Wertvolles Zeugnis der verpönten Moderne

1.9.2011, 07:59 Uhr
Wertvolles Zeugnis der verpönten Moderne

© Eduard Weigert

„Sowohl der Bahnhof Zollhaus, als auch die Brücke Klenzestraße lassen sich eindeutig als Denkmal definieren und stehen in direktem Zusammenhang zum Reichsparteitagsgelände. Die Erhaltung beider Objekte liegt im Interesse der Allgemeinheit“, erklärt Beate Zarges, Pressesprecherin der Münchner Behörde, auf Anfrage des Stadtanzeigers.

Dies wird wie folgt begründet: Im Zuge der Bautätigkeiten für das Reichsparteitagsgelände erbaute man nach Entwurf der Reichsbahndirektion Nürnberg 1937 den Haltepunkt Nürnberg-Zollhaus. Zeitgleich wurde die im Westen über die Gleisanlagen verlaufende Stahlbeton-Trägerrostbrücke errichtet. Der Bahnhof liegt an der Bahnstrecke Rangierbahnhof-Fischbach etwa zwei Kilometer vom Reichsparteitagsgelände entfernt.

Leitung der Massen

Über vier Bahnhöfe brachte die Bahn die Anreisenden auf das Gelände der zwischen 1933 und 1937 stattfindenden Parteitage der Nationalsozialisten. Den Bahnhof Zollhaus errichtete man als Entlastungsbahnhof. Der Bahnhof spielte eine bedeutende Rolle für die gezielte Leitung der Menschenmassen im Zusammenhang mit den Reichsparteitagen. Die Bahn diente als wichtiges öffentliches Verkehrsmittel für die Massenmobilisierung im Dritten Reich.

Das Gebäude ist somit funktional dem Reichsparteitagsgelände zugehörig und besitzt daher eine geschichtliche Bedeutung. Trotz der veränderten städtebaulichen Anbindung und der Aufgabe des Haltepunktes, kann man die ehemals wichtige Bedeutung des Bahnhofs Zollhaus und der anschließenden Verkehrsbrücke für die Reichsparteitage bis heute gut nachvollziehen.

Auch künstlerisch und architektonisch ist das Bahnhofsgebäude bedeutsam. Es ist in den vom Nationalsozialismus offiziell abgelehnten Formen der Neuen Sachlichkeit ausgeführt und zeigt deutlich, dass es sich hierbei um einen reinen Zweckbau handelt. Diesen Eindruck verstärkt die streng gerasterte Fassade, bei der die Fenster ohne Verzierung in die glatte Fassade eingeschnitten sind.

Im Inneren sind die bauzeitliche Ausstattung und Oberflächen noch in hohem Maße erhalten. Einige originale Türblätter und der historische Fensterbestand sind noch überliefert. In einer Wandmalerei in Heimatstil-Formen wird an die kurze Bauzeit von nur 90 Tagen erinnert und der Arbeitsprozess glorifiziert. Im Gemälde ist die Erbauungszeit vom 20. April bis 28. Juli 1937 bezeichnet.

Der Bahnhof zeigt somit eine Formsprache, die stark an der Internationalen Moderne dieser Zeit orientiert ist. Diese Ausformung steht im Gegensatz zur Architektur des Heimatstils und der neoklassizistischen Herrschaftsarchitektur, welche die NS-Machthaber propagierten. Trotz der generellen Ablehnung der Moderne, war vor allem bei industriellen, technischen Bauvorhaben durchaus eine moderne Formensprache möglich.

Das Fresko in Heimatstilformen mit dem die Arbeit glorifizierenden Text bildet einen systemkonformen Gegenpol zu der modernen Architektursprache des Gebäudes. Der spannungsvolle Dualismus, welcher zwischen den künstlerischen Strömungen einer offiziell verpönten Moderne und des vom Regime geforderten Formen des Heimatstils herrschte, ist am Bahnhof Zollhaus bis heute anschaulich ablesbar.

Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege habe den Bahnhof Zollhaus und die Brücke Klenzestraße auf Anregung der Unteren Denkmalschutzbehörde der Stadt Nürnberg am 29.April und am 5.Juli 2010 besichtigt. Die Stadt Nürnberg habe bei der Überprüfung der Denkmaleigenschaft eine wichtige Rolle gespielt. Seitens der Stadt sei die Arbeitsgruppe „Reichsparteitagsgelände“ dazu befragt worden, die die Unterschutzstellung des Bahnhofs Zollhaus einschließlich Brücke als „Teil der Sachgesamtheit Reichsparteitagsgelände“ ausdrücklich befürwortet habe.

 

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