NN-Talk mit Hans Meyer: Schöner als Heiraten

1.2.2017, 11:38 Uhr
NN-Talk mit Hans Meyer: Schöner als Heiraten

© Fotos: Edgar Pfrogner

Ganz am Ende dieses Abends geht es im Wirtshaus Gutmann am Nürnberger Dutzendteich auch noch um die Liebe – oder eben das, was manche dafür hält. Knapp eineinhalb Stunden haben Hans Böller und Hans Meyer gerade noch das getan, was in der Kneipe eigentlich alle und fast jeden Tag tun: Bier getrunken und über Fußball gesprochen.

Gut, weil diesmal ein paar Hundert Menschen zuhören im offiziellen Rahmen des NN-Talks, haben sie das Bier Bier sein lassen und sich eine Flasche Wasser geteilt, der Sportchef der Nürnberger Nachrichten und der ewige Trainerliebling der Fans des 1. FC Nürnberg.

Jetzt darf das Publikum noch Fragen stellen. Als Letzter will einer wissen, was denn Meyer eigentlich davon hält. Davon, dass der Fragesteller kürzlich seine Frau nach deren schönstem Tag des Lebens gefragt hat und die nicht mit "Hochzeitstag" geantwortet hat, sondern mit dem 26. Mai 2007 – was ist schon eine profane Hochzeit gegen ein Tor von Jan Kristiansen in der 19. Minute der Verlängerung, das Hans Meyer und den Club in Berlin zum Pokalsieger machte? Meyer sieht das ähnlich, er zeigt wenig Mitleid mit dem Fragesteller, der aber auch recht zufrieden wirkt mit seiner Frau: "Da kann ich Ihre Frau aber richtig verstehen", sagt Meyer. Der Saal lacht und man geht glücklich nach Hause.

Hinter sich hat man da einen kurzweiligen Abend, der unter dem Titel "Der harte Hans – Mensch Meyer" stand. Der harte Hans aber ist nicht gekommen, diesen Part trug der Trainer kurzerhand seinem Namensvetter Böller auf der Bühne an; der Mensch Hans Meyer – seine Rolle an diesem Abend – darf erzählen. Von seiner Jugend in der Deutschen Demokratischen Republik, seinem Sport- und Geschichtsstudium an der Schiller-Universität in Jena, von seinen fußballerischen Fähigkeiten, die ihn zwar bis in die Oberliga und in die Mannschaft des damals großen FC Carl-Zeiss aus Jena brachten, die es ihm aber dann doch sinnvoller erschienen ließen, mit 28 Jahren das Angebot anzunehmen, Nachfolger des großen Georg Buschner zu werden – als Trainer des FCCZ. Wie er zu dieser Aufgabe kam? Entweder, sagt Meyer, wollte ihn der zur Nationalelf abgeordnete Buschner scheitern sehen, oder aber er hatte wirklich Vertrauen in die Fähigkeiten seines jungen Nachfolgers.

Der liebe Gott hilft

Weil Meyer nie durch mangelndes Selbstvertrauen auffällig geworden ist, entscheidet er sich natürlich für die nettere Sichtweise, hat Erfolg und lässt sich auch nicht verunsichern, als nach der Wiedervereinigung plötzlich kein Platz mehr zu sein scheint für die ostdeutschen Trainer im gesamtdeutschen Profifußball.

"Nicht länger als zwei, drei Wochen habe ich damit gerechnet, dass ich in einem richtig guten Klub unterkomme", sagt Meyer. Während die Spieler aus der DDR damals begehrt waren bei den Bundesligaklubs, konnte sich für die Trainer niemand begeistern, auch nicht für Meyer, der mit Jena mehr als 80 Europapokalspiele – darunter ein Finale – hinter sich hatte. Meyer trainiert also nach der Wende Union Berlin in der dritten Liga, wird auf Platz eins stehend entlassen und dann dank Harry Decheiver doch noch zu einer großen gesamtdeutschen Fußball-Persönlichkeit.

Eine Rolle, die außer ihm so keiner spielen durfte, in einem Land, in dem die meisten Ost-Trainer auch Ost-Trainer blieben, egal, wie erfolgreich sie vorher waren. Decheiver, der Knipser, wechselt damals zum SC Freiburg. Sein Manager erinnert sich in den Gesprächen mit Freiburgs Trainermanager Volker Finke an Meyer, gegen dessen FC Carl-Zeiss er in den 80er Jahren einmal chancenlos in einer Sommerrunde spielen musste. Was denn dieser Meyer so macht, wird Finke also gefragt. Ist entlassen worden, sagt Finke – kurz darauf hat Hans Meyer eine neue Aufgabe: Er übernimmt Twente Enschede, den Tabellenletzten der Eredivisie.

Der Rest ist Geschichte: Ein paar Jahre später vermittelt ihn Berti Vogts nach Mönchengladbach, es folgen Hertha BSC in Berlin und die zwei wunderbaren Jahre beim 1. FC Nürnberg. "Vier-, fünfmal in meinem Leben", sagt Meyer, "habe ich richtig Glück gehabt, da hat mir als Atheist der liebe Gott geholfen."

Meyer hatte Erfolg auf all seinen Stationen, entlassen wurde er dann doch manchmal. Oft hatte er Verständnis für die Entscheidung der Vereinsverantwortlichen – in Nürnberg nicht. Dem Club ist er immer noch ein wenig böse wegen dieser Entlassung im Frühjahr 2008, den Klassenverbleib hätte er sich und der Mannschaft noch zugetraut – alleine ist er gar nicht mit dieser Sichtweise, er hat immer noch viele Fans in der Stadt. Manchmal trifft er die, Meyer lebt ja in Nürnberg, und dann schwärmt man gemeinsam vom schönen Fußball, den der Meyer-Club damals so lange spielte.

NN-Talk mit Hans Meyer: Schöner als Heiraten

Klug sein und ab zum Traualtar

Schön ist der Fußball beim Club inzwischen nur noch an ausgewählten Tagen – und dann auch nur für Zweitligaverhältnisse. Wie sich daran etwas ändern könnte? Meyer jedenfalls mag nicht mehr helfen. Über einen wie Dietrich Mateschitz aber, der mit seinen Red-Bull-Millionen in Leipzig einen Bundesligisten herangezüchtet hat, würde man sich beim Club doch freuen, glaubt Meyer. Falls aber keiner kommt wie Mateschitz, dann muss man eben Geduld haben, sagt Meyer, auf die Jugend setzen und nicht aus der Vergangenheit gegenwärtige Größe ableiten. Das aber, sagt Meyer auch noch, kann dauern, sehr lange. Wer klug ist, nutzt die Zeit und heiratet.

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