Der „schnelle Willi“ und sein Olympia-Trauma

2.10.2011, 21:52 Uhr
Der „schnelle Willi“ und sein Olympia-Trauma

© Manfred Marr

Von 1956 bis 1965 zählte Willi Fuggerer als neunfacher deutscher Meister zehn Jahre lang zur deutschen Spitzenklasse. „So richtig habe ich mich 1964 über die Bronzemedaille gar nicht freuen können, denn eigentlich hatten wir Gold bereits sicher“, erinnert sich Willi Fuggerer, dem die internationale Jury in Tokio übel mitgespielt hatte. Nachdem sich Willi Fuggerer und sein Tandem-Partner Klaus Kobusch bis ins Halbfinale durchgekämpft hatten, wurden sie nach einem weiteren glatten Lauf-Sieg über die italienischen Favoriten Beghetto/Damiano disqualifiziert. „Das war völlig zu Unrecht, doch alle unsere Proteste waren vergeblich, und wir durften danach nur noch um Platz drei fahren“, ärgert sich Fuggerer heute noch.

Erstmals tauchte der Name „Wilhelm Fuggerer“ im Frühjahr 1956 in den Rennprogrammen der Region auf und der extrem schnelle Willi, wie der 14-jährige Neuling beim RCH genannt wurde, ließ sofort sämtliche Radsportexperten staunen. Selbst gegen ältere und körperlich wesentlich stärkere Gegner setzte er sich mit seiner fulminanten Endgeschwindigkeit problemlos durch. Bei Jugend-Rennen war das junge Herpersdorfer Talent bis 1959 kaum zu bremsen. Nur Defekte oder Stürze konnten damals den Senkrechtstarter stoppen.

Willi Fuggerer gewann vier Jahre lang sämtliche bayerischen Meistertitel, die es für Jugendliche bzw. für Junioren gab. „Schade, dass deutsche Jugendmeisterschaften in den verschiedenen Bahndisziplinen erst viel später eingeführt wurden“, bedauert der einstige Seriensieger, dessen Titel- und Medaillen-Sammlung sonst sicher noch wesentlich größer geworden wäre.

Der „schnelle Willi“ und sein Olympia-Trauma

© Manfred Marr

Nach seinem Wechsel ins Lager der Amateure konzentrierte sich Willi Fuggerer, der auch zahlreiche Straßenrennen und vor allem aber viele Kriterien und Rundstreckenrennen gewann, immer mehr auf den Bahnrennsport, wobei er sehr schnell im Sprint und im 1000-m-Zeitfahren zur deutschen Spitzenklasse zählte. Von 1960 bis 1965 war Willi Fuggerer sechs Jahre lang ohne Unterbrechung Mitglied der deutschen Bahn-Nationalmannschaft. 1961 wurde er deutscher Meister im 1000-m-Zeitfahren vor dem späteren Vierer-Weltmeister Karl Link aus Stuttgart.

Fuggerers große Spezialität wurde in den folgenden Jahren der klassische Bahnsprint: Von 1963 bis 1965 erkämpfte er sich ohne Unterbrechung dreimal hintereinander die Deutsche Meisterschaft im Sprint der Amateure.

Zugleich eiferte Willi Fuggerer auf dem Tandem ebenso erfolgreich seinem großen Herpersdorfer Vorbild Fritz Neuser nach: Mit dem Berliner Gerd Modrow holte sich Willi Fuggerer 1961, 1962 und 1963 dreimal den deutschen Meistertitel, den er mit seinem neuen Partner Klaus Kobusch aus Bocholt 1964 und 1965 zweimal souverän verteidigte. Zu den Olympischen Spielen in Tokio reiste das erfolgreiche Meister-Tandem Kobusch/Fuggerer 1964 nach zahlreichen Länderkampf-Siegen mit berechtigten Medaillenhoffnungen. Der 23-jährige Bocholter und der 22-jährige Herpersdorfer enttäuschten beim olympischen Turnier ihre vielen Fans nicht. In blendender Form trumpften Fuggerer/Kobusch bei jedem Start auf.

Der „schnelle Willi“ und sein Olympia-Trauma

© Manfred Marr

Nach klaren Siegen in sämtlichen Vor- und Zwischenläufen erreichten sie problemlos das Halbfinale gegen das italienische Tandem. In sensationellen 10,9 Sekunden für die letzten 200 m bezwangen sie im ersten Halbfinallauf die Favoriten Beghetto/Damiano. Den ebenso spannenden zweiten Lauf konnten danach allerdings die Italiener mit einer Handbreite Vorsprung für sich entscheiden. Die Spannung stieg im Hachiojo-Velodrom von Tokio, als beide Tamdems zu einem Entscheidungslauf antraten. Doch da passierte es: Als die Italiener in der Zielkurve das führende deutsche Team energisch angriffen, verriss Klaus Kobusch beim Umblicken etwas den Lenker und zog die Maschine leicht nach oben. Grund genug für die Jury, die beiden Deutschen erbarmungslos zu disqualifizieren.

Für Willi Fuggerer und seinem Partner, die erfolglos protestierten, war der Traum vom olympischen Gold, das danach die Italiener gewannen, abrupt zu Ende. „Die Bronzemedaille von Tokio war für mich zwar mein größter internationaler Erfolg, doch nachdem für uns Gold so greifbar nahe war, zugleich auch die größte Enttäuschung“, erzählte Willi Fuggerer oft rückblickend, der dem Radsport und dem RC Herpersdorf auch nach dem Ende seiner großen Karriere treu blieb. Als Trainer, Betreuer und Berater gab er seine reiche Erfahrung viele Jahre an den Nachwuchs des Vereins weiter.

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