Nähzentrum Runge hält die Tradition lebendig

14.4.2009, 00:00 Uhr
Nähzentrum Runge hält die Tradition lebendig

© Eduard Weigert

Die Katastrophe des Ersten Weltkriegs lag noch fern, im damals jungen 20. Jahrhundert herrschte weithin eine Aufbruchstimmung: Als Hermann Runge im Jahr 1909 am Hauptmarkt, gleich neben der Frauenkirche, eine Nähmaschinenhandlung eröffnete, gehörten die Haushaltsgeräte weithin zur Standardausstattung für die Hausfrau. Nicht nur in bürgerlichen Familien, sondern auch in Teilen der Arbeiterschaft: Hosen, Blusen und Jacken selbst zu schneidern, half viel Geld zu sparen, von den Flickarbeiten ganz abgesehen. Und gelegentlich bot sich wohl auch die Gelegenheit, ein paar Groschen nebenbei zu verdienen.

Neben Nähmaschinen auch Fahrräder im Sortiment

Daneben baute Runge in den frühen Jahren auch eigene Motorräder, mit denen er übrigens selbst an Rennen teilnahm. Seine Söhne Karl und Otto stiegen in seine Fußstapfen, führten das Geschäft aber getrennt weiter: einer an der Ecke Sulzbacher Straße/Rathenauplatz, der andere zunächst am Stammsitz, nach der Zerstörung durch die Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg in Gräfenberg. Dabei war auch Runge in die Kriegswirtschaft eingespannt: In einer Uniformschneiderei waren 40 Beschäftigte tätig.

Nach dem Wiederaufbau übernahm dort Georg Merkel, der bei Runge gelernt hatte, unter Beibehaltung des alten Namens das Gräfenberger Geschäft. Wie der Unternehmensgründer beschränkte auch er sich nicht auf Nähmaschinen, sondern hatte auch Fahrräder und Büromaschinen im Sortiment – bis diese von Computern verdrängt wurden. Auch hier vollzog sich mit der zweiten Generation ein Wandel: Dietger Merkel gelang die Geschäftserweiterung: Vor zehn Jahren eröffnete er eine erste Filiale in Lauf, 2003 folgte die Erlanger Niederlassung. Als sich vor knapp zwei Jahren die Gelegenheit bot, die Räume am Lorenzer Platz zu übernehmen, kehrte Merkel nach Nürnberg zurück und gab dafür den Standort Lauf wieder auf. Parallel dazu sicherte sich Runge den Alleinvertrieb für die Haushaltsnähmaschinen von Pfaff, Singer und dem schwedischen Hersteller Husqvarna für Nürnberg und Fürth.

Neuer Schwung

Und mit Jörg Merkel steht hier inzwischen bereits wieder die nächste Generation in der Verantwortung. Nach einer «gewaltigen Durststrecke« in den 80er und 90er Jahren hat unter anderem die wachsende Beliebtheit von Quilten und Patchwork der Branche neuen Schwung verliehen. «Vor allem Stickmaschinen kommen dem Wunsch nach Kreativität und individueller Gestaltung entgegen«, erläutert Jörg Merkel. «Da gibt es schon günstige Einsteigermodelle.« Als zertifizierter Schulausstatter hat das Nähzentrum zugleich rund 80 Bildungseinrichtungen in der Region zu betreuen.

So macht das Geschäft mit Nähmaschinen insgesamt rund 60 Prozent des Gesamtumsatzes aus. Meldungen über ein Insolvenzverfahren bei Pfaff hatten dabei in den vergangenen Monaten für einigen Wirbel gesorgt. Doch konnte Merkel alle besorgten Kundinnen beruhigen: Betroffen war allein die Industriemaschinen AG (Kaiserslautern); das Schwesterunternehmen, als Hersteller von Haushaltsnähmaschinen in Karlsruhe ansässig, hat den Faden nicht verloren und «läuft rund«.

Um den Traditionsnamen lebendig zu halten, hat Runge zum Firmenjubiläum aber auch erstmals wieder eine «eigene« Nähmaschine herausgebracht, die freilich alle heute üblichen Anwendungsmöglichkeiten bietet. Zum Angebot des Nähzentrums gehören daneben natürlich alle Utensilien zum Nähen und Sticken, aber auch Nähkurse und neben umfangreicher Beratung auch ein Reparaturservice im eigenen Meisterbetrieb – für alle Marken.