordern Untersuchungsausschuss im Fall Peggy

18.1.2019, 19:47 Uhr
Unterstützer fordern Untersuchungsausschuss im Fall Peggy

© Heinz Wraneschitz

Der geistig behinderte Gastwirtssohn Ulvi K. war 2004 wegen Mordes an Peggy zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Viele Lichtenberger jedoch glaubten an seine Unschuld. Seine Betreuerin Gudrun Rödel sammelte aufgrund von vielen Merkwürdigkeiten und Auffälligkeiten in den Ermittlungen eine Reihe von Fakten und kämpfte schließlich mit der Lichtenberger Gruppe um eine Wiederaufnahme des Prozesses. Zehn Jahre später, im Frühjahr 2014, wurde K. freigesprochen.

Nun fordert der Unterstützerkreis einen Untersuchungsausschuss im Bayerischen Landtag zu den Vorgängen bei Polizei und Justiz. Falsche Spuren seien akribisch verfolgt, wichtigen Spuren aber bis heute nicht nachgegangen worden, klagte der Lichtenberger Finanzbeamte Norbert Rank, der auch Stadtrat ist. Es gebe "Interessensgruppen, die dafür sorgen, dass die Wahrheit verborgen bleibt". Er erinnerte dabei auch an den früheren Leiter der Sonderkommission "Peggy", Wolfgang Geier, der nach Ulvi K.s Verurteilung Chef bei der Kripo in Nürnberg wurde und die Mordfälle an zehn ausländischen Mitbürgern und einer Polizistin aufklären sollte, "aber den NSU nicht erkannte".

Vor allem das Gutachten des forensischen Psychiaters Hans-Ludwig Kröber aus Berlin müsse Gegenstand in einem Untersuchungsaussschuss werden, sagte Thomas Henning, Büroleiter der Rechtsanwaltskanzlei von Hanna Henning, die Schadenersatz in Höhe von 350.000 Euro von Kröber fordert.

Darstellung revidiert

Die Expertise des Gutachers war für das Gericht maßgeblich für den Urteilsspruch von Ulvi K. im Jahr 2004. Zehn Jahre später revidierte Kröber seine Darstellung, Ulvi K.s Geständnis sei glaubhaft gewesen. 

Hanna Henning legte jetzt in Lichtenberg dar, Kröber habe damals das Gebot der Neutralität verletzt, als er bereits vor dem Urteilsspruch in einer Fachpublikation aufgeführt habe, Ulvi K. habe "nach jetzigen (und unstreitbarem) Kenntnisstand eine Vielzahl von Sexualdelikten gegenüber Kindern begangen". 

Zudem habe Kröber gelogen, als er in seiner Expertise festhielt, man habe K. bei seinem Geständnis keine Tat- und Handlungsabläufe vorgegeben. In vier Videos, die die Polizei bei der Rekonstruktion der Tat zusammen mit K. gedreht hatte, sei deutlich zu erkennen, wie ein Polizist Ulvi K. mögliche Handlungen von Peggy vorgebe und ihm auch in den  Mund lege, wie er dem Kind den Mund zugehalten haben könnte. Sequenzen daraus wurden zur Verdeutlichung vorgespielt. Diese Aufzeichnungen hätten dem Psychiater vorlegen, betonte Henning.


Der Fall Peggy: Die Chronologie einer einzigartigen Kriminalgeschichte.


Zudem habe Kröber nicht, wie von der Justiz gefordert, nur ein Gutachten über die Aussagetüchtigkeit von Ulvi K. abgegeben, sondern auch die Glaubwürdigkeit von K.s – später widerrufenem – Geständnis beurteilt.

Thomas Henning sagte, Kröber sei damals auch Leiter eines Instituts in Berlin gewesen und habe Gelder für die Forschung akquirieren müssen. Ein Landtagsuntersuchungsausschuss in Bayern müsse nun der Frage nachgehen, ob zwischen der Geldbeschaffung und dem Gutachten über Ulvi K. ein Zusammenhang bestehe.

Unbekannter Taxi-Gast

In spätestens vier Monaten will die Anwaltskanzlei einen zweiten Wiederaufnahmeantrag bei Gericht einreichen. Mit ihm soll erreicht werden, dass der im Raum stehende sexuelle Missbrauch von Ulvi K. an Peggy aufgeklärt werde. "Den hat es nicht gegeben", versicherte Betreuerin Gudrun Rödel. Dies könne man beweisen. Ulvi war zwar vom Mordvorwurf freigesprochen worden, der gerichtlich festgehaltene sexuelle Missbrauch am Kind vier Tage vor ihrem Verschwinden am 7. Mai 2001 ist aber weiter aktenkundig.

Rödel kritisierte zudem heftig das Verhalten von Peggys Mutter Susanne Knobloch: "Sie war keine treusorgende Mutter!". An dieses Thema würden sich die Medien aber nicht herantrauen, sagte Rödel. Sie forderte die Ermittlungsbehörden auf, Akten, die noch unter Verschluss gehalten würden, endlich freizugeben. Zum Beispiel müsse endlich an die Öffentlichkeit, wer am Tag des Verschwindens von Peggy mit dem Taxi nach Lichtenberg kam und direkt auf das Wohnhaus von Peggy und ihrer Familie zuging.

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