Interview mit André Rieu: "Ich spiele, was mir einfällt"

27.1.2014, 09:00 Uhr
Seid umschlungen, Millionen – damit könnten durchaus die zahlreichen Fans von André Rieu gemeint sein.

© Freddy Damman (dpa) Seid umschlungen, Millionen – damit könnten durchaus die zahlreichen Fans von André Rieu gemeint sein.

NZ: Herr Rieu, wie wählen Sie die Werke aus, die Sie aufführen?

André Rieu: Ganz einfach: Das mache ich natürlich mit meinem Herzen. Wenn mich ein Stück berührt, dann weiß ich, dass es mein Publikum berührt – in welcher Art und Weise auch immer. Wenn ich will, dass sie weinen, weil ich geweint habe, als ich das Stück zum ersten Mal gehört habe, dann arrangiere ich es so, dass es beim Publikum auch so rüberkommen wird.

NZ: Könnten Sie sagen, wie ein Stück musikalisch beschaffen sein muss, damit es in Ihre Show passt?

Rieu: Das ist meine Intuition. Einmal auf Tour waren wir mit Kollegen einer Fernsehproduktion nach dem Konzert in einer Bar. Mein Pianist hatte ein dickes Buch mit allerhand Stücken dabei, die haben wir einfach so durchgespielt und ich habe gesagt, ob es passt: Nein – nein – nein - ja! Und der Kerl von der Produktionsfirma hat am nächsten Tag zu mir gesagt: „Jetzt habe ich verstanden: Sie machen das einfach mit Ihrer Intuition.“

NZ: Muss die Musik „schön“ sein?

Rieu: Das kommt drauf an. Schön ist ja relativ. Der eine findet Mozart schön, der andere nicht. Wieder andere empfinden Wagners „Ring“ kurzweiliger und schöner als eine Operette von Offenbach. Wir spielen Musik, die ich als berührend empfinde, die mich anspricht. Und die ist meistens schön, ja.

NZ: Und man kann bei Ihnen häufig mitklatschen...

Rieu: Das ist auch nicht bei allen Stücken der Fall. Wissen Sie, es gibt heutzutage mehr und mehr Leute, die mich studieren und sich fragen: „Was ist das Geheimnis von André?“ Die mich von rechts nach links und von oben nach unten analysieren (lacht). Die kommen mit allerhand Erklärungen, dass ich die klassische Musik zu einer Einheitswurst forme. Dass bei mir die Leute unglaublich glücklich nach Hause gehen, davon spricht keiner.

NZ: Könnten Sie sagen, wen Sie von den heutigen Komponisten besonders mögen?

Rieu: Ich halte Andrew Lloyd Webber für einen genialen Komponisten, er hat viele wunderbare Sachen geschrieben.

NZ: Was würde passieren, wenn Sie mal eine ganze Beethoven-Sinfonie aufführen?

Rieu: Das würde ich nicht machen. Da fühle ich mich viel zu beengt. Ich kenne die ganze Klassik und habe darin gelebt, mein Vater war Dirigent. Ich kenne das alles, aber ich möchte es nicht machen. Vielleicht kann man das mit einem Schauspieler vergleichen, der den „Hamlet“ spielen soll. Da gibt es eben auch andere, die stattdessen nach L.A. gehen, berühmte Filme machen und sich damit besser fühlen.

NZ: Und Sie würden nicht „Hamlet“ am Theater spielen, sondern den großen Hollywood-Film drehen?

Rieu: Ich denke ja. Ich habe einen guten Kontakt zu Anthony Hopkins, der sagt das auch. Wenn ihn intellektuelle Kritiker fragen, „Warum spielen Sie in so einem Film, wenn Sie doch in London Shakespeare am Theater aufführen können?“ – dann antwortet er: „I do it for the money“ (lacht), und dann verziehen alle ihre Gesichter. Nein, ich würde es nicht so krass sagen, „nur fürs Geld“ – aber eine Beethoven-Sinfonie, da fühle ich mich zu beengt.

