Wolfsexperte: Rudelbildung in Bayern schon im Mai

21.3.2017, 05:46 Uhr
Dieser Wolf sucht möglicherweise noch nach einem Partner - während sich in Bayern nachweislich zwei Pärchen gefunden haben. Wolfsexperte Ulrich Wotschikowsky glaubt fest an Wolfsnachwuchs im Mai diesen Jahres.

© Foto: dpa Dieser Wolf sucht möglicherweise noch nach einem Partner - während sich in Bayern nachweislich zwei Pärchen gefunden haben. Wolfsexperte Ulrich Wotschikowsky glaubt fest an Wolfsnachwuchs im Mai diesen Jahres.

NZ: Herr Wotschikowsky, als wir im April 2016 das letzte Mal miteinander sprachen, stand eine Rudelbildung von Wölfen in Bayern noch nicht im Raum. Hat sich diese Situation nun geändert?

Ulrich Wotschikowsky: Mit diesen zwei bestätigten Paaren die sich jetzt gefunden haben, absolut. Wenn den Tieren nichts passiert rechne ich fest damit, dass wir im Mai diesen Jahres die ersten beiden Rudel auf bayerischem Boden haben werden. Ein Rudel bezeichnet eine Familiengruppe, also zunächst einmal die Eltern mit ihren Kindern.

Ulrich Wotschikowsky mit "Joschka"

Ulrich Wotschikowsky mit "Joschka"

NZ: Wie viel Welpen werfen Wölfe in der Regel?

Wotschikowsky: Im Durchschnitt fünf, aber die Sterblichkeit der Neugeborenen ist hoch. Bis zum Ende des Jahres sind aus einem Wurf oft nur drei oder vier Jungtiere übrig.

NZ: Verändern die Tiere im Rudel ihr Verhalten?

Wotschikowsky: Sie fressen die gleichen Beutetiere und haben die gleichen Raumansprüche. Bereits Einzeltiere stecken sich ja eine Art Revier ab, in dem sie sich einen Partner anlachen möchten - in Mitteleuropa übrigens ein Gebiet von rund 250 Quadratkilometern!

NZ: So groß?

Wotschikowsky: Durchaus! Dieses Revier wird ab der Rudelbildung dann auch kontrolliert und gegen andere zuwandernde Wölfe verteidigt. Das Gebiet ist ein Exklusivgebiet des Rudels - da lassen die keine anderen Wölfe rein. Vielleicht lassen sie mal ein Jungtier durchziehen - aber auch dieses ist gut beraten, wenn es schnell wieder verschwindet.

NZ: Ändern die Rudel ihr Verhalten gegenüber Menschen?

Wotschikowsky: Nein, das Verhalten ist auch hier grundsätzlich das gleiche, also absolut scheu und zurückhaltend. Natürlich werden die Forstbeamten und Soldaten oben in Grafenwöhr mit der Rudelbildung schon eher mal einen Wolf zu Gesicht bekommen - einfach weil es mehr davon gibt.

NZ: Für den unwahrscheinlichen Fall, dass man doch einmal einem Wolf begegnet - wie verhält man sich richtig?

Wotschikowsky: Am besten gar nicht! (lacht) Sie brauchen gar nichts machen! Der Wolf wird sie aus einer Entfernung von 30 bis 40 Metern kurz begutachten und im wahrscheinlichsten Fall sofort davonlaufen. Eventuell bleibt er neugierig dastehen, oder kommt sogar ein paar Schritte näher. Bei einer Erstbegegnung mit dem Menschen legen dieses Verhalten aber auch andere Wildtiere an den Tag, das ist nicht etwa wolfstypisch.

NZ: Ändert sich etwas, wenn man einen Hund dabei hat?

Wotschikowsky: Ja, das kann sein. Dann ist der Wolf an dem Hund interessiert, betrachtet ihn als Eindringling oder will Kontakt aufnehmen. Da hängt jetzt viel davon ab in welchem Zustand der Hund ist und aus welchem Sozialgefüge der Wolf stammt. Trifft ein Wolfsrüde auf eine läufige Hündin, wird er möglicherweise über eine gewisse Barriere hinausgehen und näher herankommen. In diesem Fall ist es angebracht, laut zu klatschen oder den Wolf anzuschreien.

Ulrich Wotschikowsky (Jahrgang 1940) ist studierter Förster und war bis 1978 im Nationalpark Bayerischer Wald tätig. Er arbeitete als Journalist und war 17 Jahre bei der Wildbiologischen Gesellschaft München (WGM) tätig. Seine wissenschaftlich/publizistische Hinwendung galt und gilt vorrangig den berühmten Rückkehrern Luchs und Wolf. Mehr zum Wolf gibt's hier.

 

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