Der die Wale schützt
29.04.2017, 08:00 Uhr"Wir drehen ab!", ruft Fabian Ritter vom Heck der "Oceano Cinco". Er wirft einen verächtlichen Blick auf das Glassbottom-Boot, das mit voller Kraft auf die Küste zusteuert. Dorthin, wo sich zuletzt das große schwarze Etwas durch den Blas, wie die vom Wal ausgestoßene Fontäne in der Fachsprache heißt, verraten hat.
Noch ein weiteres Schiff hat die Verfolgung des Großwals – ob Pott- oder Brydewal kann Ritter auf die Entfernung nicht mit Sicherheit sagen – aufgenommen. Maximal drei Boote gleichzeitig dürfen sich beim Whalewatching vor der spanischen Insel La Gomera Delfinen und Walen nähern. Dem Meeresbiologen Ritter sind schon zwei fast zu viel.
"Wir dürfen den Tieren nicht zu sehr auf die Pelle rücken", meint der Vorsitzende des Berliner Vereins M.E.E.R., der seine zentrale Rolle in der wissenschaftlichen Erforschung und dem daraus resultierenden Schutz der Meeressäuger vor La Gomera sieht. Das Gewässer im Südwesten ist tief, strömungsarm und nahrungsreich – Bedingungen, die wie ein Magnet auf Wale und Delfine wirken. Von 85 Arten weltweit kommen 23, hauptsächlich Große Tümmler, Indische Grindwale, Fleckendelfine, Rauhzahndelfine und Gewöhnliche Delfine hier vor. "Für Walbeobachtung und Walforschung ist La Gomera einer der besten Plätze in Europa", erzählt Ritter begeistert.
Die "Oceano Cinco" tuckert langsam aufs offene Meer hinaus. Ein Schwarm Gelbschnabel-Sturmtaucher kreist in einiger Entfernung aufgeregt über der Oberfläche. Der Grund sind Tausende kleine silbrig glänzende Fischchen, ein gefundenes Fressen auch für die Fleckendelfine, die wie aus dem Nichts plötzlich unter den Vögeln auftauchen. "Jeder denkt, dass Delfine sofort zum Boot kommen, wenn sie eins entdecken. Weit gefehlt!", erklärt Fabian Ritter. "Sie sind eher mit den für sie wichtigen Dingen beschäftigt." Jetzt zum Beispiel mit Jagen. "Geduldig sein, aufmerksam bleiben", appelliert der 49-Jährige an die Whale Watcher, die auf die Delfine starren.
Der Fleckendelfin ist Whalewatchers Liebling
Zu Recht. Kurze Zeit später kommt eine gut aufgelegte Schule Fleckendelfine direkt auf die "Oceano Cinco" zu. Sie reiten auf der Bugwelle, lassen sich zurückfallen, springen synchron in Dreierformation neben dem Boot her, tauchen mal links, mal rechts auf, zum sprichwörtlichen Greifen nah. Eines der Tiere dreht den Spieß kurzerhand um: Langsam und geschmeidig nähert es sich, dreht sich um die eigene Achse und beäugt seinerseits scheinbar aufmerksam die Bootsinsassen – Humanwatching.

Wie die Delfine und Wale mit den Booten interagieren, ist eine der verhaltensbiologischen Fragen, die der Verein M.E.E.R. stellt. Und beantwortet. Bei jeder Tour, die der in Valle Gran Rey ansässige Whalewatching-Veranstalter Oceano anbietet, werden in Kooperation mit und für M.E.E.R. wissenschaftliche Daten erhoben.
Dazu gehören auch Datum, Uhrzeit, Position, Seegang, angetroffene Arten, Gruppengröße sowie die Anwesenheit von Kälbern und Jungtieren. Von 1995 bis 2014 wurden mehr als 11 000 Sichtungen erfasst. Die Gewässer im Süden La Gomeras gehören damit zu den bestuntersuchten auf den Kanaren und in Europa.
"Wale und Delfine sind für mich die Krönung der Schöpfung im Meer", sagt Fabian Ritter, der sich für ein Schutzgebiet für die Meeressäuger vor La Gomera einsetzt. Die Daten, die sein Verein erhebt, sollen diese Forderung unterstützen. Neben der Verschmutzung des Meeres durch die im Bananenanbau verwendeten Pestizide und Düngemittel stellen insbesondere die zwischen den kanarischen Inseln verkehrenden Schnellfähren eine große Gefahr dar.
Strandungen in Folge von Kollisionen, von Schiffsschrauben verstümmelte oder gar getötete Tiere sind keine Seltenheit. Eine Reduzierung des Tempos der Hochgeschwindigkeitsfähren von derzeit 35 auf 15 Knoten, die Anwesenheit eines Beobachters an Bord, der nach Walen und Delfinen in der Fahrtlinie Ausschau hält, oder auch die Verlegung der Schiffsrouten fordert M.E.E.R.
Mit 15 Jahren, einem Alter, in dem junge Männer eigentlich andere Dinge im Kopf haben, träumte Fabian Ritter von Walen und Delfinen. 1995 leistete er mit seiner Diplomarbeit über die Cetaceen vor La Gomera Pionierarbeit. Heute ist die Faszination für die Meeressäuger Beruf. Ritter ist Berater der belgischen Regierung in der Internationalen Walfangkommission (IWC), Mitarbeiter der Whale and Dolphin Conservation (WDC) Deutschland und Mitglied der Ship-Strike-Working-Group der IWC. "Ich bin mir selbst treu geblieben", sagt Fabian Ritter. Dazu gehört eben auch, abdrehen zu können – selbst wenn man viel lieber ganz nah dran wäre.
Mehr Informationen:
Spanisches Fremdenverkehrsamt
www.spain.info/de
Wal- und Delfinschutzorganisation WDC Whale & Dolphin Conservation
whales.org
Beide haben diese Reise unterstützt.
Whale-Watching-Touren auf La Gomera bietet Oceano
www.oceano-gomera.com an.
Bei M.E.E.R. e.V. ist es möglich, einen 15-tägigen meeresbiologischen Praktikumskurs auf La Gomera zu absolvieren.
www.m-e-e-r.de
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