Gruber will Enteignung

6.5.2011, 08:49 Uhr
Gruber will Enteignung

© Renner

Gruber kam auf die Idee der Ent­eignung, weil sich der Kauf des Bahnhofs nach seiner Lesart „zur unendlichen Geschichte entwickelt und der Fortschritt in der Sache nicht erkennbar ist“. Eigentum verpflichte nach dem Grundgesetz und sein Gebrauch solle zugleich der Allgemeinheit dienen, meint er. Der Linke: „Die Eigentümer haben offenbar nicht einmal eine privatwirtschaftliche Gewinnerzielungsabsicht. Sie parken nur ihr Geld, von dem sie offensichtlich zu viel übrig haben.“ Die Allgemeinheit, sprich die Bahnkunden, die die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen wollten, könnten aber weder die Toiletten im Bahnhofsgebäude nutzen noch sich bei schlechtem Wetter im Innern aufhalten. Und: „Die Stadt, die für ihre Bürger hier Abhilfe schaffen möchte, wird über Jahre hingehalten“, schreibt Gruber in seiner Antragsbegründung.

Verstoß gegen das Grundgesetz?

Dort heißt es weiter, dass die Bahn vor rund 150 Jahren das Gelände von der Kommune sogar geschenkt bekommen habe. Statt es aber zurück­zugeben oder es der Stadt zu ver­kaufen, habe sie Hunderte Bahnhöfe „an einen Finanzhai“ veräußert. Der Linke: „Auch darin sehe ich einen Verstoß gegen das Grundgesetz.“ Der jetzige Eigentümer des Bahn­hofs, die Firma Patron Capital in Luxemburg, verstößt nach Grubers Ansicht gar „über einen unerträglich langen Zeitraum gegen das Grundgesetz“. Das Unternehmen erkläre nicht, was es mit der Immobilie vorhabe, und wisse es offensichtlich selbst nicht. Es blockiere „aber eine sinnvolle Nutzung für die Allgemeinheit“. Der Stadtrat: „Das darf sich die Allgemeinheit, hier die Stadt Weißenburg, nicht länger gefallen lassen.“ Gruber kommt zu dem Schluss, „dass geltendes Recht ein Enteignungsverfahren deckt“.

Dies sieht man in der Stadtverwaltung grundsätzlich anders, wenngleich Oberbürgermeister Jürgen Schröppel meinte: „Der Ansatz ist aller Ehren wert.“ Zumal derzeit die Verhandlungen erneut an einem Tiefpunkt an­gekommen sind. Schröppel: „Ich bin wieder einmal an einem Punkt, wo ich den Gesprächspartnern hinterherlaufe.“ Offenkundig ist Patron Capital derzeit nicht verkaufsbereit. Der OB: „Es ist wirklich verheerend.“

Dennoch seien „Gründe für eine Enteignung nicht gegeben“. Den Rahmen stecken das Grundgesetz und das Bayerische Gesetz über die entschädigungspflichtige Enteignung ab. Letzterem zufolge kann enteignet werden, um Vorhaben zu verwirklichen, die der Allgemeinheit dienen. Zulässig ist dies aber nur, wenn das Wohl der Allgemeinheit die Enteignung erfordert und das Ziel „auf andere zumutbare Weise, insbesondere aus Grundbesitz des Antragstellers, nicht erreicht werden kann“, heißt es in den Sitzungsunterlagen für den Hauptausschuss.

Dem Grundgesetz zufolge handelt es sich bei der Eigentumsgarantie um ein elementares Grundrecht, in das „nur unter sehr strengen Voraussetzungen eingegriffen werden kann“, steht in der Tischvorlage zu lesen. Eine Enteignung ist beispielsweise aus­geschlossen, wenn das entsprechende Vorhaben auch auf einem öffentlichen Grundstück verwirklicht werden kann. Da die Stadt im Besitz sämtli­cher Nachbargrundstücke zum Bahnhof ist, ist dieser Fall gegeben, verdeutlichte Heiko Stefke. Der städtische Rechtsdirektor: „Da bekommen wir zur Antwort: Wenn Euch alles außenrum gehört, ist es zumutbar, dass Ihr dort ein Klohäuschen baut.“ Er und Schröppel berichteten, dass auch das Landratsamt, das als Kreisverwaltungsbehörde für das Enteignungsverfahren zuständig wäre, keine Aussicht auf Erfolg sieht. Der OB: „Wir haben auch als Juristen ein Gesicht zu verlieren. Wenn wir mit einem Antrag ins Rennen gehen, der von vornherein aussichtslos ist, werden wir nicht ernst genommen.“

„Kein Schaufensterantrag“

Gruber entgegnete, dass er „keinen Schaufensterantrag“ gestellt habe, sondern nach seinen Recherchen zu dem Ergebnis gekommen sei, „dass auf diese Weise Druck gemacht werden kann“. Allerdings sei er kein Jurist: „Wenn die Fachleute sagen, es geht nicht, muss ich mich beugen.“

Auch CSU-Stadtrat Bernhard Amend, bekanntlich versierter Verwaltungs-jurist, kommt zum gleichen Schluss wie Schröppel und Stefke, wenngleich es ihm „lieber wäre, wenn der Bahnhof der Stadt gehören wür­de“. Er ist zugleich aber froh, dass eine Enteignung nur schwer durchzusetzen ist. Schließlich gebe es viele Gebäude, mit deren Nutzung man nicht einverstanden sei und man neh­me sie den Eigentümern auch nicht weg.