Warum „beengt“? Das ist doch schöne Musik.

Rieu: Nein, eine ganze Sinfonie nicht, das würde mich langweilen. Ich nehme den schönsten Teil daraus, wenn ich das machen würde. Ich würde einen Satz aus der Sinfonie nehmen, den kürzen und dann einen Hit draus machen. Außerdem gibt es genug klassische Orchester auf der Welt, die das komplett spielen. Unseren Erfolg macht ja gerade aus, dass wir ganz anders sind. Wir sprechen damit ein Publikum an, das sich vielleicht nicht in die großen Konzertsäle traut, dem Mahler, Bruckner, Bartok zu „schwer“ sind. Die fühlen sich bei uns wohl. Da sind Leute, die haben seit Jahren nicht mehr getanzt. Bei uns stehen die auf und machen das, das ist doch fantastisch.

NZ: Spielen Sie denn mal Mozarts „Kleine Nachtmusik“ komplett?

Rieu: Nein, nur die schönsten Teile. Unsere Abende sind keine Konzertabende im „klassischen“ Sinn. Es sind immer Potpourris.

NZ: Es gibt in klassischer Musik auch viel Dramatik und Konflikte. Ist Ihnen die fröhliche Seite der Klassik lieber?

Rieu: Ja. Konflikte, Dramatik, das finde ich alles schön und gut, aber nicht bei mir auf der Bühne. Ich habe im Leben genug Konflikte und Dramatik gehabt, ich mag die sonnige Seite vom Leben. Man kann ganz leicht einen Abend mit Drama und sonstwas komponieren – aber es ist viel schwieriger, die Menschen zum Lachen zu bringen. Das gefällt mir viel mehr. Außerdem: In jeder deutschen oder holländischen Kleinstadt gibt es Sinfonie-Orchester, die all diese Sinfonien spielen. Ich kenne die alle, aber mir ist das zu langweilig.

NZ: Sind Sie mehr Dirigent oder Solist?

Rieu: Puh, ich bin in dem Sinne weder reiner Dirigent oder Solist oder Entertainer oder Geschäftsmann. Ich bin letztlich eine Kombination – und darum habe ich Erfolg, denke ich. Ich habe Geige studiert, aber nicht im klassischen Sinne Dirigieren oder BWL oder so gelernt. Aber ich kann dirigieren, und ich kann vor allem Musik machen.

NZ: Wie wichtig sind Geigen-Soli in Ihren Konzerten?

Rieu: Das hängt jeweils vom Programm ab, ob ich Lust darauf habe oder ob es ins Programm passt. Ich mache jedes Jahr ein anderes Programm.

NZ: Aber was genau spielen Sie sonst in Ihren Konzerten, die erste Geigenstimme?

Rieu: Ich spiele, was mir einfällt.

NZ: Sie sind auf vielen Fotos mit Geige zu sehen...

Rieu: Logisch, das ist mein Image, ich bin auch bekannt als Geiger.

NZ: Und Sie besitzen ein sehr wertvolles Instrument.

Rieu: Ich besitze drei Geigen, darunter eine Stradivari von 1732. Dass ich diese Geige habe, ist für mich persönlich eine große Freude und macht Spaß.

NZ: In Ihrer Autobiographie steht, Sie hätten beinahe mal ein Pizza-Restaurant aufgemacht.

Rieu: Wir wollten tatsächlich mal eine Pizzeria aufmachen, aber es blieb am Ende nur eine Idee. Wir haben damals schon eine Menü-Karte gemacht und die teuerste Pizza war „Pizza Paganini“. Der Plan war, dass ich Geige spiele, während diese Pizza serviert wird. Aus dem Grund fing ich wieder an zu üben – und dann dachte ich: Nein, ich lasse die Pizzeria weg.

André Rieu kommt am Samstag, 8. Februar, 20 Uhr in die Frankenhalle Nürnberg. Aktuelles Album: „Andre Rieu Celebrates Abba – Music of the Night.“


 

Verwandte Themen


Keine Kommentare