Wie malt man Angst?

18.4.2012, 16:59 Uhr
Wie malt man Angst?

© Tschapka

Über 30.000 Euro kommen nach der Rother Auto- und Zweiradschau über den Rotary Club und die Unternehmerfabrik jedes Jahr bedürftigen Menschen und gemeinnützigen Einrichtungen vor Ort und in aller Welt zugute. Neben etlichen Spenden im dreistelligen Bereich fördern die Rotarier dabei stets ein Hauptprojekt. Im vergangenen Jahr war dies die Frühstücksbetreuung der Förderschule. Heuer ist es ein Sozialkompetenztraining für die Dritt- und Viertklässler an drei Schulen im Landkreis Roth und der Stadt Schwabach.

Gewalt an Schulen – nur ein Großstadt-Problem? Beileibe nicht. Denn Gewalt fängt schon viel früher als beim Raufen und Prügeln an. Zum Beispiel wenn Kinder von der Gruppe ausgegrenzt werden und nicht mitmachen dürfen; wenn sie gehänselt und schlechtgemacht werden; oder wenn sie Ängste haben und niemanden, mit dem sie darüber reden können.

Da sind oft auch die Lehrer überfordert, die zwei Dutzend und mehr Schüler gleichzeitig im Auge behalten und „ganz nebenbei“ noch den Unterrichtsstoff vermitteln sollen. Wenn Anstand und Fairness nicht von den Eltern vermittelt werden, sollen sie es richten. Das klappt nur, wenn die Kinder selbst begreifen, wie sehr es schmerzt, hilflos zu sein.

Diese Erfahrungen hat auch Stefan Wartzack gemacht. Der diesjährige Präsident des Rother Rotary Clubs hat selbst drei Kinder und nochmals drei, die seine Frau Edith mit in die Familie gebracht hat. Da geht der Alltag natürlich nicht ohne Konflikte ab, die es friedlich zu lösen gilt.

Als er nach einem Projekt für sein Präsidentenjahr suchte, stieß Wartzack zufällig auf einen Zeitungsbericht über Andrea Hörchner. Die staatlich geprüfte Erzieherin, Mediatorin, Elternberaterin und Familienpädagogin bietet bereits seit einigen Jahren Toleranz- und Sozialkompetenztrainings für Grundschüler in Nürnberg an – keine einmaligen Veranstaltungen, sondern Kurse über 13 Unterrichtsstunden mit eigenen Trainingsabenden für Lehrer und Eltern.

Damit auch drei hiesige Schulen von einem solchen Programm profitieren, stellte der Rotary Club aus dem Autoschau-Erlös des vergangenen Jahrs 10.500 Euro zur Verfügung. Die Auswahl traf anschließend das Schulamt, das sich bewusst für die jeweils größten Volksschulen in der Stadt Roth, dem Landkreis und der Stadt Schwabach entschied: die Grundschule Kupferplatte, die Dr.-Mehler-Schule in Georgensgmünd und die Schwabacher Luitpoldschule.

Aufeinander achtgeben

Den Anfang machte nun die Dr.-Mehler-Schule. „Klassen, in denen Kinder massiv ausgegrenzt werden, gibt es auch auf dem Land“, erklärte Rektorin Gabi Hufnagel und bedankte sich herzlich für das Engagement der Rotarier. Schulsozialarbeit gebe es in Georgensgmünd zwar schon in den ersten und zweiten Klassen. So früh müsse man beginnen, um „eine Basis zu schaffen“. Die Ergänzung durch Andrea Hörchner sei aber „ein echter Luxus“, den die Schule ohne fremde Hilfe nicht leisten könne.

An den vier Vormittagen mit der Nürnberger Pädagogin arbeiteten die rund 80 Drittklässler vor allem am gegenseitigen Vertrauen, am Umgang mit Angst und Wut sowie daran, „sich gegenseitig mehr zu beachten und zu erkennen, wann der andere wütend oder traurig ist“. Es galt, Gefühle anhand von Bildern zu deuten, zu malen, wie Wut oder Angst aussehen, und sich beim Rutschen und Balancieren mit verbundenen Augen ganz auf die Klassenkameraden zu verlassen.

Beim Gerangel auf der Turnmatte machten die Schüler die Erfahrung, das nicht der Stärkere gewinnt, sondern wer sich an die Regeln hält. Und sie lernten, dass Raufen durchaus erlaubt ist, solange beide Kontrahenten fair bleiben. „Die Kinder greifen jetzt ein, wenn einer die Regeln bricht“, freute sich Hörchner. Wirklich bewegend findet es die 45-Jährige, die selbst zweifache Mutter ist, wenn sie „erlebt, wie unglaublich glücklich die Kinder sind, wenn ihre Ausgrenzung endlich wahrgenommen wird“. Viele frühere Rabauken würden sich sogar entschuldigen: „Tut mir leid. Ich mach’s das nächste Mal anders.“ Da würden nicht selten Tränen der Erleichterung kullern.

Aufgefallen ist Andrea Hörchner auch, dass „es früher in der Gruppe immer ,wir wollen’ oder ,wir mögen nicht’ hieß“. Seit der Trainingswoche sprächen die Kinder mehr über ihre eigenen Gefühle. „Ein solcher Neuanfang schafft Zusammenhalt in der Klasse“, sagt die Erzieherin.

Das hat auch Lehrerin Ulrike Meyerhöfer beobachtet. Ihre Schüler würden nun „eher aufeinander zugehen“. Auch zwischen Mädchen und Jungen gebe es weniger Spannungen. Ihre Kollegin Elke Bormann genoss es nach eigenen Worten zudem, „dass ich meine Kinder einmal in Ruhe beobachten konnte“. Und das Fazit der Drittklässler nach den vier Übungstagen: „Das war affengeil!“

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