Germanisches Nationalmuseum: "Wege in die Moderne"

26.3.2014, 15:50 Uhr
Germanisches Nationalmuseum:

© Michael Matejka

Allem Anfang wohnt ein Knar­zen inne. Die Rede ist von der Erfindung des Grammophons. Damit fing die Verbreitung der Musik für die Massen um 1890 an. Musik ist neben den „Weltausstel­lungen“ und den „Medien“ der dritte thematische Schwerpunkt, mit dem man im GNM versucht, eine Zeit vor Augen zu führen, die als Geburtsstun­de der Massenkultur gilt. Und grund­sätzlich ist das Haus als „größtes kul­turhistorisches Museum im deutsch­sprachigen Raum“ (wie es auf den neuen, rot-weiß-bedruckten Umhän­getaschen heißt) kraft seiner Samm­lungen tatsächlich prädestiniert für so eine Schau. Einerseits.

Andererseits wird man den Ein­druck nicht los, dass die blitzblanke Großausstellung mit all ihren Musik­instrumenten, Briefmarken, Fotogra­fien, Möbeln, ihren technischen Gerä­ten und anderen Dokumenten über eine sehr buchhalterische Präsenta­tion aus den hauseigenen Kollektio­nen kaum hinauskommt.

Kuriositäten und leichte Kost

Der Museumssaal wird hier zum Sachkunderaum. Geschichte solle aus Geschichten entstehen, die die Aus­stellung erzählt, heißt es. Wobei eine augenfälligere Verzahnung mit dem politischen Zeitgeschehen, etwa mit dem Kaiserreich oder hinsichtlich des Ersten Weltkriegs, nicht schlecht gewesen wäre.

Wer die Mühen scheut, die beiden Begleitkataloge durchzuarbeiten (neben dem gut gemachten Ausstel­lungsbuch ist ein weiteres mit wissen­schaftlichen Beiträgen einer GNM-Tagung erhältlich), dem sei eine Füh­rung empfohlen.

Sonst wird der Besuch rasch zum Gang durch ein Trockendock; und eine Ausstellungsarchitektur, in der bunte Netze über den Durchgängen „Vernetzung“ versinnbildlichen, sprüht auch nicht gerade vor Origina­lität. Grundsätzlich gilt: Wer die Welt in Vitrinen steckt, braucht keinen Fun­kenflug zu erwarten.

Dagegen waren die Weltausstellun­gen, um die es im ersten Abteil geht, anders gestrickt. Prompt lockten sie in den Jahren nach 1851 ein Millionen­publikum an. Kulturen rückten zu­sammen. Sie präsentierten sich eifrig und im Wettbewerb. Länderpavillons verströmten Exotik, führten Pionier­leistungen vor, es ging um Spezialitä­ten und Kuriositäten, um alchemis­tisch Ungeahntes – und zwischendrin um „leichte Kost“.

Denn fürs Millionenpublikum der Weltausstellungen in Metropolen wie Paris, London oder Chicago wurden Vergnügungsmeilen gebaut. Da scheu­te man keine Mühen (und kein Kli­schee), um in den USA ein Alpen­panorama oder ein japanisches Dorf nachzuzimmern, eine hessische Bäue­rin zur Belustigung der Leute ein­zufliegen oder mit dem Angebot von „Weltausstellungs-Souveniers“ die Kassen klimpern zu lassen. Wie aber präsentiert man im GNMdas facetten­reiche Ganze? Da begrüßt einen zum Beispiel ein protziges Schmuckschild aus Galvanoplastik und das Vergnü­gungsmeilen- Flair wird steril mittels Fotografien oder einer Bäuerinnen­tracht angerissen.

Mobiliar, Glas­kunst und Porzellan sind zu sehen, kunsthandwerklich haben sie wohl ihren Reiz. Im Großen und Ganzen aber erfordert diese Flut an Wegwei­sern in die Moderne schon Liebhaber­augen oder eine Konservatorenseele, um den Spannungsbögen zu folgen. So geht es im Bereich „Medien“ wei­ter, vom Brief zum Telefon, von der Postkarte zum Telegramm. Inhaltlich ist das alles natürlich am richtigen Ort. Schließlich sind diese Erfin­dungen als Vorfahren und Urenkel von Twitter und SMS zu sehen. Doch spielerisch ist hier fast gar nichs.

Germanisches Nationalmuseum:

© Michael Matejka

Es ist nicht so, dass es keine Perlen in der Ausstellung gäbe. Ein zartes Aquarell von Johann Heinrich Füssli (1841–1825) etwa, das seine Frau in Rückenansicht zeigt, manifestiert eine Zäsur. Weil die Dame liest. Vor­her lag die Informations- und Lese­Hoheit vor allem bei den Herren.

Überhaupt, die Informationen: Ende des 19. Jahrhunderts profitierte die Presselandschaft sehr von den Neuerungen, Informationen versen­den zu können. Auch die Werbung zog ihren Nutzen aus den Finessen des Drucks. Und mit zwei- und drei­dimensionalen Unterhaltungsmedien wie dem Guckkasten oder der Laterna Magica nahm die Unterhaltungsindus­trie bunte Gestalt an. Doch Hand aufs Herz: Wer hat noch nie einen Guck­kasten oder eine Laterna Magica ge­sehen? Vieles, was das GNM in der Schau auftischt, wurde bereits in anderen Zusammenhängen vor Augen geführt.

Sachlich ins Depot

Einen ähnlichen Eindruck vermit­telt der dritte Schwerpunkt Musik mit seiner Vielzahl an Instrumenten, Noten und Dokumenten, die aus der hauseigenen Sammlung stammen. Auch Hörproben gibt es. Hier atmet sie noch am ehesten, die Schau. Aber sonst? Das Ausstellungsplakat „Wege in die Moderne“ zeigt viel­versprechend zwei Herren am Eiffel­turm: Da wollten welche hoch hinaus. Die Präsentation der „Wege in die Moderne“ führt eher hinab. Nüchtern ins riesige Depot.

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