Grundig: Mit einem „Spielzeug“-Baukasten den Alltag bereichert

10.8.2010, 12:37 Uhr
Grundig: Mit einem „Spielzeug“-Baukasten den Alltag bereichert

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„Was bis zum Abend fertig war, ging noch am selben Tage raus“, erinnerte sich „der Alte“, wie man Max Grundig später nannte. Die Rede war vom „Heinzelmann“. Mit einem genialen Trick machte Grundig ab Oktober 1946 ein Geschäft, das eigentlich verboten war.

Radiogeräte standen nach dem Zweiten Weltkrieg auf dem „Index“ des Alliierten Kontrollrates. Schließlich war der Rundfunk wie der Film von den Nationalsozialisten als Propagandainstrument missbraucht worden. Man bekam einen Apparat nur gegen einen eigenen „Bezugsschein“.

Doch Grundig produzierte kein Radio, sondern einen Rundfunkgeräte-Baukasten, den er als „Spielzeug“ deklarierte — Spielzeuge aber waren nicht diesen Regelungen unterworfen. Die Fertigung erfolgte in Gebäuden an der Jakobinenstraße in Fürth, die Grundig vom Spielzeugfabrikanten Christian Götz mietete.

Man musste kein ausgefeilter Bastler sein, um aus den Einzelteilen des Baukastens einen Empfänger zu bauen. Das war heimliche Hilfe in der Not, weshalb der Empfänger nach den Heinzelmännchen auch den kennzeichnenden Namen „Heinzelmann“ verpasst bekam. 1948 wurden 40000 Baukästen verkauft. Der Name Grundig wurde rasch allseits bekannt, und mit dem „Heinzelmann“ legte Max Grundig den Grundstein für sein Unterhaltungselektronik-Imperium.

Der Name war Symbol für den unternehmerischen Geist, der die Grundlage des Aufschwungs in der Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg bildete. Max Grundig wurde am 7. Mai 1908 in Nürnberg-Gostenhof geboren. „Bescheiden und energisch, zielstrebig und interessiert: Das ist das Charakterbild von Max Grundig, der jeden Morgen in seinem Betrieb persönlich in allen Werkshallen und Büros erscheint“. So hieß es 1953 zum 45. Geburtstag über ihn in dieser Zeitung. 6500 Beschäftigte hatte das Unternehmen zu jener Zeit.

Ein ständiger Tüftler

Entbehrungsreich war seine Jugend. Der Vater — Lagerverwalter bei den Herkules-Werken — starb, als der Junge zwölf Jahre war. Die Mutter musste als Fabrikarbeiterin fünf Kinder durchbringen. Nach der Schule absolvierte Max 1922 eine kaufmännische Lehre, wurde Filialleiter, doch die Radiotechnik zog ihn in Bann. Tagein, tagaus tüftelte Max Grundig an elektrischen Geräten. 1930 wagte er mit einem Freund mit 3000 Mark Eigenkapital mit der Gründung der „Radio-Vertrieb Fürth, Grundig & Wurzer, Handel mit Radiogeräten“ den Sprung in die Selbstständigkeit.

Grundig: Mit einem „Spielzeug“-Baukasten den Alltag bereichert

Die Firma expandierte mit Spulen und Transformatoren. Viele Reparaturen fielen an, weil es in Nürnberg Wechsel-, in Fürth aber Gleichstrom gab. 1938 überschritt die Firma die Umsatz-Million. Während des Krieges lieferte die Firma Trafos und elektrotechnischen Teile für Funkgeräte an die Wehrmacht. Grundig wich nach Vach aus. Angeheuert waren Zwangsarbeiter aus der Ukraine.

Der Unterhaltungselektronik-Konzern hatte auf dem Höhepunkt 38500 Beschäftigte in 28 Werken. Nach der Abgabe der unternehmerischen Führung durch den „Alten“ an Philips wurde eine akute Krise überwunden, dann aber fuhr das Management aus den Niederlanden das Unternehmen an die Wand. Am 1. Juli 2003 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Der heutige Besitzer ist die türkische Beko-Gruppe.