Pakete vor Tankstelle gelagert: So erleben Leser den Poststreik

2.7.2015, 15:40 Uhr
Pakete vor Tankstelle gelagert: So erleben Leser den Poststreik

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Einen großen Haufen Pakete und den netten Hinweis, sich gern nach dem eigenen Exemplar umzuschauen - das war, was unser Leser Stefan H. gestern vorfand, als er die kleine Tankstelle mit angeschlossenem Paketshop in Velden ansteuerte. "Da hat es mir echt den Vogel rausgehauen“, sagt er und schwankt zwischen Belustigung und Wut.

Seit fast vier Wochen ward in seiner Straße kein Brief- oder Paketbote mehr gesehen, von den einzigen zwei Beamten, die dort trotz Streik ihre Tour laufen könnten, ist einer krank und der andere im Urlaub.

Auch Tankstellenbesitzerin Karin Heiß ist aus allen Wolken gefallen, als ihr der Subunternehmer der Post gestern nicht nur rund 50 Pakete für Velden, sondern weitere 50 für den Nachbarort Neuhaus vor die Tür karrte.

"Uns reicht es"

"Der hat kaum Deutsch verstanden und wollte sie nicht wieder mitnehmen, also stand ich da“, sagt sie. Mit Hilfe spontan zupackender Mechaniker aus der Autowerkstatt habe sie dann das Sortieren angefangen und den teils per Steckbrief informierten Kunden so gut es ging beim Suchen geholfen; am Nachmittag hat die Post auf ihr Bitten dann die Pakete für den Nachbarort wieder abgeholt. "Die können bei mir ja nicht übernachten", sagt sie. Froh, dass der Irrsinn zumindest für diesen Tag vorbei ist.

Irrsinn ist das Stichwort, das auch unsere Redaktion derzeit häufig hört. Gepaart mit Äußerungen wie "Bananenrepublik", "Sauhaufen" oder "erpresserische Bande". Um nur die freundlicheren Titulierungen zu zitieren. Täglich erreichen uns zig Zuschriften und Anrufe, alle im gleichen Tenor.

"Uns reicht es", sagt etwa eine Frau aus Thon. Sie habe nicht nur Geburtstagsfeiern verpasst, weil die Einladungen nicht ankamen, auch wichtige Termine für ihr Statikerbüro seien verstrichen, weil man nichts davon wusste. „Und dann hört man immer, dass die Post angeblich 80 Prozent der Lieferungen zustellt. Das ist eine Frechheit!“

Was tun?

Tatsächlich weicht der Bonner Konzern seit Beginn des Streiks nicht von dieser Aussage ab, die streikende Gewerkschaft ver.di korrigiert sich hingegen alle paar Tage nach unten. Von nur noch 20 Prozent pünktlichen Zustellungen ist mittlerweile schon die Rede.

Das wirft Fragen auf. „Was kann ich tun?“ will etwa Reinhard Motzelt aus Eggolsheim wissen. „Geschäftspost bleibt liegen, Widerspruchsfristen können ablaufen, ohne dass ich das weiß“. So ernüchternd es ist: Leider können die Kunden nichts tun.

Die Post haftet im Fall von höherer Gewalt - als solche gilt der Streik in den AGB - nicht für finanzielle Schäden, die entstehen, weil zum Beispiel Fristen nicht eingehalten werden. Freilich können die Wartenden die Service-Hotlines anwählen, Beschwerden loswerden und x-mal am Tag ihre Sendungsverfolgung aktualisieren. Doch schneller, so der Tenor, geht’s dadurch auch nicht.

Was also unternehmen? "Abwarten und versuchen, die Nerven zu bewahren", sagt unser Leser Heinrich K., der am Morgen zwar ein Buch, nicht aber das Geschenk für den heutigen Geburtstag seiner Tochter aus dem Pakethaufen vor der Tankstelle gefischt hat. Statt des Laptops bekommt sie nun einen Gutschein und K. müht sich - trotz allen Ärgers - den rechten Blick zu bewahren.

"Ärgerlich ist das zwar. Aber man hört ja zum Beispiel auch von Blutproben von Neugeborenen, die nicht im Labor ankommen oder von dringenden Arzneimitteln, die irgendwo im Äther verschwinden. Dagegen sind unsere Sorgen zwar lästig, aber klein."

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