Wilde Zahlenspiele: Dauerbrenner Behrens und einmal Rot

19.5.2018, 05:59 Uhr
Hanno Behrens stand in allen 34 Spielen für den 1. FC Nürnberg auf dem Platz.

© Sportfoto Zink/DaMa Hanno Behrens stand in allen 34 Spielen für den 1. FC Nürnberg auf dem Platz.

1 Depp ist der Club – natürlich nicht, nie gewesen, üble Nachrede. Die Aufsteiger haben alles wieder einmal großartig widerlegt, und es gibt ja eine viel schönere, ältere Wendung, das Zitat kommt von Heiner Stuhlfauth, dem Jahrhundert-Torwart der Goldenen Zwanziger, und lautet: "Es ist eine Ehre, für diese Stadt, diesen Verein und die Bewohner Nürnbergs zu spielen. Möge all dies immer bewahrt werden und der großartige FC Nürnberg niemals untergehen." Sie haben es vorgelebt, alle. Von Horst Leupold, dem großen Meisterverteidiger von 1968, stammt aktuell dieser schöne Satz: "Der Club war noch nie ein Depp, allenfalls waren das ein paar verantwortliche Personen". Die derzeitigen Amtsinhaber nahm Horst Leupold ausdrücklich aus.


34 Ligaspiele, alle, machte Kapitän Hanno Behrens mit – und fehlte dabei nicht für eine einzige Minute, das ist natürlich ein Liga-Rekord. Unter den Feldspielern kommt lediglich noch Marvin Matip vom FC Ingolstadt auf ebenfalls 3060 Spielminuten, ferner waren vier Torhüter rund um die Uhr im Einsatz: Robin Himmelmann (FC St. Pauli), Martin Männel (Erzgebirge Aue), Stefan Ortega (Arminia Bielefeld) und Marcel Schuhen (SV Sandhausen). Mit 33 Einsätzen im Vorjahr und 31 in der Relegationssaison 2015/16 hatte Behrens bereits Nürnberger Hausrekorde aufgestellt. Verteidiger Enrico Valentini kommt auf 33 Einsätze, davon 32 über 90 Minuten (nur im verlorenen Heim-Derby gegen Fürth fehlte er gesperrt). Tim Leibold und Eduard Löwen waren je 32 Mal dabei, für den in den Vorjahren von Verletzungspech geplagten Leibold ist es ein persönlicher Rekord. Auf 31 Einsätze kommt Kevin Möhwald, 28 Spiele bestritt Ewerton.


11 Assists, früher sagte man: Torvorlagen, das ist die erstaunliche Ausbeute von Enrico Valentini, der als rechter Verteidiger mitstürmte wie vor 50 Jahren der rechte Meisterverteidiger Horst Leupold. Der gebürtige Nürnberger mit italienischem Blut, als Jugendlicher ausgebildet im Club und heimgeholt aus Karlsruhe, erwies sich – wie einst der große Maestro Andrea Pirlo – auch als Meister des ruhenden Balles, Valentinis Eckbälle versetzten jeden Gegner in Panik. Die elf Assists bescherten Valentini tatsächlich einen höchst respektaben Platz 30 unter den Top-Scorern der Liga (und teamintern Rang drei in dieser Wertung). Was besonders verblüffend ist: Selbst ins Tor getroffen hatte der grandiose Zuarbeiter Enrico Valentini nicht.


518.875 Zuschauer kamen zu den 17 Heimspielen in ein Stadion, das seit dieser Erfolgssaison Max-Morlock-Stadion heißt – offenbar war es ein gutes Omen, und im vierten (und vorerst letzten) Zweitliga-Jahr ging damit der zuvor sieben Jahre lang rückläufige Publikumszuspruch endlich wieder einmal (um durchschnittlich knapp 2000 Zuschauer) nach oben. 30.522 Interessierte im Schnitt bedeuteten jetzt einen Liga-Rekord vor St. Pauli (29.139), Fortuna Düsseldorf (28.913) und Dynamo Dresden (28.003), sind aber immer noch weniger als in den ersten beiden Zweitliga-Jahren nach dem Abstieg 2014. In den vorangegangenen fünf Bundesligajahren kamen immer über 40.000 Zuschauer im Schnitt ins (damals noch) Frankenstadion. Die historische Bestmarke (43.691) erreichte der Club 2007/08 nach dem DFB-Pokalsieg, den Aufstieg 2003/04 wollten im Schnitt nur 16.359 Fans sehen (im drittklassigen Regionalliga-Jahr 1996/97 waren es mit 15.334 nicht viel weniger).


