Weiter Rätsel um Waggons aus Zweitem Weltkrieg in Feucht

12.10.2018, 12:55 Uhr
Noch Anfang der Woche blickten die Nachbarn im Feuchter Heideweg auf ein ganz normales Einfamilienhaus. Dann folgte die große Überraschung: Hinter den Mauern entdeckten die Bauarbeiter zwei Eisenbahnwaggons.

© Christian Geist Noch Anfang der Woche blickten die Nachbarn im Feuchter Heideweg auf ein ganz normales Einfamilienhaus. Dann folgte die große Überraschung: Hinter den Mauern entdeckten die Bauarbeiter zwei Eisenbahnwaggons.

Noch Anfang der Woche stand am südlichen Ende des Heidewegs ein schlichtes Einfamilienhaus: vier Wände, Giebel, Jägerzaun. Dann begannen die Abrissarbeiten. "Um 9 Uhr am Montag haben wir die erste Wand eingerissen, um 10 Uhr hab ich gedacht: 'Ja Wahnsinn!'", erzählt Abbruchmeister Jürgen Perras und schüttelt mit Blick auf die Baustelle noch immer staunend den Kopf.

Zahlreiche Nachbarn und Passanten verfolgen mittlerweile neugierig das Geschehen auf der Baustelle. Von weitem sichtbar ragt der Arm eines Kranes in den Himmel. Vom höchsten Punkt spannen sich vier Seile nach unten. Ein Bagger lupft das Heck des stählernen Kolosses. Dann schwebt der erste der zehn Tonnen schweren Waggons vom Grundstück über den Jägerzaun auf die Ladefläche eines Anhängers.

"Das ist wie ein Lottogewinn"

"Mein Motto ist immer: Erhalten vor Zerstörung", sagt Perras. Als der Abbruchmeister aus Kemnathen (Oberpfalz) den Auftrag angenommen hatte, wusste er bereits, dass zwei Waggons in dem Haus verbaut sein sollen. Nur hatte er sich das Szenario weit weniger spektakulär vorgestellt. Er hatte eher eine Unterkonstruktion erwartet, eine Art Bodenplatte, auf der später ein Haus errichtet wurde. Im Keller aber blickte er mit seinem Team nicht etwa auf das Dach der Waggons, sondern auf eine Stahlkonstruktion: der Unterboden.

Mit den Rundbogen-Decken im Erdgeschoss setzte sich das Puzzle zusammen. Nun galt es, die Waggons aus dem Stein und Mörtel des Wohnhauses zu schälen. "Dass wir zwei komplett erhaltene Waggons vorfinden, damit hatten wir wirklich nicht gerechnet", meint Perras, der in 22 Jahren noch keinen annähernd ähnlichen Fall erlebt hat. "Das ist wie ein Lottogewinn, das gibt es nur einmal im Leben."

Der Eigentümer des Grundstücks hatte offenbar keine Verwendung für diese außergewöhnlichen Bauelemente. Wäre es nach ihm gegangen, hätten Perras’ Männer die Wagen in Stücke zerschnitten und entsorgt. Der Abbruchunternehmer aber legte ein paar Tausend Euro drauf, orderte Kran und Transporter und schuf den nötigen Platz auf seinem Grundstück. Dort will er die Waggons der Baujahre 1901 und 1922 restaurieren. Der eine soll künftig ein Büro beherbergen, der andere einen Wellnessbereich. Schon in sechs bis neun Monaten soll alles fertig sein.

Seit 1947 auf dem Grundstück

Am späten Mittwochnachmittag manövrierte er den ersten Waggon aus dem Wohngebiet, gestern folgte der zweite. Perras spricht von einer "wohldurchdachten Aktion", alles habe reibungslos funktioniert. Nun ist der Weg frei für ein neues Einfamilienhaus.

Seit 1947 hatten die Waggons auf dem Grundstück am Heideweg gestanden, erläutert Bauleiter Armin Bleicher. Der Großvater des heutigen Eigentümers habe für die Bahn gearbeitet und die Wagen organisiert. Mutmaßlich hievte sie damals ein Kran an Ort und Stelle. Ob von den nahen Gleisen herüber oder von der Straße, vermag Bleicher nicht zu sagen.

Zur Geschichte einiges beitragen könnte wohl der Eigentümer des Grundstücks, der selbst mehrere Jahre hier gelebt hat. Zurzeit ist er allerdings nicht zu erreichen.

Trick des Bauherrn

Jürgen Perras meint immerhin zu wissen, warum die Bauherren überhaupt Waggons einmauerten anstatt einfach ein Haus zu bauen. Laut Zeitzeugen hätte der Bauherr damals keine Genehmigung für ein Haus erhalten, sondern nur für das Abstellen von Wagen, die man theoretisch wieder entfernen könnte. So kam er wohl auf diesen Trick, mit dem er die damaligen Vorschriften umgehen konnte.

"Gut, dass er sich darauf eingelassen hat", sagt Perras, der heute seinen 47. Geburtstag feiert. Ein besseres Geschenk hätte er sich gar nicht wünschen können.

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