Geheimes Kirchenasyl in Weißenburg

30.3.2017, 08:01 Uhr
Geheimes Kirchenasyl in Weißenburg

© Jan Stephan

Nach Ettenstatt nun auch Weißenburg. Wieder hat sich eine Kirchengemeinde entschieden, einen Flüchtling vor dem Handeln des Staats zu schützen. Für alle Seiten keine leichte Situation. Das Kirchenasyl ist ein uralter Brauch, der sich aber in keinem Gesetz findet. Auch wenn es mittlerweile eine Vereinbarung zwischen Bundesregierung und Kirchen gab, die Kirchenasyle unter bestimmten Bedingungen zu tolerieren, schwingt viel Unsicherheit mit. Zumal in Bayern. Hier hatten Staatsanwaltschaften zuletzt Kirchengemeinden wegen Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt angezeigt.

So auch im Fall des beendeten Kirchenasyls in Ettenstatt (wir berichteten) und erst vor wenigen Tagen bei einem Fall in Schwabach. In Ettenstatt ist das Verfahren mittlerweile wegen Geringfügigkeit beendet worden, ob bald auch den Weißenburgern ein Brief der Staatsanwaltschaft ins Haus flattert, weiß keiner.

Weißenburgs Dekanin Ingrid Gottwald-Weber ist sich der schwierigen Situation bewusst. „Wir wollen den Staat nicht reizen, ihn nicht provo­zieren. Das sind alleine humanitäre Gründe, die da eine Rolle spielen.“ Ehrenamtliche brachten die junge Frau für ein Kirchenasyl ins Ge­­-
spräch. Die deutschen Behörden hatten sie aufgefordert, für die Behandlung ihres Asylantrags nach Polen zu reisen. Das Land sei zuständig, weil sie dort den Schengen-Raum betreten habe.

Was hilft eine Kirche, die nur redet?

„In diesem Land ist die Situation einfach nicht zumutbar“, stellt die Dekanin im Gespräch mit unserer Zeitung fest. Die Asylverfahren seien undurchsichtig, schlimmer noch aber die Zustände in den Flüchtlingslagern. „Das geht bis ins Lebensbedrohliche.“ Allerdings müssen viele Flüchtlinge für ihr Verfahren aus Deutschland ausreisen.

Was macht also diesen Fall besonders? „Es handelt sich um eine alleinreisende, zierliche, junge Frau“, antwortet die Dekanin knapp. „Ver­gewaltigungen sind in den Lagern an der Tagesordnung.“

Man merkt ihr an, dass die Entscheidung für das Kirchenasyl keine leichte war. Was sie mache, wenn die nächste alleinreisende Frau mit einem ähnlichen Schicksal kommt? „Ich weiß es nicht“, sagt die Dekanin. „Wir sehen uns nicht als Anlaufstelle für Kirchenasyl. Wir sind nicht gehalten, Politik zu machen, aber in dem Fall . . . Was hilft ein Christentum, das nur redet? Nächstenliebe gehört bei uns dazu.“

Der Weißenburger Fall ist von der Landeskirche geprüft. Es handle sich um einen besonderen Härtefall, der unter die Vereinbarung mit der Bun­desregierung fällt, entschied man in Absprache mit dem Kirchenasylbeauftragten der Landeskirche. Erst dann wurde der Fall dem Weißenburger Kirchenvorstand vorgelegt, der ebenfalls für das Asyl stimmte. Seit November 2016 lebt die Frau nun im Gemeindehaus. Und die Führungsebene der Kirchengemeinde hat es über Monate geschafft, diesen Umstand geheim zu halten.

So wollte man verhindern, die Behörden zu provozieren, und außerdem der jungen Frau psychischen Druck ersparen. Ein anonymer Hinweis, der bei unserer Zeitung einging, machte das Thema nun öffentlich. Inzwischen befindet man sich ohnehin auf den letzten Metern. Am 2. Mai endet des Kirchenasyl, sagt Gottwald-Weber. Dann seien sechs Monate nach der Ausreiseaufforderung vergangen und damit Deutschland für das Asylverfahren zuständig. Der Frau bliebe das polnische Lager erspart.

Das Gelände nicht verlassen

Seit fünf Monaten habe sie das Gelände der Kirche nicht verlassen, berichtete die Dekanin, um zu verhindern, dass die Behörden Zugriff auf sie bekommen. Die seien sofort von der Kirchengemeinde informiert worden und gut mit der Situation umgegangen. Das war schon mal anders. 2014 gab es in Augsburg einen Fall, als die Polizei Flüchtlinge aus einem Kirchenasyl im Pfarrheim geholt hatte. Das wird in Weißenburg wohl kaum mehr passieren. Man hofft vor allem, dass die Frau in Deutschland ein faires Asylverfahren bekommt und eine Chance auf eine gute Zukunft. Dafür lernt sie seit Monaten täglich Deutsch. Gottwald-Weber: „Ich habe ihr gesagt, dass ist wie eine Klausur, und nur Trübsal blasen bringt ja auch nichts.“

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