20 Scorer-Punkte: Das ist die Bilanz von Mittelstürmer Mikael Ishak, der bis zu seiner sechswöchigen Zwangspause auch der beste Zweitliga-Torjäger war. Am Ende waren es zwölf Treffer und acht Vorlagen für den Teamarbeiter, das bedeutet Platz fünf in der Liga hinter Torschützenkönig Marvin Ducksch (Kiel, 29), Sonny Kittel (Ingolstadt, 25), Dominick Drexler (Kiel, 23) und Heidenheims Phänomen Marc Schnatterer (22), zweitbester Nürnberger ist Hanno Behrens (18 Scorerpunkte). Was Zahlen nicht aussagen: Ishaks Comeback beendete eine Serie von fünf Nürnberger Spielen ohne Sieg (bei nur zwei Torerfolgen), beim 3:2 über Heidenheim, dem letzten Wendepunkt der Saison, bereitete der Schwede mit syrisch-aramäischen Wurzeln zwei Treffer vor und beflügelte die ganze Mannschaft. Dabei wurde Mikael Ishak, im Januar 2017 vom Randers FC aus Dänemark geholt, schon als Fehleinkauf abgestempelt – von, ähem, nunja: von Deppen halt. Jetzt darf Ishak in den Urlaub – die WM-Teilnahme mit Schweden bleibt für ihn ein Traum. Bis 2022?


14 Tore erzielte Hanno Behrens und war damit der treffsicherste Nürnberger Aufsteiger – und Nachfolger von Guido Burgstaller als Nürnberger Schützenkönig. Der Österreicher kam in der Vorsaison ebenfalls auf 14 Treffer, die er allesamt in der Hinrunde schoss, ehe Burgstaller zu Schalke 04 wechselte. Der Club scheint abonniert auf diese Zahl, Schützenkönig im Spieljahr 2015/16 war Niclas Füllkrug, Treffer: 14. Die weiteren Tore zum Aufstieg erzielten Mikael Ishak (12), Kevin Möhwald (7), Cedric Teuchert (6), Eduard Löwen (5), Tim Leibold, Georg Margreitter (je 4), Tobias Werner (2), Patrick Erras, Ewerton, Ondrej Petrak, Edgar Salli, Marvin Stefaniak und Adam Zrelak (je 1). Macht insgesamt 61 Treffer, nur Kiel erzielte mehr (71).


405 Kilometer. Und nochmal Hanno Behrens, das ist die Saison-Laufleistung des Kapitäns – der in einem Spieljahr auch noch knapp zehn Marathons absolvierte. Damit hätte es Hanno Behrens zu Fuß von Nürnberg sogar fast bis nach Hause geschafft, Elmshorn im Landkreis Pinneberg, die Heimatstadt von Behrens, liegt Luftlinie 488,4 Kilometer vom Nürnberger Max-Morlock-Stadion entfernt. In der Liga lief keiner weiter, auf den Plätzen folgen Manuel Prietl (Bielefeld, 392 Kilometer), Khaled Narey (Fürth, 391) und Florian Harthertz (Bielefeld, 387).


2 Elfmeter bekam der 1.FC Nürnberg nur zugesprochen, weniger erhielten nur die Nachbarn aus Fürth und Eintracht Braunschweig (jeweils einen). Hanno Behrens traf zum 1:0 beim 3:1 über Duisburg am 23. Spieltag, Mikael Ishak traf auch – aber erst im Nachschuss zum 3:1 gegen Bochum am 7. Spieltag. Elf Elfmeter durfte Holstein Kiel schießen (acht Tore), neun bekam der MSV Duisburg (und nutzte sieben). Gleich sieben Elfmeter gab es gegen Nürnberg, sechs waren drin, beim 2:0 in Düsseldorf am 17. Spieltag hielt Fabian Bredlow den Strafstoß von Emir Kujovic.


1 Platzverweis steht in der Nürnberger Saisonbilanz: die Rote Karte für Edgar Salli beim 1:0-Sieg über den FC Union am 20. Spieltag in Berlin. Die Gelb-Rote Karte sah kein Nürnberger, 55 Mal blieb es bei Gelb – womit der 1.FC Nürnberg der Anstands-Meister der Liga ist, in der Fairplay-Tabelle liegt der Club vor Union Berlin, St. Pauli, Düsseldorf und Arminia Bielefeld, Letzter ist auch in dieser Wertung der Tabellenletzte 1.FC Kaiserslautern. Fair geht’s besser: Im Vorjahr war Nürnberg nur auf Platz 13 notiert (eine Rote Karte, zwei Gelb-Rote, 82 Gelbe).


