Schar betroffener Anleger wächst

29.12.2011, 11:00 Uhr
Schar betroffener Anleger wächst

Über die vorläufige Insolvenzverwaltung, die Anleger-Schutzvereinigungen und Fachanwälte bricht gerade eine regelrechte Flut von Anfragen verunsicherter Anleger herein. Rund 700 sind es bis jetzt allein bei der Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (SdK). „Wir gehen inzwischen davon aus, dass deutlich mehr als die zunächst angenommenen maximal 10000 Anleger allein bei den Anleihen betroffen sein werden“, beschreibt SdK-Vorstand Daniel Bauer die außergewöhnlich starke Reaktion von Geldgebern der Solar Millennium AG. Und er ergänzt: „Wir kommen mit der Bearbeitung gar nicht mehr hinterher“, Anleger investierten entweder als Aktionäre — insgesamt 14000 — oder als Zeichner von Anleihen, mit denen die Erlanger ihre Arbeit als Projektentwickler finanzierten.

Rund 227 Mio. € stehen da bei fünf Anleihen noch im Feuer — Geld, das möglicherweise verloren ist. „Viel wird davon abhängen, wie werthaltig die Kraftwerksprojekte des Unternehmens sind. Findet der vorläufige Insolvenzverwalter bei seiner Prüfung viel heiße Luft vor, dann sieht es für die Anleihegläubiger nicht gut aus“, warnt Bauer. Zumal zu erwarten sei, dass einzelne Gläubiger sich vorrangig abgesichert haben.

All das untersucht zurzeit der vorläufige Insolvenzverwalter, der Nürnberger Anwalt Volker Böhm. Wie sein Sprecher gestern betonte, sollen noch in der ersten Januarwoche so viele Erkenntnisse vorliegen, dass eine erste öffentliche Stellungnahme auch in Hinblick auf die Anleger erfolgen kann.

Immer mehr private Investoren wollen inzwischen auch Betrug nicht mehr ausschließen. Die Rede ist von einem möglichen Schneeballsystem, mit dem Geldgeber geködert worden seien. „Es riecht danach", wird Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) zitiert. Beide Anleger-Vereinigungen — die SdK und die DSW — prüfen die Vorgänge um die Solar Millennium selbst, auch in strafrechtlicher Hinsicht.

„Konkrete Hinweise auf Betrug haben wir derzeit allerdings nicht“, sagt SdK-Vorstand Bauer, „aber es gibt durchaus Auffälligkeiten, die klärungsbedürftig sind.“ Die Modalitäten der Veräußerung von Projektgesellschaften sei ein solches Beispiel. Auch der schnelle Abgang des nur 74 Tage amtierenden Vorstandschefs Utz Claassen erscheint vielen Anlegern nun in einem ganz anderen Licht.

Claassen hatte Solar Millennium im März 2010 von heute auf morgen zunächst ohne Angaben von Gründen verlassen. Heute wirft Claassen dem Aufsichtsrat Täuschung vor und fordert für sein Kurzgastspiel sieben Mio. € Abfindung und Schadenersatz. Wie sein Anwalt Sebastian Melz gegenüber dem Handelsblatt erklärte, hält Claassen an seinen Forderungen gegenüber dem Solarkraftwerksentwickler fest: „Der Insolvenzantrag hat für die gerichtliche Auseinandersetzung unseres Mandanten mit dem Unternehmen keine unmittelbaren prozessualen Folgen.“