Schätze hinter dicken Mauern

22.6.2011, 17:51 Uhr
Schätze hinter dicken Mauern

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Nürnberg - das war seit dem 19. Jahrhundert der Inbegriff einer mittelalterlichen Großstadt. Wie in einem Traum erlebte man beim Durchwandern seiner alten Gassen und malerischen Plätze den Zauber einer Kunststadt, die ihr altes, gewachsenes Bild fast makellos durch die Stürme aller Zeiten bewahrt hatte. Nürnberg war eine der schönsten Städte der Welt und eine der bedeutendsten Kunststätten Europas. Nach 1945 war von all dem wenig mehr übrig als ein grauenvoller Trümmerhaufen. Alliierte Bomben hatten bis auf geringe Reste ausgelöscht, was in Jahrhunderten entstanden war. Es grenzt an ein Wunder, dass unsere Stadt nach dieser Zerstörung einen Teil des alten Glanzes wieder erringen konnte. Bei einem Spaziergang wollen wir betrachten, was wohl gänzlich verloren gegangen wäre, hätte es in Nürnberg nicht einen vorbildlichen Kunst-Luftschutz gegeben.

Beginnen wollen wir an der Lorenzkirche, die uns noch heute als das künstlerisch bedeutendste unter den Nürnberger Gotteshäusern beeindruckt.

Viel wäre heute wohl nicht von der alten Pracht erhalten, hätte man sie nicht rechtzeitig geschützt: Das Portal war hinter einer 14 Meter hohen, 10 Meter breiten und 40 Zentimeter starken Betonwand verwahrt. Wie bei allen Kirchen waren bereits kurz nach Kriegsausbruch die Farbglasscheiben gesichert worden – wohl kaum eine hätte sonst überlebt! Im Weitergehen denken wir noch schnell an das eingemauerte Sakramentshäuschen und die ausgelagerten Figuren der Nürnberger Kirchen, wobei der Englische Gruß von St.Lorenz wohl der prominenteste Vertreter der zahlreichen geretteten Originale ist.

Auf dem Weg zum Heilig-Geist-Spital passieren wir den Tugendbrunnen. Wie eh und je plätschert sein Wasser durch die alten Figuren von 1589 – wie fast alle Nürnberger Brunnenfiguren waren auch sie während des Krieges geborgen worden.

Neben dem Kreuzigungshof des Heilig-Geist-Spitals, dessen Kreuzigungsgruppe ebenfalls eingemauert war, fesseln die beiden Tischgräber den Betrachter. Hier konnten die wertvollen Grabmäler aus den Trümmern der Spitalkirche relativ unbeschadet ausgegraben werden, da sie durch eine Betonabdeckung geschützt gewesen waren. Vorbei geht es nun am Vorbau der Frauenkirche, dessen Schutzmauer noch im April 1945 teilzerstört wurde. Ohne Ummantelung hätte die Zerstörung vielleicht diesen Gebäudeteil eingeebnet.

Der Blick fällt nun auf den Schönen Brunnen, dessen Backsteinmantel wohl das im Stadtbild auffälligste Stück der Schutzmaßnahmen darstellt. Hier wird deutlich, dass sich der Kunst-Luftschutz keineswegs im Geheimen vollzog. Der ummauerte Brunnen inmitten des Markttreibens auf dem unzerstörten Platz bot ein eigenartiges Bild. Der große Schutzaufwand für ein Werk, das als Kopie ja erst 40 Jahre alt war, demonstriert die Wichtigkeit dieses Bauwerkes für die Nürnberger, die ja auch bei der letzten Verhüllung mit Plastikstühlen 2006 spürbar wurde.

Von hier ist es nur ein Katzensprung zum Rathaus. Hier mögen die Kopien der Reichskleinodien auch daran erinnern, dass der deutsche Kronschatz unter dem dicken Fels des Burgberges die Zerstörungen und Plünderungen unbeschadet überstanden hat. Der wiederaufgebaute Rathaussaal erhält sein Licht vom geretteten Behaim-Leuchter von 1615 (durch die Altstadtfreunde 1985 wiederhergestellt) und lediglich die beiden Sandsteinreliefs am Ostende des Saales zeigen, dass nicht jede Schutzmaßnahme zum gewünschten Ergebnis führte – trotz Ummauerung wurden Schwertrelief und Ludwig der Bayer stark beschädigt. Unbeschädigt jedoch blieben andere Kassettendecken und Vertäfelungen des Hauses, die im Krieg ausgebaut wurden – am bekanntesten wohl die Decke des Kleinen Rathaussaales.

