Streit um Giga-Factory in Bayern: Mega-Projekt in abgeholztem Moorwald?

9.4.2021, 15:38 Uhr
Erst seit dem Jahr 2019 baut die Ziegler Group selbst Holzhäuser - und schon fühlt man sich bereit dafür, 220 Millionen Euro in eine Giga-Factory zu investieren, die einmal bis zu 3000 Holz-Fertighäuser im Jahr produzieren soll.

© Ziegler Group Erst seit dem Jahr 2019 baut die Ziegler Group selbst Holzhäuser - und schon fühlt man sich bereit dafür, 220 Millionen Euro in eine Giga-Factory zu investieren, die einmal bis zu 3000 Holz-Fertighäuser im Jahr produzieren soll.

Es sind gewaltige Investitionen, die die Ziegler Group da gerade in der Oberpfalz anpackt. In der Betzenmühle im Landkreis Tirschenreuth betreibt das Unternehmen bereits das größte Sägewerk Europas. Bis zu 400 Lkw liefern hier pro Tag Rundholz an, rund 2,2 Millionen Festmeter Holz werden pro Jahr geschnitten.

Bahnhof in Wiesau gekauft

Um beim Export unabhängiger zu werden, hat die Firma vor einigen Jahren sogar den Bahnhof im nahen Wiesau gekauft und ist ins Logistikgeschäft eingestiegen. Nicht nur Schnittholz wird verschickt. Das Unternehmen exportiert inzwischen auch Medizinprodukte und importiert Fahrradteile.

Und es geht munter weiter: In Pressath (Landkreis Neustadt an der Waldnaab) baut die Ziegler Group gerade ein neues Pelletwerk. In Bärnau soll ein neues Werk für Dämmfaserplatten entstehen. "Wir erhöhen die Fertigungstiefe weiter. Damit sparen wir uns viele Zukäufe und bekommen alles aus einer Hand", erklärt Ziegler-Sprecher René Oertel.


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Das alles wurde vor allem auch unternommen, um dem Ganzen am Ende mit einer 220-Millionen-Euro-Investition die Krone aufzusetzen: Einer neuen Giga-Factory in Tirschenreuth, die künftig für etwa die Hälfte des Gesamtumsatzes sorgen soll. Dort sind nicht nur zwei Produktionslinien für Brettsperrholz geplant. Vor allem sollen dort künftig von rund 1000 Arbeitskräften bis zu 3000 Holz-Fertighäuser im Jahr gefertigt werden.

"Tafelsilber des bayerischen Naturschutzes"

Bauen mit dem nachwachsenden Rohstoff Holz gilt als ökologisch höchst sinnvoll, zumal zur Herstellung anderer Baustoffe viel Energie verbraucht und CO2 produziert wird. Trotzdem schmecken nicht jedem die Giga-Factory-Pläne der Ziegler Group.

"Hier wird das Tafelsilber des bayerischen Naturschutzes verschleudert", meint Norbert Schäffer, Vorsitzender des Landesbundes für Vogelschutz (LBV), sogar. Der LBV befürchtet für das Projekt mit einer Dimension von 35 Hektar gewaltige Eingriffe in einen wertvollen Moorwald im Süden von Tirschenreuth.

"Grundsätzlich sind Holzhäuser schon gut. Aber nicht um jeden Preis und nicht an diesem Standort. Das ist ja Realsatire, wenn ein Werk für Holzhäuser in wertvollstem Moorwald entsteht", beklagt Christoph Bauer, Leiter der LBV-Bezirksgeschäftsstelle Oberpfalz.

Musterhaussiedlung auf der Storchenwiese?

Der Wald speise das angrenzende Moorgebiet. Die Giga-Factory grabe dem Moor das Wasser ab. Zudem werde ein wichtiger Biotopverbund für die vom Aussterben bedrohte Bekassine und den stark gefährdeten Waldwasserläufer zerschnitten. Den Tirschenreuthern gehe ebenso ein wichtiges Naherholungsgebiet verloren wie den Störchen eine Feuchtwiese, auf der nun die zur Giga-Factory gehörige Musterhaussiedlung entstehen soll.

Der LBV befürchtet, dass die Giga-Factory negativen Einfluss auf dieses Moorgebiet hätte.

