Spielwarenmesse will grüne Zeichen setzen

2.12.2010, 19:00 Uhr
Spielwarenmesse will grüne Zeichen setzen

© Andre De Geare

In Sachen Nachhaltigkeit gehört die internationale Spielwarenbranche, deren Hauptproduktionsregion Asien ist, nicht gerade zu den Vorreitern. Immer wieder sorgen Schadstoffe im Spielzeug, Missachtung sozialer Standards bei den Arbeitsbedingungen oder alles andere als „grüne“ Produktionsprozesse für Schlagzeilen. Mit der Ökobilanz ihrer Produkte, also der systematischen Analyse der Umweltwirkungen während des gesamten Lebenszyklus der Ware, beschäftigten sich bislang nur wenige Hersteller.

„Beim Thema Nachhaltigkeit steht die Spielwarenbranche noch am Anfang“, stellt Spielwarenmesse-Chef Ernst Kick fest, „momentan ist das noch mehr ein Materialthema.“ Was für ihn ganz eindeutig zu kurz greift: „Wir wollen bei der Messe die komplette Wertschöpfungskette aufzeigen.“

Umweltminister kommt

Dazu bietet die Messe eine Aktionsfläche mit entsprechenden Beispielen. Auch auf dem Spielwarenkongress, der 2011 auf der Messe in die zweite Runde geht, steht Nachhaltigkeit auf dem Programm. Zudem hat die Spielwarenmesse eine Studie in Auftrag gegeben, die die Bedeutung von Nachhaltigkeit für die Verbraucher ergründen soll. Die Ergebnisse werden Ende Januar vorgestellt.

Schirmherr der „Toys go green“-Aktion ist Umweltminister Norbert Röttgen, der auch die Messe eröffnen wird. „Eine interessante Person“, findet Kick. Und eine, an der sich die Geister scheiden: Denn verbunden mit dem Namen des Spitzenpolitikers sind die Verlängerung der Atomlaufzeiten und die Kürzung der Solarsubventionen — Dinge, die die Öko-Szene alles andere als nachhaltig findet.

Bei jeder Spielwarenmesse etwas Neues bieten, so dass keine Schau der anderen gleicht und es so stets einen Grund gibt, wieder zur Leitschau zu kommen: Das ist der Ehrgeiz von Ernst Kick. Bis heute geht die Rechnung auf: Die Spielwarenmesse International Toy Fair Nürnberg — so der offizielle Name — ist die Nummer eins unter den Branchenschauen auf dem Globus. „Alle wichtigen Vertreter der Spielwarenwelt sind in Nürnberg“, betont Kick. Und: „Wir sind bis zur Halskrause ausgebucht.“

Zur 62. Auflage der Veranstaltung im Februar werden rund 2700 Aussteller und — so hofft Kick — wieder über 76000 Besucher aus aller Herren Länder kommen. Nicht jede Firma, die in Nürnberg ausstellen will, kommt zum Zug, seit Jahr und Tag gibt es eine Warteliste. Für Kick eine komfortable Situation: „Dadurch können wir auch an dieser Stelle, bei der Auswahl der Firmen, an der Qualität der Schau arbeiten.“ Im Klartext: Es muss nicht jeder genommen werden, nur um die Hallen zu füllen.

Eine „geschlossene Gesellschaft“ ist die Spielwarenmesse aber nicht, laut Kick gehört eine moderate Bewegung im Ausstellerspektrum zur Strategie: „Wir brauchen eine Mischung aus traditionellen und neuen Unternehmen.“ Hinauskomplimentiert wird freilich niemand: Wer auf der aktuellen Messe ausstellt, hat die Option, auch bei der nächsten dabei zu sein. Der Platz für die „Neuen“ ergibt sich durch die normale Fluktuation im Ausstellerkreis. Und natürlich durch den Strukturwandel in der Spielwarenbranche, zu dem ein Rückgang der deutschen Hersteller zählt. Der zeigt sich auch bei der Spielwarenmesse: Der Anteil der Aussteller und Fachbesucher aus Deutschland sinkt seit Jahren, während die Teilnehmerzahlen aus dem Ausland steigen.

Zu den Debütanten im kommenden Februar in Nürnberg zählt die EU-Kommission. „Brüssel sieht in uns einen Ankerpunkt zur Branche“, erläutert Spielwarenmesse-Pressesprecherin Kyra Mende, ohne eine Miene zu verziehen. Dass der EU-Kommission diese Erkenntnis reichlich spät gedämmert ist, käme ihr nie über die Lippen. Kick drückt es diplomatisch so aus: „Ich bin froh, dass die EU-Vertreter da sind.“

„Gezielterer Schuss“

Kein Wunder, Gesprächsbedarf gibt es mehr als genug. Zum Beispiel mit Blick auf die neue Spielzeugrichtlinie. Dass mit ihr die Spielzeugsicherheit gestärkt wird, begrüßt der Deutsche Verband der Spielwaren-Industrie (DVSI) ausdrücklich — allerdings hätte er sich einen stärkeren Fokus auf das Qualitätsmanagement in den Firmen gewünscht. Mit einem „gezielteren Schuss“ in diese Richtung, so DVSI-Mann Ulrich Brobeil, würde manches Problem gar nicht erst entstehen. Seinen Worten zufolge finden sich in der Richtlinie schlicht zu viele Einzelverbote.

Fruchtbare Gespräche soll es in Nürnberg auch zwischen Lizenzgebern und –nehmern geben. Denn dem Geschäft um Comic-Figuren&Co., die auf Tassen, T-Shirts, Bettwäsche und vielem anderen prangen, wird insbesondere in Deutschland großes Wachstumspotenzial bescheinigt. So hat die Spielwarenmesse ihr „LicenseCenter“, in dem Lizenzthemen präsentiert werden, nicht nur in den schicken neuen Eingangsbereich Mitte der NürnbergMesse verlagert, sondern auch um eine dreitägige „Lounge der Lizenzen“ erweitert, eine Art Kontaktbörse für die Akteure.

Bei allen eigenen Innovationen interessiert Kick die Resonanz auf etwas anderes — nämlich, wie seine Kundschaft auf den „genialen“ Eingangsbereich Mitte reagiert: „Da bin ich gespannt.“ Ein Aha-Effekt wird es allemal: Bei der Spielwarenmesse 2010 empfing die Fachbesucher eine wenig einladende Baustelle.