Vea Kaisers schräger Roman "Rückwärtswalzer"

19.4.2019, 14:29 Uhr
Vea Kaisers schräger Roman

© Ingo Pertramer/Kiepenheuer & Witsch

Die junge österreichische Schriftstellerin (Jahrgang 1988) steigt  mit einer Episode rund um den etwas abgehalfterten Schauspieler Lorenz Prischinger in ihren dritten Roman "Rückwärtswalzer" ein. Der ist, pardon, ein weinerlicher Wiener Trottel.

Aber der junge Mann hat, und da wird‘s eigentlich interessant, eine ziemlich coole Familie. Als da wären seine drei Tanten Wetti, Mirl und Hedi. Und ein angeheirateter Onkel namens Willi. Als der stirbt, möchte ihm das Trio seinen letzten Wunsch erfüllen: Willi will nämlich zu Hause bestattet werden. Und das ist in Montenegro. Also wird der Verblichene flugs tiefgefroren, ins Auto gepackt und auf geht‘s Richtung Süden . . . Jetzt ist auch klar, was man bitte tunlichst nicht nachmachen soll.

Unterhaltsam

Vea Kaisers große Spezialität sind, das weiß man seit ihrem großartigen Debüt "Blasmusikpop", das im Jahr 2012 erschienen ist, ihre Fabulierkunst, ihre Liebe zu schrägen Figuren und ihr Talent, unterhaltsam, aber nicht banal zu erzählen. Und ihr Interesse für das Konstrukt Familie, in das wir schließlich alle mehr oder weniger verstrickt sind. Auch in "Rückwärtswalzer" geht es um das, was verwandte Menschen zusammenhält. Um Geheimnisse, um Schuld, um Streit und Liebe — und den Tod. "Die Manen der Familie Prischinger" heißt das Buch im Untertitel, und Manen, das sind die Geister der Verstorbenen.

Um welche es sich genau handelt, erfährt man durch Rückblenden. Während der Roman in der Gegenwart in Wien beginnt, springt er im zweiten Kapitel zurück ins Jahr 1953, dann wieder ins Hier und Jetzt, dann ins Jahr 1958 undsoweiter.

So fächert Vea Kaiser nach und nach Episoden aus den Leben der Prischingers auf, die prägend für die Familienmitglieder waren. Auf diese Weise entsteht ein Panorama aus über 50 Jahren Familiengeschichte, das einem die Figuren sehr nahe bringt — und den Roadtrip mit dem toten Willi fast ein bisschen zur Nebensache geraten lässt.

Die Erlebnisse von Wetti, Mirl und Hedi sind aber sowieso faszinierender. Jede von ihnen muss ihren Platz als Frau in der Gesellschaft finden, und jede tut es auf ihre eigene Weise. Wetti zum Beispiel will ein Kind, aber keinen Kerl, und schlägt sich lieber als alleinerziehende Mutter einer dunkelhäutigen Tochter durch.

Vom Umgang mit dem Tod

Hedi geht als junge Frau ins Kloster, betrügt später ihren Willi und muss feststellen, dass das Muttersein ihr nicht den Sinn gibt, nach dem sie gesucht hat. Und Mirl schmeißt ohne Make-Up und Kostüm nicht mal den Staubsauger an und verliert ihren Mann, weil sie nicht über ihren Schatten springen kann.

Alle drei haben übrigens Töchter, und auch um diese gemeinhin ziemlich schwierigen Beziehungen geht es. Und immer wieder darum, wie wir mit Tod und Trauer umgehen. Oder eben nicht umgehen.

Vea Kaiser erzählt all das Tragische mit leichtfüßiger Heiterkeit, mit Herz und Humor. Am Ende steht die vielleicht nicht gerade originelle, aber eben doch stets tröstliche Erkenntnis, dass das Leben sich immer seinen Weg sucht — und dass der Tod zum Leben selbstverständlich dazugehört.

Vea Kaiser: Rückwärtswalzer oder Die Manen der Familie Prischinger. Kiepenheuer & Witsch, Köln, 432 Seiten, 22 Euro.

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