Fürth: "Gutes Geld" für konkrete Projekte in Afrika

11.12.2018, 20:10 Uhr
Fürth:

© Foto: Oikocredit Bayern

Auch in der besinnlichen Vorweihnachtszeit kommt man mit Afrika mehr in Berührung als man auf Anhieb denkt. Ein offensichtliches Beispiel sind etwa die Weihnachts- oder Christsterne, die als kleine Topfpflanzen überall angeboten werden. Ein großer Teil von ihnen wird in Afrika angebaut. Auch ein großer Teil der Schokolade in den Adventskalendern wird mit Kakaobohnen von Plantagen in Afrika produziert.

Nicht unbedingt adventstypisch, aber auch jetzt meist unverzichtbar: der morgendliche Kaffee – ebenfalls häufig in Afrika angebaut. Und auch der allgegenwärtige Begleiter Smartphone wäre ohne Rohstoffe aus Afrika überhaupt nicht denkbar. Daher rückten die internationale Genossenschaft Oikocredit und das deutschlandweite Entschuldungsbündnis erlassjahr.de das Thema Geld und Schulden mit ihrem Info-Event am Sonntag in den Mittelpunkt.

Auf den Kontinent rollt eine neue Verschuldungswelle zu

Auf Afrika rollt eine neue Überschuldungswelle zu. Obwohl um die Jahrtausendwende die hochverschuldeten Länder Afrikas entschuldet wurden, befinden sich heute "fast alle wieder in einer kritischen Situation", konstatiert Jürgen Kaiser, politischer Koordinator von erlassjahr.de. Er diagnostiziert einen vermeintlich "normalen Zyklus", bei dem sich die Spirale aus "Kreditaufnahmen, schwierigen Situationen, Schuldenstreichen und neuer Kreditaufnahme" stets nach unten dreht.

Kaiser erinnert an die Rolle vieler afrikanischer Staaten, die bis in die 1980er und 1990er Jahre als "Austragungsort des Kalten Krieges" instrumentalisiert wurden. In dieser Zeit seien gerade in autoritären Regimen große Schuldenberge zur Finanzierung der Militärbudgets angehäuft worden. Die Bevölkerung hatte davon nichts.

Konzept der "illegitimen Schulden"

Kaiser möchte daher das Konzept der "illegitimen Schulden" weiterentwickeln und anwenden. Das Konzept basiert auf drei Kriterien: Erstens entstehen anrüchige Schulden dadurch, dass Kredite nicht unter verfassungsmäßigen Umständen zustande kommen. Zweitens entsteht im Kreditnehmerland kein Nutzen für die Bevölkerung. Und drittens muss der Kreditgeber bereits im Vorfeld von beiden Umständen gewusst haben. In solchen Fällen müssten "wegen des unverantwortlichen Handels eines Despoten die Gläubiger das Geld auch bei diesem Despoten persönlich eintreiben".

Ob sich dieses Modell allerdings zum Beispiel auf Mosambik anwenden lässt, ist unklar. Auch der afrikanische Ostküstenstaat wurde um die Jahrtausendwende im Rahmen der Initiative für hochverschuldete arme Länder entschuldet, berichtet Gina Dos Reis, Direktorin der landesweiten Bürgerinitiative Grupo da Dívida aus Mosambik.

Obwohl sich die Wirtschaft in Mosambik danach gut entwickelte, häufte die Regierung am Parlament vorbei riesige neue Belastungen auf. "Wir haben heute eine Verschuldung von 130 Prozent", beklagt Dos Reis. Die Armut steige wieder, es gebe keine öffentlichen Mittel mehr für Gesundheit und Bildung. Ohne Legitimation hatte die Regierung gigantische Garantien gegenüber privaten Investoren gegeben. Daher kämpft Dos Reis mit ihrer Organisation für Erleichterungen vonseiten der Gläubiger.

Oft trägt der Westen Mitschuld an den Problemen

Der grüne Bundestagsabgeordnete Uwe Kekeritz sieht "Afrika zwar als Chancenkontinent", aber auch er ist momentan skeptisch: "Die Chancen schwinden aktuell." Überschuldung auf dem Kontinent, der flächenmäßig dreimal so groß ist wie Europa, ist für ihn oftmals "kein ökonomischer Unfall". Vielmehr seien westliche Geldgeber nicht selten die Treiber der Entwicklung. Entschuldung und neue Kredite gab es oft im Gegenzug für eine "Öffnung der Märkte und Strukturanpassungen" – also für Einsparungen im Gesundheitswesen, in Bildung und Infrastruktur. Das habe mit zu den aktuell größten Problemen beigetragen, nämlich "Hunger, Klimawandel und Kriege".

Den großen Finanzproblemen stellt Oikocredit das Konzept des "Guten Geldes" in Form von Kleinkrediten entgegen. Die Oikocredit-Genossenschaft wurde vor über 40 Jahren auf Initiative des Ökumenischen Rats der Kirchen gegründet. Heute hat sie Kredite an über 800 Projektpartner im "globalen Süden" vergeben, berichtet die gebürtige Philippinerin Ging Ledesma, die als Oikocredit-Direktorin das soziale Wirkungsmanagement verantwortet.

Das größte Engagement mit rund 200 Partnern finde im Bereich Landwirtschaft statt. Hier werden kleine Firmen und Kooperativen mit den Geldeinlagen der Genossen – private und kirchliche Anleger – finanziert. Darunter sind Kooperativen mit bis zu 3000 Kleinbauern. Dabei geht es auch um nachhaltige Anbaumethoden, fachliche Weiterbildung und vieles mehr. Ledesma: "Wir investieren nicht nur, um Gewinn zu generieren, sondern auch, um soziale und ökologische Wohlfahrt zu schaffen."

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