Weißenburg kauft den Bahnhof

20.10.2012, 10:42 Uhr
Weißenburg kauft den Bahnhof

© Renner

Oberbürgermeister Jürgen Schröppel ist es also gelungen, einen Schlussstrich unter die jahrelangen Verhandlungen mit wechselnden Eigentümern und noch häufiger wechselnden Ansprechpartnern zu ziehen. Schon sein Amtsvorgänger Reinhold Schwirzer hatte sich um den Kauf intensiv bemüht, sich daran „aber die Zähne ausgebissen“, wie der frühere Landtagsabgeordnete und jetzige Landrat Gerhard Wägemann es einmal formulier­te.

Kein Wunder also, dass Schröppel, der sich seit seinem Amtsantritt vor knapp viereinhalb Jahren mit dem Thema beschäftigt, rundum zufrieden ist und gestern strahlte: „Ich freue mich außerordentlich, dass meine Bemühungen von Erfolg gekrönt wurden. Es hat sich gelohnt, einen langen Atem zu haben. Heute ist für mich ein Tag der Freude.“

Er äußerte sich aber auch ausdrück-lich positiv über seinen Verhandlungspartner Boris Norgiev, der bei Main Asset Management für die Bereiche Strategie, Vermietung und Verkauf zuständig ist. Der OB: „Er hat seinen Worten auch Taten folgen lassen. Seine Vorgänger hingegen hätte oftmals eine Hinhaltetaktik gefahren. Norgiev warb im Gegenzug um Verständnis, dass sich die Verhandlungen  hingezogen haben, schließlich sei es Ziel seiner Firma, eine für alle Seiten tragbare Lösung zu finden.

Stillschweigen haben er und der OB in Sachen Kaufpreis vereinbart. Schröppel: „Immobilienpreise werden  nicht in der Öffentlichkeit diskutiert. Der Kaufpreis ist angemessen.“ Das zeigt auch die Tatsache, dass der Stadtrat einstimmig den Ankauf abgesegnet hat. Und tatsächlich kann Weißenburg wohl zufrieden sein mit dem Verhandlungsergebnis. Gewöhnlich gut unterrichtete Kreise sprechen von einer hohen fünfstelligen Eurosumme als Kaufpreis.

Stillschweigen des Stadtrats

Der Handel wurde schon Mitte September eingefädelt, danach informier­te der OB die Vorsitzenden der Stadt­ratsfraktionen. Zwei Wochen später ließ er sich in nicht öffentlicher Sitzung vom Stadtrat den Kauf absegnen und verpflichtete die Ratsmitglieder zum absoluten Stillschweigen bis zur Vertragsunterzeichnung, damit der Verhandlungserfolg nicht vorab bekannt werden konnte und den Abschluss so noch hätte gefährden können.

Was letztendlich zum Umdenken bei Main Asset und den Eigentümergesellschaften geführt hat, bleibt offen. Noch bei der Bürgerversammlung im Juli hatte Schröppel berichtet, dass sich die Verhandlungspartner nicht bewegen. Norgiev blieb gestern die Antwort auf diese Frage schuldig. Er wollte auch nicht einräumen, dass die von der Weißenburger SPD im Sommer 2011 initiierte Protestbriefaktion sowie daraus resultierende Beiträge in unserer Zeitung, in überregionalen Blättern sowie in Funk und Fernsehen einen gewissen Eindruck in seinem Hause hinterlassen hätten. Das zuzugeben, wäre freilich auch ungeschickt. Zweifelsohne haben die Aktionen aber den Druck auf Main Asset Management und das Eigentümerkonsortium erhöht.
Immerhin bewegten sie sich in der Folge. Thorsten Vogt, einer der beiden Geschäftsführer, kam zu einem Gespräch ins Weißenburger Rathaus und bot der Stadt ein lang­fristiges Nutzungsrecht Erdgeschossräume des Bahnhofs – und zwar unentgeltlich und im Grundbuch verbrieft. Der Haken an der Sache: Die Stadt hätte in die Einrichtung des ihr nicht gehörenden Gebäudes 200 000 bis 300 000 Euro investieren müssen. Die Eigentümer hätten sich aber bereit erklärt, im Gegenzug das äußere Erscheinungsbild des Bahnhofs zu verbessern, sprich vor allem die Fenster und die Fensterläden zu renovieren. 

Ab diesem Zeitpunkt schöpfte OB Schröppel wieder Hoffnung, weil erneut Bewegung in die Sache kam. „Wir waren ja zuvor an einem toten Punkt“, schilderte der Ob schon früher einmal. Bei Main Asset hoffte man wohl, durch das Angebot erst einmal Ruhe in die Angelegenheit zu bringen. Die Weißenburger SPD hatte nämlich erneute Protestaktionen angekündigt. Bei den weiteren Gesprächen des OB mit der Immobilienentwicklungsgesellschaft wurde schließlich sogar dem Kauf des Bahnhofs durch die Stadt Weißenburg zugestimmt.

Die Main Asset Management GmbH ist eine 100-prozentige Tochter der britischen Patron Capital Advisers LLP in London und agiert am deutschen sowie internationalen Investment- und Immobilienmarkt. Seit 2004 ist Patron Capital in Deutschland aktiv, 2008 wurde die Main Asset Management GmbH als eigenständige deutsche Tochtergesellschaft mit Hauptsitz in Dreieich bei Frankfurt und einer Niederlassung in Delitzsch bei Leipzig gegründet. Sie vertritt die Eigentümergesellschaften in Luxemburg, die rund 1 000 Bahnhöfe von
der Deutschen Bahn AG erworben haben.

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