Eine andere bedeutende Kassettendecke finden wir mitsamt Vertäfelung ein paar Schritte entfernt im Fembohaus: Die prächtige Ausstattung des Schönen Zimmers aus dem Nürnberger Pellerhaus. Diese wurde 1942 ausgebaut und in die Rosenburg und Schloss Wiesenthau evakuiert. Ansonsten wäre auch sie knapp drei Jahre später ein Opfer der feindlichen Bomber geworden.

Wir passieren jetzt an der Sebalduskirche das Schreyer-Landauersche Grabmal, das ebenso wie Brautportal und Sebaldusgrab mit einer Schutzummauerung versehen war. Während das Brautportal trotzdem beschädigt wurde, blieben beide Grabmäler unversehrt. Den berühmten Erzguss der Vischerhütte hatte man mit einer 51 Zentimeter starken Backsteinmauer und zwei Schichten 30 Zentimeter starken Eisenbetons als Abdeckung geschützt.

Würde man von hier einen Abstecher durch die Füll machen, so könnte man noch einen Blick auf den gewaltigen Neutorturm von 1559 werfen. Er wurde ebenso wie ein Teil der Felsenkeller am Paniersplatz und der bekannten Bunker in der Oberen Schmiedgasse ab 1940 für den Kunst-Luftschutz ausgestattet und brachte mit seinen beiden Gefährten die hier verwahrten Kunstgüter ohne Verluste durch die Zerstörungen.

Steigt man die Bergstraße hinauf, so grüßt von der Fassade des Hauses Nr. 11/13 das monumentale Bildwerk eines Pelikans, der seine Jungen füttert. Ursprünglich war das gotische Hauszeichen an der Fassade Rathausgasse 6 beheimatet. Da es vor Ort weder verlässlich geschützt, noch ausgebaut werden konnte, hat man einen Gipsabguss angefertigt und diesen eingelagert. Das Original wurde ein Opfer der Bomben, mit Hilfe des Gipsabgusses war es jedoch möglich, eine witterungsbeständige Kopie anzufertigen und an einer geeigneten Fassade anzubringen. Dies erfolgte 2002 durch die Altstadtfreunde, die damit rund 60 Jahre nach der Gipsabformung die Absicht der damaligen Denkmalschützer in die Tat umsetzten.

Gute klimatische Verhältnisse im Kunstbunker

Wenige Meter aufwärts sieht man am Haus Obere Schmiedgasse 52 das eiserne Tor zum Kunstbunker. Hier führt eine Rampe tief in die Räume des Burgberges, die durch aufwendige Ausstattung sogar bessere klimatische Verhältnisse boten, als damals im Germanischen Nationalmuseum vorzufinden waren.

Blickt man vom Platz zur Burg hinauf und versetzt sich gedanklich in die Zeit des Krieges zurück, so sieht man eine andere Burg als heute: Die Fenster vermauert, um Funkenflug abzuhalten, die Außenwände mit Zugankern gesichert, die Fußböden hoch mit Sand aufgefüllt, Treppen mit Asbest verkleidet und die Dachstühle mit feuerhemmenden Chemikalien getränkt. Vertäfelungen und Decken sind ausgelagert. Zerstört wurde sie trotzdem. Manches der Schutzvorkehrungen war vergebens, die Dächer vernichtet, der Bau ausgebrannt und tot.

Und dennoch konnte man in die wieder aufgebaute Burg ihre alte gerettete Ausstattung zurückführen. Man konnte den brutal zerschmetterten Kirchen mit ihren alten Fenstern, Figuren und anderen Schätzen ihre Seele zurückgeben. Nürnberg konnte seine Altstadt, sein Herz wiedergewinnen – vernarbt und geschunden, manchmal verstümmelt. Aber es schlägt heute wieder.

Zehn Rundgänge, die in Kooperation mit den Altstadtfreunden Nürnberg entstanden sind, und in Nürnbergplus veröffentlicht wurden, gibt es jetzt als schön illustrierte Broschüre. Die Anleitungen für Stadtspaziergänge auf eigene Faust sind in einem handlichen Format erhältlich. Neben einer Karte, die zu jedem Kapitel die Route zeigt, werden Geschichten aus der Geschichte erzählt und auf historisch bedeutsame Sehenswürdigkeiten hingewiesen. Selbst Nürnberg-Kenner entdecken so noch manche Kostbarkeit. Die Broschüre ist gegen einen Kostenbeitrag von 2 Euro in der NZ-Geschäftsstelle in der Mauthalle sowie im Büro der Altstadtfreunde, Weißgerbergasse 10, erhältlich.


 

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