Ein Stopfenheimer trainiert die Nationalkeeperin

16.4.2011, 09:00 Uhr
Ein Stopfenheimer trainiert die Nationalkeeperin

© 1. FFC Frankfurt

Die Geschichte von Andre Wachter ist eine ganz außergewöhnliche, denn er war zu Jugendzeiten selbst ein großes Torwarttalent. Er spielte beim
1. FC Nürnberg, zählte zu den besten seines Fachs in Bayern und schien geradewegs in eine Profikarriere zu steuern. Dann warf ihn allerdings eine schwere Schulterverletzung aus der Bahn, eine Zeit lang war völlig Schluss mit Fußball. Doch die Faszination dieser Sportart und der in Nürnberg tätige Torwarttrainer der Frauen-Nationalelf, Michael Fuchs, holten ihn zurück.

Andre Wachter schlug die Trainerlaufbahn ein. Derzeit ist er in der zweiten Saison im Nachwuchsbereich beim FCN tätig (Junioren und Juniorinnen) und macht seinen Trainerschein in Oberhaching. Wenn alles glatt geht, wird er die Ausbildung
im Mai abschließen. Ab Juli geht es dann nach Frankfurt. Dass er gleich am Anfang seiner Trainerkarriere mit Deutschlands Nummer eins arbeiten kann und darf, freut Andre natürlich riesig. „Das ist eine Supersache.“

„Die Qualität entscheidet“

Welt- und Europameisterin Nadine Angerer selbst ist 32 Jahre und damit einiges älter als ihr künftiger Coach, der im Juni 22 wird. Das stört die Keeperin aber keineswegs. Im Gegenteil: „Entscheidend ist nicht das Alter, sondern die Qualität“, sagt sie. Und
in puncto Qualität ist sie von ihrem neuen Torwarttrainer vollauf überzeugt. Kennengelernt haben sich beide bei einem gemeinsamen Training mit Michael Fuchs in Nürnberg.

Als zu Beginn des Jahres 2011 offen war, wer mit dem 1. FFC Frankfurt
als Torwartcoach ins Wintertrainingslager nach Antalya in die Türkei fahren würde, brachte Nadine Agerer aufgrund ihrer Erfahrungen in Nürnberg Andre Wachter ins Gespräch. Bei den Übungseinheiten in der Türkei hinterließ der junge Stopfenheimer sowohl beim Trainerteam als auch bei der Nationalkeeperin einen „hervorragend Eindruck“. Nach weiteren Gesprächen einigte man sich schließlich auf einen Vertrag bis Juni 2012.

„Es ist eine sehr reizvolle Aufgabe, täglich mit der nicht nur für mich besten Torfrau der Welt zusammen­zuarbeiten“, unterstreicht Wachter. Sein Ziel ist es aber auch, „junge Torfrauen weiter auszubilden und ihnen das moderne offensive und aktive Torwartspiel beizubringen“. Damit will er die Entwicklung beim FFC auf dieser Position vorantrieben – auch für die Zeit nach Nadine Angerer, die Andre Wachter bei deren Spitznamen „Natze“ nennt.

„Nach einer schönen und lehrreichen Zeit in Nürnberg freue ich mich darauf, in der nächsten Saison für einen absoluten Spitzenverein im deutschen und internationalen Fußball zu arbeiten“, sagt Wachter, der beim DFB-Pokalsieger 2011 und dreifachen UEFA-Cup-Gewinner von Anfang viel Vertrauen in seine Arbeit gespürt hat. Das hebt auch FFC-Cheftrainer Sven Kahlert hervor: „Andre passt hervorragend in unser künftiges aus vier Vollzeittrainern bestehendes Coaching-Quartett.“ Und Frankfurts Manager Siegfried Dietrich findet, dass Wachter „unserem Anforderungsprofil im Zuge der Weiterent­wicklung entspricht“.

Der 21-jährige Stopfenheimer wird aufgrund seiner neuen Aufgabe im Sommer nach Frankfurt ziehen. Obwohl er dort als hauptberuflicher Trainer tätig sein wird, hat er vor, sein in Nürnberg begonnenes Studium der Wirtschaftswissenschaften fortzusetzen. Wie genau das gehen soll, will der ehrgeizige junge Mann in den kommenden Wochen ausloten. In Nürnberg hat er 2009 das Abitur an der Bertolt-Brecht-Sportschule gemacht, und hier hatte er auch seine erfolgreichsten Jahre als Fußballer.

Schwere Verletzung

Andre Wachter hatte als kleiner Junge bei der DJK Stopfenheim an­gefangen, wechselte dann zum TSV 1860 Weißenburg und 2002 im U14-Alter schließlich zum Club. Nicht wenige sahen ihn dort als möglichen kommenden Keeper der Bundesliga-Mannschaft. Dann aber, im ersten offiziellen A-Jugend-Jahrgang, erlitt
er in der Wintervorbereitung eine schwere Schulterverletzung. Kapselriss, Sehnenriss. „Das volle Programm“, sagt Andre rückblickend.

Ein halbes Jahr später hatte er sich wieder herangekämpft, tat sich aber schwer, auf das frühere Niveau zurückzu­kehren. Dann holte er sich im zweiten A-Jugend-Jahr die gleiche Verletzung noch einmal. Wieder ein Rückschlag, wieder von vorne anfangen. In Absprache mit dem 1. FC Nürnberg sollte er es später noch einmal beim Landesligisten ASV Vach versuchen – doch dort machte der Keeper kein einziges Spiel mehr.

Durch seine Vertrauensperson Michael Fuchs beim FCN kehrte er nach einer längeren Fußballabstinenz als Juniorentrainer zum Club zurück und steht nun gleich als ganz junger Coach vor einem enormen Karrieresprung. Zunächst stehen noch die Arbeit beim Club und der Trainerschein im Vordergrund. Bei der Frauen-Weltmeisterschaft heißt es dann Daumendrücken für „Natze“ Angerer und das deutsche Team, und ab Juli folgt dann der Einstieg in den Profifußball – nicht als Spieler, wie Andre Wachter einst gehofft hatte, sondern als Trainer, was mit 21 Jahren eine sehr beachtliche Entwicklung ist.