Kommentar: Gabalier als Brückenbauer zur Neuen Rechten

15.7.2019, 08:00 Uhr
Ein Bergbauernbua aus Graz in Nürnberg: Der selbst ernannte Volks-Rock’n’Roller Andreas Gabalier.

© Stefan Hippel Ein Bergbauernbua aus Graz in Nürnberg: Der selbst ernannte Volks-Rock’n’Roller Andreas Gabalier.

Zwei Stunden sind vergangen, da bekommt die kleine, steile, heile Welt des Andreas Gabalier an diesem Abend doch noch einen kleinen Riss. Im vorderen Bereich des Max-Morlock-Stadions fallen die Boxen aus, etwa eine Minute lang ist der selbst nannte "Volks-Rock’n’Roller" aus der Steiermark nur noch im hinteren Teil zu verstehen und die Zuschauer werden kurz ein bisschen unruhig.

Es ist der einzige Moment bei diesem Auftritt, der so etwas wie Spontaneität versprüht, ansonsten ist die große rot-weiß-karierte Schlager-Show des Alpen-Elvis vor allem perfekt durchgetaktet; vom rockigen "Verdammt lang her" bis zur Feuerzeug-Ballade "Amoi seg’ ma uns wieder" als Abschluss – Überraschungsmomente bleiben aus. Es geht ums Feiern, um prall gefüllte Dirndl und Lederhosen, um Kaiserschmarrn, um Hulapalu, am Ende auch mal kurz um den Verlust eines geliebten Menschen, vor allem immer wieder um Heimat, Heimat, Heimat.


Andreas Gabalier in Nürnberg: Die Kritik zum Konzert


Auf sechs Studioalben in zehn Jahren hat Gabalier dieses Thema nun in zahlreichen Liedern durchexerziert, ohne dabei einen allzu großen Wortschatz zu bemühen. Schlager eben, soweit so platt.

Mit diesem Geschäftsmodell hat es der Mann, der in Graz, der zweitgrößten österreichischen Stadt, aufgewachsen ist, sich aber selbst als Bergbauernbua verortet, an die Spitze der Charts geschafft und füllt inzwischen auch Hallen und Stadien weit entfernt des alpinen Einzugskreises. Im vergangenen Oktober war es in Nürnberg noch die Arena, diesmal durfte es bereits das benachbarte Stadion sein. Am Samstagabend waren rund 50 000 Menschen gekommen, viele folgten wie immer Gabaliers Wunsch, "sich fesch zu machen" und kamen in Trachten.

Wie bei einer "Mottoparty" hat es Gabalier in einem Interview selbst einmal beschrieben und mit etwas Unbedarftheit könnte man es natürlich genau so sehen: als musikalisches Volksfest, mit Verkleidung, mit Bier und Würschtln und als gute Gelegenheit, dem grauen Alltag zu entfliehen.

Nur: Wer sich genauer mit Gabaliers Texten, mit seiner Ästhetik und seinen Kommentaren abseits der Bühne beschäftigt, der kann seine Auftritte nicht als bloßes Pendant zu einer Faschings- oder 90er-Party verstehen. Das Geschäftsmodell von Gabalier ist nicht einfach nur ein wenig platt, sondern auch gefährlich.

Zum Konzept von Andreas Gabalier gehört es, neben dem Alpen-Kitsch und unverdächtigen Après-Ski-Hits eben auch all diejenigen einzufangen, die als Bewahrer der guten alten Zeit vermeintlich an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden; diejenigen, die political correctness als Kampfbegriff benutzen, die behaupten, dass man "Das-wird-man-doch-noch-mal-sagen-dürfen" eben nicht mehr sagen dürfe.

In der "kleinen, steilen, heilen Welt", wie sie Gabalier auf seinem aktuellen Album besingt, lassen sich vor allem zwei Aspekte finden: Sexismus und völkisches Gedankengut.

Da ist zum Beispiel das Lied "Mein Bergkamerad", in dem es um ein "eisernes Kreuz" geht, das im deutschsprachigen Raum zwangsläufig an den Kriegsorden erinnern muss, der auch während des Nationalsozialismus verliehen wurde. Da ist der Motorrad-Song "Biker", in dem der österreichische Protagonist neben Italienern und Deutschen absurderweise auch Japaner grüßt, also die Achsenmächte im Zweiten Weltkrieg. Und da ist das Titelbild zum Album "Volks-Rock’n’Roller", auf dem sich Gabalier mit einem Akkordeon so verrenkt, dass er ein Hakenkreuz formt.

Der 34 Jahre alte Gabalier gibt vor, die Welt seiner Kindheit zu glorifizieren, allerdings beschreibt er viel eher ein Rollenbild aus den 1950er Jahren. Männer sind harte Arbeiter und vor Kraft strotzende Böcke, Frauen dagegen "Zuckerpuppen" oder "Rehlein", die sich darauf beschränken, hübsch auszusehen und den Männern schöne Augen zu machen. Seine Großmutter sei ihr Leben lang in der Küche gestanden, hat Gabalier einmal bemerkt, ohne das als Problem zu empfinden. Die Moderne hat er als "genderverseucht" bezeichnet, eine Preisverleihung nutzte er dazu, sich als Verfolgter einer mehrheitlich homosexuellen Medienlandschaft darzustellen ("Man hat es nicht leicht auf dieser Welt, wenn man als Manderl noch auf Weiberl steht."). Es ist die Wortwahl, der sich auch die Neue Rechte bedient.

Begriff als Ausgrenzung

Im Gegensatz zu der brachial daherkommenden (Rechts-)Rockband Freiwild, die ähnliche Inhalte transportiert, fungiert der nette "Mountainman" von nebenan mit der hochgegelten Tolle und den breiten Oberarmen durch seine massenkompatible Musik als Brückenbauer. Dass er in der Vergangenheit bereits den FPÖ-Mann Hans-Christian Strache unterstützt hat, ohne explizit Partei zu ergreifen, passt da gut ins Bild.

Mit der Kritik konfrontiert, weicht Gabalier stets aus, als erfolgreicher Künstler hätte man eben viele Neider, sagt er, nur um Neid geht es in der Debatte ja gar nicht. Seine Heimat zu lieben, ist kein Verbrechen, im Falle von Gabalier funktioniert der Begriff aber vor allem als Ausgrenzung. Das ist das Problem an seiner kleinen, steilen, heilen Welt.

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