Vom Schweinebraten zum Toast Hawaii

6.10.2016, 21:00 Uhr
Im "Bayerischen Kochbuch" finden sich natürlich auch Klassiker wie etwa Schäufele mit Kloß. Archivfoto: Beke Maisch

© Beke Maisch Im "Bayerischen Kochbuch" finden sich natürlich auch Klassiker wie etwa Schäufele mit Kloß. Archivfoto: Beke Maisch

Neben dem Telefonbuch dürfte es das Buch sein, das die meisten süddeutschen Haushalte ihr Eigen nennen. Bereits 1910 kam an der Miesbacher „Wirtschaftlichen Frauenschule“ das erste Kochbuch zustande, zu dem ungenannte Köchinnen ihre Rezepte beitrugen. Doch die eigentliche Regie über Jahrzehnte hinweg übernahm die Miesbacher Hauswirtschaftslehrerin Maria Hofmann, die sich 1931 daran machte, das Kochbuch zu revidieren und zu erweitern.

Jetzt erst kam der Titel „Bayerisches Kochbuch“ zustande. Was das Kochbuch auszeichnet, ist die Vielfalt. Seine Bandbreite reicht von einfachsten Mahlzeiten, die sich blutige Anfänger und verlassene Ehemänner zubereiten können, über bodenständige Küche bis zu feineren und auch exotischen Menüs. Denn das Kochbuch macht nicht an den Landesgrenzen halt, es nahm bereits 1931 Spaghetti und Porridge auf, 1971 kamen Pizza und Toast Hawaii hinzu.

Aber von Anfang an waren auch Schonkost und Diät für Kranke und Rekonvaleszente dabei. Hinzu tritt eine sorgfältige Anleitung bei jedem Rezept. Natürlich machte das Werk im Verlauf der 56 Auflagen einige zeit- und modebedingte Mutationen durch. Erst in den 50er Jahren kamen appetitanregende Fotos hinzu. Auch das Mittagessen auf dem Einband wandelte sich: Der Schweinsbraten mit Kloß, Kraut und Bierhumpen nahm Abschied vom triefenden Fett und wurde zusehends magerer.

Wie Expertin Regina Frisch zeigte, wandelte sich auch die Sprache: Bereits im Ersten Weltkrieg wurden französische Fremdwörter getilgt, das Gelee verwandelte sich zur Sülze, das Apfelsoufflee zur „aufgezogenen Apfelspeise“, die Sauce zur Soße. Dafür änderten sich ab 1933 die „zusammengekochten Gerichte“, die doch wirklich deutsch genug klingen, zu „Eintopfgerichte“, schließlich propagierten die Nazis den Eintopf als volksverbindendes Mittagessen.

Die letzte Sprachmutation fand 1998 statt: Anstelle von „Türkenblut“, einer Bowle aus rotem Sekt, kredenzte die Hausfrau nun „Tulpenblut“. „Wahrscheinlich wählte man den Namen, damit das Rezept im Register auf derselben Position stehenbleibt“, mutmaßt Frisch. Und was hat sich im Lauf der Jahre verabschiedet? Zuletzt fielen all die Hirnsuppen und Hirngerichte weg. „Bei der letzten Bearbeitung war der BSE-Skandal ein Thema“, berichtet Frisch, „da kann man ja nicht bei jedem Hirnrezept hinschreiben ,Vorsicht, gesundheitsgefährdend‘“.

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