FCN-Boss spürt ein bisschen Aufbruchstimmung

28.1.2015, 05:59 Uhr
FCN-Boss spürt ein bisschen Aufbruchstimmung

© Zink/JüRa

Am Samstag flog Thomas Grethlein um drei Uhr nachts nach Antalya. Für genau 29 Stunden besuchte er die Reisegruppe des 1. FC Nürnberg im Trainingslager, um sich einen Überblick zu verschaffen und viele Gespräche zu führen. Vor allem mit Sportvorstand Martin Bader und Trainer René Weiler steckte er häufig die Köpfe zusammen.

Das wichtige Ehrenamt gefällt ihm, nach wie vor, trotz der hohen Belastung. Seit seiner Wahl am 7. Oktober hatte Grethlein „über 50 Club-Termine“, wie er sagt, Telefonate nicht mit inbegriffen, das rechnete er kürzlich nach. Macht unter dem Strich etwa 70 Arbeitsstunden pro Woche, beruflich leitet er ein kleines Start-up-Unternehmen in Nürnberg.

Bei seinem Lieblingsverein stürzte sich Grethlein mit den Ratskollegen gleich in die Arbeit. Vier von ihnen sind ebenfalls neu dabei, insgesamt also fünf von neun, auch das Gremium musste sich in veränderter Besetzung erst finden, ausrichten. Die Bestandsaufnahme dauert an, „vieles ist sehr komplex“, sagt Grethlein, und wenn etwas auffällt, „dann hat man natürlich Fragen“. Fragen, auf die er Antworten sucht. Kurzum: „Man sollte sich nicht vom ersten Eindruck leiten lassen.“ Dafür ist der Verein wahrscheinlich auch viel zu kompliziert.

Komplimente für den Trainer

Insofern ist es vielleicht noch zu früh für eine Zwischenbilanz; zumindest, soviel kann Grethlein sagen nach über 100 Tagen im Amt, gehe es dem Club gar nicht so schlecht. „Ich sehe im Moment ein bisschen Aufbruchstimmung“, sagt Grethlein, auch wegen des Trainerwechsels; René Weilers Energie und Akribie haben es dem Aufsichtsratsvorsitzenden angetan, in jeder Hinsicht. „Er lebt den Club, das ist wirklich toll.“

Der Trainer, das sagt Grethlein aber auch, „ist eine ganz besonders wichtige Figur in dem Spiel, aber nicht die einzige“. Optimal funktionieren kann ein Betrieb wie der FCN wahrscheinlich nur, wenn sich auch alle anderen Tag für Tag bestmöglich einbringen; Grethlein spricht von durchweg engagierten, sympathischen, motivierten Menschen im Club – „wir sind aber trotzdem nicht da, wo wir sein wollen“. Die Zweite Bundesliga entspricht nicht dem eigenen Anspruch, es soll, früher oder später, unbedingt wieder die Erste werden. Wie? „Wir müssen schauen, was wir besser machen können, damit wir da wieder hinkommen. Und so etwas nicht mehr passiert.“

Grethlein meint den Abstieg – weiß aber natürlich genau, dass es einen wirtschaftlich vergleichsweise kleinen Club wie seinen jederzeit wieder erwischen kann. Dass es keine Garantie gibt für ewige Erstklassigkeit. Trotzdem gilt es, die interne Fehlerquote zu minimieren, das gilt natürlich auch für den im Herbst erheblich in die Kritik geratenen Sportvorstand.

Martin Bader bescheinigt er ebenfalls eine hohe Identifikation mit dem 1. FC Nürnberg, „er lebt den Club, er denkt Tag und Nacht an den Club“, sagt Grethlein, „aber er ist wohl an zu vielen Fronten gefordert.“ Sprich: Bader, der offiziell zuständig ist für „Sport und Öffentlichkeitsarbeit“, hat möglicherweise zu viel um die Ohren. Der Aufsichtsrat prüft derzeit, wie die Belastung auf mehrere Schultern verteilt werden könnte. Von der Installierung eines dritten Vorstands, der laut Satzung möglich wäre, hält Grethlein derzeit nicht viel, stattdessen plädiert er für moderne Strukturen. „Die Verantwortlichkeiten in einer Organisation müssen klar definiert sein“, sagt Grethlein, das gilt auch für den Sportvorstand, der nicht zur Disposition steht, warum sollte er auch. In mittlerweile über elf Jahren im Club hat Bader auch nach Ansicht Grethleins definitiv viel mehr richtig als falsch gemacht, bei der künftigen Personalauswahl sollten dennoch weitere Meinungen mit einfließen.

Jeder Transfer-Flop kostet schließlich auch einen Haufen Geld. Geld, das knapp geworden ist in den vergangenen Monaten. „Wir können keine großen Sprünge machen, aber das wussten wir schon vor der Saison“, sagt Grethlein – der Gerüchten widerspricht, wonach der Club im Januar 2015 so klamm sei wie seit vielen Jahren nicht mehr. Die Finanzen, betont Grethlein, würden „nicht aus dem Ruder“ laufen, alles sei sorgfältig durchgeplant. „Ein Verein, der absteigt, schwimmt nicht im Geld, es liegt aber auch nichts im Argen.“

Etwa 20 Millionen haben sie seit dem 1. Juli weniger zur Verfügung. Spätestens in der nächsten Saison sollte der Weg deshalb wieder in die Bundesliga führen, ansonsten, sagt Grethlein, würden schmerzhafte Einschnitte drohen. So weit möchte er aber gar nicht in die Zukunft schauen, viel wichtiger ist die Gegenwart. In der es gilt, Weichen zu stellen. Wenn es sein muss, sogar in Belek.

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