Hier tobte das Nachtleben

Die Luitpoldstraße: Nürnbergs sündige Meile der 50er Jahre

9.10.2014, 17:03 Uhr
Der Krieg ist vorbei, "der Mensch sucht nach Lustbarkeit", schrieb Journalist Egon Fein (verstorben 2006) in seinem Buch "Nürnberg in den 50ern". In der Luitpoldstraße "pulsierte das Nachtleben".

© Friedl Ulrich Der Krieg ist vorbei, "der Mensch sucht nach Lustbarkeit", schrieb Journalist Egon Fein (verstorben 2006) in seinem Buch "Nürnberg in den 50ern". In der Luitpoldstraße "pulsierte das Nachtleben".

Ging die Sonne unter in Nürnberg, damals, in den frühen 50er Jahren, dann schillerte und leuchtete es unver­hofft in der Stadt, die der Weltkrieg einst in ein Trümmerfeld verwandelt hatte: die Luitpoldstraße, "die Glitzer­straße, wo bunte Neonlichter sich im frischen Asphalt spiegeln", schrieb Egon Fein über das damalige Zen­trum des Nürnberger Nachtlebens.

1928 geboren, war Fein als junger Lokaljournalist in seiner Heimatstadt unterwegs, in den Wirtschaftswunder­jahren, und er erinnert sich daran spä­ter in seinem Buch "Nürnberg in den 50ern": "Abseits aller Alltagssorgen sucht der Mensch ... jetzt verstärkt nach Lustbarkeit und lockerer Kurz­weil", und er fand sie im "Sündenba­bel" – das war durchaus anerkennend gemeint – Luitpoldstraße.

Da gab es die "Königin-Bar" mit ihrem betressten Türsteher und, ein paar Treppen tiefer, das "Gärtla": "runde Tanzfläche und einschmei­chelnde Musik, zu gewissen Zeiten sogar ein echter Stehgeiger", notierte Egon Fein. Während sich in diesen Bars vornehmlich "Herren der gehobe­nen Preisklasse aus Nürnbergs Indus­trie und Handel" die Zeit vertreiben, bei Champagner und "ausgesuchten Bardamen", war das "Trocadero" im ersten Stock günstiger – sowohl zum Trinken als auch zum Anbandeln.

"Jeden Abend spielt dort ... eine ausge­wachsene Vier- bis Sechs-Mann-Band echte Live-Musik, deutschen und ame­rikanischen Sound ... die Tanzfläche ist meist stark frequentiert, und hier wird eng geschwoft“, schreibt Egon Fein. Sein Urteil: "Ein klinisch saube­rer Laden, dezent abgedunkelt und deshalb gut geeignet zum 'Aufreißen', denn Mädchen kommen auch ohne Begleitung, zu zweit oder zu dritt."

"Auf der Suche nach einem Girl"

Ein paar Häuser weiter, Richtung Sterngasse, vergnügen sich im "Flie­genden Holländer" vor allem GIs. Fein: "Die Mädchen sind zahlreich, willig und in der Mehrzahl billig, die Musik ist heiß bis wild, live natür­lich." Die jungen amerikanischen Sol­daten seien "immer auf der Suche nach einem frischen Drink und einem nicht mehr ganz so frischen Girl".

Zwei Ecken weiter, in der heutzutage wieder sehr beliebten Klaragasse, resi­diert die noble Bar "Rigoletto" - "klein, aber fein und teuer" -, schräg gegenüber die "Wacht am Rhein": "eine Art Wohnzimmer für Kellner, Barfrauen, Tänzerinnen, Musiker, Journalisten und ähnliche Nachteu­len." Diese wollen gerne unter sich bleiben, weshalb alle Gäste eine Gesichts-Kon­trolle bestehen müssen: "Erstmals läu­test Du, denn die Tür ist verschlossen. Dann öffnet sich ein Fensterchen in der Eingangstür, das ... Gesicht des Wirts erscheint." Nur Stammgäste erhalten Eintritt.

Nach der Polizei- und Schlussstun­de um fünf Uhr in der Früh verkürzte sich Fein "mit einigen kurzen Stehbie­ren aus der Flasche" die Zeit, bis der "Letzte Tropfen" in der Pillenreuther Straße aufmacht: "ein Lokal wie ein Ladengeschäft, hineingepfercht in einen hässlichen ... Notbau, ein echter ,Lumpensammler’. Die Sitten sind rauh". Wirtin Fanny dulde keine reni­tenten Gäste, sie schlage zu und wisse, "wo Männer empfindlich sind". Das Nachtleben wohnt nun, mehr als 60 Jahre später, an vielen Plätzen in Nürnberg. Und: Auf Gastlichkeit wird nun sehr viel mehr Wert gelegt.

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