Der LBV befürchtet, dass die Giga-Factory negativen Einfluss auf dieses Moorgebiet hätte. © E. Möhrlein

Das alles will Tirschenreuths Bürgermeister Franz Stahl (CSU) so nicht stehenlassen. Ohnehin wundere er sich, dass der LBV sich erst jetzt meldet, nachdem der Stadtrat Ende Februar einstimmig den Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan auf den Weg gebracht hat. "Diese angebliche Feuchtwiese wird intensiv landwirtschaftlich genutzt. Stattdessen haben wir nur wenige Hundert Meter entfernt extra zehn Hektar Feuchtwiesen für den Storch ausgewiesen", betont Stahl.

Das Areal sei schon sehr lange als Gewerbe- und Industriefläche vorgesehen gewesen. Der Wald dort sei als Industriewald mit schnell wachsenden Fichten für die Hochöfen der bis in die 1990er für die Region so wichtigen Porzellanindustrie angelegt worden. Das Moor selbst werde nun nicht angetastet. Durch die Giga-Factory werde weder wertvoller Wald noch wertvolle Landschaft vernichtet.


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"Die Ansiedlung wäre ein echter Glücksgriff für unsere gebeutelte Region", meint der Bürgermeister. Die Stadt ist von 10.000 Einwohner auf etwa 8600 geschrumpft, Hunderte Arbeitsplätze sind durch den Niedergang der Porzellanindustrie verlorengegangen. "Jetzt würden hochwertige Arbeitsplätze für Bautechniker, Ingenieure, Architekten und Handwerker entstehen", sagt Stahl, der erwartet, dass auch die Einwohnerzahl der Stadt mit der Giga-Factory wieder deutlich steigen würde.

Ziegler zu Standort-Wechsel bereit

Das alles überzeugt den LBV nicht. Die Pläne, am Engelmannsteich einen Erlebnispark mit Café sowie einen Naturlehrpfad zu errichten, bezeichnet Christoph Bauer als "sehr idealisierend". "Der Flächenfraß muss aufhören. Die Ziegler Group überplant in der Oberpfalz gerade insgesamt 90 Hektar. Und immer öfter entstehen die Gewerbegebiete in den Wäldern, weil es da offenbar am wenigsten Widerstand gibt. Aber Wald ist keine kommunale Verfügungsmasse", beklagt Bauer.

Die Ziegler Group hingegen betont, dass sie sich auf die Aussage von Stadt und Gutachtern verlassen müsse, dass hier kein wertvoller Lebensraum zerstört wird. "Der Standort liegt zwischen einem Betonwerk und zwei Kaolin-Abbaustätten. Falls sich aber doch herausstellen sollte, dass hier ein Moor zerstört wird und wichtige Tierarten ausgerottet werden, würden wir uns nach einem anderen Standort umsehen", kündigt Ziegler-Sprecher René Oertel an. Allerdings sei der Grund aus anderen ökologischen Gründen sehr gut geeignet: Er liegt nur sechs Kilometer vom eigenen Sägewerk entfernt. Bei anderen Standorten wären deutlich längere Transportwege nötig.

In den Holzhausbau ist Ziegler erst im Jahr 2019 eingestiegen. Mit der Übernahme des Unternehmens "Engelhardt + Geissbauer" aus Burgbernheim (Landkreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim) hatte man sich die nötige Kompetenz eingekauft und schnell zusätzlich im Landkreis Tirschenreuth die Ziegler Haus GmbH mit inzwischen mehr als 100 Mitarbeitern aufgebaut.

Fußbodenheizung wird schon im Werk installiert

Diese soll auch künftig weiterbestehen und individuellere, teurere Holzhäuser bauen. Die Giga-Factory wird sich dagegen auf die billigeren, standardisierten Fertighäuser konzentrieren. "Momentan muss da noch viel auf der Baustelle gemacht werden. Künftig wird die Vorfertigung im Werk wesentlich ausgebaut. Elektroinstallation, die Vorinstallation für den Sanitärbereich und die Fußbodenheizung werden dann schon im Werk eingebaut", kündigt Oertel an.

Während man sich gegenwärtig noch fast komplett auf Bayern konzentriert, will man die Holz-Fertighäuser dann in ganz Deutschland verkaufen. Im Jahr 2024 könnten die ersten Holzhäuser in der neuen Giga-Factory in Tirschenreuth entstehen. Falls nicht doch noch der Naturschutz dagegen spricht.

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