Germanisches Nationalmuseum: "Wege in die Moderne"
26.03.2014, 15:50 Uhr
Allem Anfang wohnt ein Knarzen inne. Die Rede ist von der Erfindung des Grammophons. Damit fing die Verbreitung der Musik für die Massen um 1890 an. Musik ist neben den „Weltausstellungen“ und den „Medien“ der dritte thematische Schwerpunkt, mit dem man im GNM versucht, eine Zeit vor Augen zu führen, die als Geburtsstunde der Massenkultur gilt. Und grundsätzlich ist das Haus als „größtes kulturhistorisches Museum im deutschsprachigen Raum“ (wie es auf den neuen, rot-weiß-bedruckten Umhängetaschen heißt) kraft seiner Sammlungen tatsächlich prädestiniert für so eine Schau. Einerseits.
Andererseits wird man den Eindruck nicht los, dass die blitzblanke Großausstellung mit all ihren Musikinstrumenten, Briefmarken, Fotografien, Möbeln, ihren technischen Geräten und anderen Dokumenten über eine sehr buchhalterische Präsentation aus den hauseigenen Kollektionen kaum hinauskommt.
Kuriositäten und leichte Kost
Der Museumssaal wird hier zum Sachkunderaum. Geschichte solle aus Geschichten entstehen, die die Ausstellung erzählt, heißt es. Wobei eine augenfälligere Verzahnung mit dem politischen Zeitgeschehen, etwa mit dem Kaiserreich oder hinsichtlich des Ersten Weltkriegs, nicht schlecht gewesen wäre.
Wer die Mühen scheut, die beiden Begleitkataloge durchzuarbeiten (neben dem gut gemachten Ausstellungsbuch ist ein weiteres mit wissenschaftlichen Beiträgen einer GNM-Tagung erhältlich), dem sei eine Führung empfohlen.
Sonst wird der Besuch rasch zum Gang durch ein Trockendock; und eine Ausstellungsarchitektur, in der bunte Netze über den Durchgängen „Vernetzung“ versinnbildlichen, sprüht auch nicht gerade vor Originalität. Grundsätzlich gilt: Wer die Welt in Vitrinen steckt, braucht keinen Funkenflug zu erwarten.
Dagegen waren die Weltausstellungen, um die es im ersten Abteil geht, anders gestrickt. Prompt lockten sie in den Jahren nach 1851 ein Millionenpublikum an. Kulturen rückten zusammen. Sie präsentierten sich eifrig und im Wettbewerb. Länderpavillons verströmten Exotik, führten Pionierleistungen vor, es ging um Spezialitäten und Kuriositäten, um alchemistisch Ungeahntes – und zwischendrin um „leichte Kost“.
Denn fürs Millionenpublikum der Weltausstellungen in Metropolen wie Paris, London oder Chicago wurden Vergnügungsmeilen gebaut. Da scheute man keine Mühen (und kein Klischee), um in den USA ein Alpenpanorama oder ein japanisches Dorf nachzuzimmern, eine hessische Bäuerin zur Belustigung der Leute einzufliegen oder mit dem Angebot von „Weltausstellungs-Souveniers“ die Kassen klimpern zu lassen. Wie aber präsentiert man im GNMdas facettenreiche Ganze? Da begrüßt einen zum Beispiel ein protziges Schmuckschild aus Galvanoplastik und das Vergnügungsmeilen- Flair wird steril mittels Fotografien oder einer Bäuerinnentracht angerissen.
Mobiliar, Glaskunst und Porzellan sind zu sehen, kunsthandwerklich haben sie wohl ihren Reiz. Im Großen und Ganzen aber erfordert diese Flut an Wegweisern in die Moderne schon Liebhaberaugen oder eine Konservatorenseele, um den Spannungsbögen zu folgen. So geht es im Bereich „Medien“ weiter, vom Brief zum Telefon, von der Postkarte zum Telegramm. Inhaltlich ist das alles natürlich am richtigen Ort. Schließlich sind diese Erfindungen als Vorfahren und Urenkel von Twitter und SMS zu sehen. Doch spielerisch ist hier fast gar nichs.

Es ist nicht so, dass es keine Perlen in der Ausstellung gäbe. Ein zartes Aquarell von Johann Heinrich Füssli (1841–1825) etwa, das seine Frau in Rückenansicht zeigt, manifestiert eine Zäsur. Weil die Dame liest. Vorher lag die Informations- und LeseHoheit vor allem bei den Herren.
Überhaupt, die Informationen: Ende des 19. Jahrhunderts profitierte die Presselandschaft sehr von den Neuerungen, Informationen versenden zu können. Auch die Werbung zog ihren Nutzen aus den Finessen des Drucks. Und mit zwei- und dreidimensionalen Unterhaltungsmedien wie dem Guckkasten oder der Laterna Magica nahm die Unterhaltungsindustrie bunte Gestalt an. Doch Hand aufs Herz: Wer hat noch nie einen Guckkasten oder eine Laterna Magica gesehen? Vieles, was das GNM in der Schau auftischt, wurde bereits in anderen Zusammenhängen vor Augen geführt.
Sachlich ins Depot
Einen ähnlichen Eindruck vermittelt der dritte Schwerpunkt Musik mit seiner Vielzahl an Instrumenten, Noten und Dokumenten, die aus der hauseigenen Sammlung stammen. Auch Hörproben gibt es. Hier atmet sie noch am ehesten, die Schau. Aber sonst? Das Ausstellungsplakat „Wege in die Moderne“ zeigt vielversprechend zwei Herren am Eiffelturm: Da wollten welche hoch hinaus. Die Präsentation der „Wege in die Moderne“ führt eher hinab. Nüchtern ins riesige Depot.
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