Neue Aussichten für Arbeitnehmer

17.5.2015, 17:26 Uhr
Neue Aussichten für Arbeitnehmer

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Arbeitgeber, die einen Mitarbeiter möglichst schnell aus dem Betrieb haben wollen, kündigen oft fristlos. Und weil sie nicht wissen, ob diese Kündigung – eventuell entwickelt sich ja ein Streit vor dem Arbeitsgericht — wirksam ist, kündigen sie hilfsweise auch gleich fristgerecht.

Oft, so weiß Thomas Müller, Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Nürnberger Kanzlei Manske & Partner, steht dann in diesen Kündigungsschreiben, dass der Arbeitnehmer, wird die fristgerechte Kündigung wirksam, von seiner Arbeitspflicht, unter Anrechnung von Urlaub, sofort freigestellt wird.

Im Einklang mit Europarecht

Das alleine reicht nun nicht mehr aus: Das Bundesarbeitsgericht, BAG, Az.: 9 AZR 455/13, hat entschieden, dass diese Freistellungserklärung im Kündigungsschreiben nicht genügt, um auch den Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub zu erfüllen. Der Grund: Urlaub ist die Zeit, in der man nicht arbeitet und trotzdem weiter sein Gehalt bekommt. Der Urlaubsanspruch besteht damit aus zweierlei: Dem Anspruch auf Freistellung und dem Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Vergütung.

„Deshalb gewährt ein Arbeitgeber durch die Freistellungserklärung in einer Kündigung nur wirksam Urlaub, wenn er dem Arbeitnehmer die Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs zahlt oder zusagt“, heißt es in der Mitteilung des BAG.

Dies stehe im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof (EuGH) zum bezahlten Mindestjahresurlaub und dessen Abgeltung bei Ende des Arbeitsverhältnisses, so Anwalt Müller. Der Jurist hält diese Rechtsprechung auch nicht für so überraschend und neu – er sieht eher eine Rückbesinnung: Noch 1979 habe das Bundesarbeitsgericht (BAG) einen Urlaubsbegriff vertreten, der Freizeit und Entgelt gleichermaßen meinte. Dies leuchtet ein: Schließlich liegt ein Urlaub im Sinn des Bundesurlaubsgesetzes ja nur vor, wenn sich ein Arbeitnehmer nicht im Betrieb, sondern in der Freizeit befindet – und diese Zeit gleichzeitig bezahlt wird. Mit einer fristlosen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist das nicht vereinbar.

Kündigung prüfen lassen

„Ein Arbeitnehmer, dem fristlos gekündigt wurde, ist arbeitslos und nicht im Urlaub“, verdeutlicht der Fachanwalt. Hier muss es folgerichtig bei noch offenen Ansprüchen immer zu einer finanziellen Urlaubsabgeltung kommen.

In dem vor dem BAG verhandelten Fall hatte ein Ladenbauer aus dem Ruhrgebiet eine fristlose Kündigung nebst sofortiger vorsorglicher Freistellung kassiert. Das Schreiben seines Chefs sah vor, dass sein noch offener Urlaubsanspruch (insgesamt 15,5 Tage) darauf angerechnet werde. Sein Chef verstand die Passage so, dass der Resturlaub mit der Freistellung abgegolten ist. Die Richter stellten sich auf die Seite des Handwerkers und schlossen sich der arbeitnehmerfreundlichen Haltung des EuGH an.

Allerdings verlor hier der Arbeitnehmer trotzdem den Prozess. Das BAG sah einen in einem Vorverfahren geschlossenen Vergleich als wirksam an. Der Vergleich hatte bereits alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis geregelt. Müllers Rat: Arbeitnehmer sollten eine Freistellungserkärung unter Anrechnung des Urlaubs auf jeden Fall prüfen lassen, damit bestehende Ansprüche nicht verloren gehen.

 

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