64 Prozent ihrer Zweikämpfe gewannen Georg Margreitter und Ewerton José Almeida Santos, das Nürnberger Innenverteidiger-Duo ist damit das beste der Liga. Der eine stammt aus Schruns im Vorarlberg, der andere aus Penedo im nordöstlichen brasilianischen Bundesstaat Alagoas. Ein brasilianischer Österreicher und ein österreichischer Brasilianer, das Beste aus allen Kulturen, es harmoniert perfekt. Mit 39 Gegentoren stellte der Club die zweitbeste Defensive der Liga – lustigerweise nach dem Tabellenzwölften SV Sandhausen, der bloß 33 Treffer zuließ.


27 Profis setzte der 1.FC Nürnberg insgesamt ein, lediglich drei Spieler aus dem im Winter um Cedric Teuchert (zu Schalke 04), Patrick Kammerbauer (zum SC Freiburg) und Rurik Gislason (zum SV Sandhausen) verkleinerten Kader konnten auf dem Platz nichts zum Aufstieg beitragen. Verteidiger-Talent Dennis Lippert ist nach seinem im März 2017 erlittenen Kreuzbandriss noch in der Reha. Enis Alushi, 2016 vom FC St. Pauli gekommen, spielte einmal in der Regionalliga-Mannschaft, der vor einem Jahr vom SCR Altach geholte Österreicher Lukas Jäger spielte dort sechsmal mit – und war immerhin im ersten DFB-Pokalspiel beim MSV Duisburg (2:1) für 22 Minuten bei den Profis dabei.


999.999 statistische Perlen ließen sich ohne weiteres noch finden nach so einem prallen Fußballjahr, zum Beispiel die Anzahl von zwischen der 45. und 60. Minute erzielten Kopfballtore nach Eckbällen von links, die ein im Sternzeichen der Jungfrau geborener Spieler ausführte. Ein nach solchen Spieljahren eminent wichtiges statistisches Detail findet sich allerdings in keiner der vielen offiziellen Datenbänke, Mittelfeldspieler Kevin Möhwald hat es exklusiv verraten: Im Biertrinken beim Feiern liegen Hanno Behrens, Tim Leibold und Federico Palacios Martinez ganz vorn. Unglaublich, dieser Hanno Behrens – kann einfach alles.


15 der 18 Zweitliga-Trainer nannten vor der Saison den Bundesliga-Absteiger FC Ingolstadt als Aufstiegs-Topfavoriten. Als heiße Kandidaten gehandelt wurden Ingolstadts Mit-Absteiger Darmstadt 98, der FC Union Berlin (je zehn Nennungen) sowie der Vorjahres-Dritte Eintracht Braunschweig (neun Nennungen). Auf drei Stimmen kam der FC St. Pauli, ein Experte nannte das Fürther Kleeblatt. Keines der genannten Teams kam unter die ersten Sieben, Braunschweig stieg ab. Auf keiner Rechnung tauchten auf: Düsseldorf und Nürnberg, die Aufsteiger. Dass gleich neun Übungsleiter gefeuert wurden, hat aber bestimmt nichts mit ihren Qualitäten als Orakel zu tun. Die beste Prognose kam von Duisburgs Ilja Gruev und lautete: "Lottospielen wäre erfolgversprechender."


101 Auswechslungen (von 102 möglichen) nahm Trainer Michael Köllner, geboren in Fuchsmühl in der Oberpfalz, in 34 Ligaspielen vor. Die schönste sah man im ansonsten nicht so schönen Heimspiel gegen die Nachbarn aus Fürth am 3. März. Köllner brachte für Fuchs Mühl, also für Alexander Fuchs den tüchtigen Lukas Mühl – Fuchsmühl, ein kleines statistisches Denkmal für die idyllische Marktgemeinde im Landkreis Tirschenreuth.


369 Bundesligaspiele versammeln sich in der Nürnberger Aufstiegsmannschaft, lediglich acht Spieler haben schon in Deutschlands höchstem Ballhaus gekickt – interessanterweise sind es überwiegend Profis, die zum Aufstieg eher als Ergänzungsspieler beitrugen. Auf 161 Bundesligaspiele (für den HSV und den 1.FC Köln) kommt Ex-Kapitän Miso Brecko, auf 127 (für Augsburg und den VfB Stuttgart) Tobias Werner, beide liegen damit weit voraus. Bundesliga-Erfahrung gesammelt haben ansonsten nur noch Sebastian Kerk (29 Spiele für Freiburg), Ulisses Garcia (19 für Werder Bremen), Ondrej Petrak (elf für Nürnberg im Abstiegsjahr 2013/14), Mikael Ishak (elf für Köln), Thorsten Kirschbaum (neun für den VfB Stuttgart) und Federico Palacios Martinez (zwei für Leipzig). Nürnbergs Bundesliga-Rekordspieler bekommen vorerst keine Konkurrenz, sie heißen: Tom Brunner (328 Spiele), Andreas Köpke (280), Raphael Schäfer (250), Javier Pinola (203) und Dieter Eckstein (189).


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