Ein Kühlschrank aus dem Mittelalter

12.10.2010, 06:54 Uhr
Ein Kühlschrank aus dem Mittelalter

© js

Jochen Scherbaum, der als Archäologe unter Aufsicht des Landesamtes die Ausgrabungen leitete, berichtet in dem 200 Seiten starken Buch von den in Weißenburg gemachten Resultaten. In dem Sammelband erscheinen alljährlich die bedeutendsten Grabungen im Freistaat.

Immerhin drei Seiten sind den Wildbad-Grabungen gewidmet. Die sind vor allem deshalb so interessant, weil sich Bagger und Pinsel der Archäologen durch ein Areal mit einer mindestens 800 Jahre alten Baugeschichte wühlten. Deren vorerst letztes Stadium ist der Erweiterungsbau für die Staatliche Berufsoberschule, der mittlerweile schon im Rohbau in die Luft ragt.

Wo jetzt Jugendliche und junge Erwachsene die Schulbank drücken, gab es im Verlauf der Jahrhunderte allerdings schon ganz andere Nutzungen. Scherbaum berichtet in seinem Artikel zum Beispiel von vier mal vier Meter breiten Wasserbecken, die in ihren hölzernen Überresten aus dem Boden kamen. „Sie dienten wohl entweder zur Aufzucht von Setzlingen oder zur Aufbewahrung von verzehrfertigen Fischen für den Verkauf“, ­vermutet der Bamberger Archäologe. Vielleicht also eine Art mittelal­terlicher Kühlschrank. Zumindest die zeitliche Zuordnung ist sicher. Dendrochronologische Untersuchungen legen eine Datierung um das Jahr 1427 nahe.

Es fanden sich aber auch Spuren der Stadtbefestigung. Das Areal des Erweiterungsbaus lag nämlich bis 1370 außerhalb der Stadt, genauer ­gesagt im Graben der ersten Stadtbefestigung. Auf diese Mauer stießen Scherbaum und seine Mitarbeiter bei den Grabungen. Sie datiert um das Jahr 1200. Ähnlich auch der Überraschungsfund der vorgelagerten Zwingermauer, die bisher nur vermutet worden war.

Der Archäologe konnte in Zusam­menarbeit mit dem Weißenburger Stadtarchivar Reiner Kammerl Schäden an der Mauer in Zusammenhang mit der Erweiterung des Stadtgebiets im letzten Viertel des 14. Jahrhunderts bringen. Mit dieser Ausdehnung wurde die alte Stadtmauer überflüssig und das Areal einer anderen Nutzung zugeführt. Im Grabenbereich entstanden zum Beispiel die vom Stadtbach gespeisten Fischbecken. 1538 dann wurde auf dem Gelände des heutigen Hauptbaus der Fachoberschule das Wildbad gebaut.

Bei den Grabungen im Pausenhof der Schule war deshalb kaum zu erwarten, dass Überreste des eigentlichen Bads zum Vorschein kommen würden. Immerhin einen Teil der „Haustechnik“ der über Weißenburg hinaus renommierten Badestätte aber fand man: ein Teil der Quellfassung, die bis zu vier Meter unter das heutige Bodenniveau reichte, und Überreste des Kesselhauses, in dem das Wasser erhitzt wurde.

Die genaue Funktion des Raums allerdings gibt noch Rätsel auf, denn es handelte sich wohl nicht um einen der Ofenräume, so Jochen Scherbaum im Archäologischen Jahr. Unklar ist auch die Funktion einer tönernen Wasserleitung aus dem 14. oder 15. Jahrhundert. „Wenn auch die äl­teren Befunde eher Rätsel aufgaben als lösten, waren die jüngeren Befunde auf der Fläche gut zu interpretieren“, schreibt er. So deckten sich die Fundamente einer Mühle im östlichsten Teil des Pausenhofs mit Aufzeich­nungen aus dem Stadtarchiv, und es konnte die Baugeschichte eines großen Wassersammelbeckens durch Baupläne aus dem Magazin nachvollzogen werden.

Was mit dem Römern?

Mit keinem Wort erwähnt wird in Scherbaums Beitrag allerdings eine dicke Brandschicht im westlichen Teil des Pausenhofs. „So könnten römische Brandgräber aussehen“, hatte Scherbaum bei einer ersten Präsentation der Grabungsergebisse im Weißenburger Landratsamt vorsichtig geäußert. Eine römische Scherbe im direkten Umfeld nährt diese Spekulation. Experten vermuteten, dass es sich hier vielleicht um den Friedhof des römischen Kastells Biriciana und dessen angeschlossene Zivilsiedlung gehandelt haben könnte.