Wien, wie es um 1900 klang

9.3.2010, 00:00 Uhr
Wien, wie es um 1900 klang

© Colourbox.com, Symbolbild

Der so genannte «Jugendstil» hatte um 1900 seinen kühl abstrakten Wildwuchs nicht nur für handfeste Kunst und späteres Sammlergut mit den typischen, emblematischen Blütenranken reserviert. Dass die üblichen Zuschreibungen wie «spätromantisch» den deutlichen Aufbruchscharakter von Übergangswerken an der Schwelle zur Moderne auch in der Musik eher verdunkeln, betonte nun die schlüssige Werkauswahl des Philharmonie-Konzerts unter dem Vorzeichen «Jugendstil».

Einstimmigkeit der Streicherstimmen

Angefangen mit Gustav Mahlers frühem Klavierquartett-Fragment in a-Moll, dessen archaische Tönung - wie in Großbuchstaben gefasst - immer wieder mit aufflammen darf. Erhitzt und dabei fast schon sakral wirkt die immer wieder herausgehobene Einstimmigkeit der Streicherstimmen. Passgenau rückten Ingrid Bauer, Sebastian Rocholl und Veronika Zucker (Violine, Viola und Cello) sowie Christian Reuter am Flügel die erst spät in den 1960ern im Konzertsaal wiederentdeckte Studienarbeit Mahlers mit eben den chromatischen Sturzbächen in den Fokus, die weit in die Zukunft weisen.

Entsprechend urteilte der Komponist Alfred Schnittke, der diesen Jugendwurf 1988 kommentierte: «Der tonale Kreis, in dem sich Mahler hier im Alter von 16 Jahren ausdrückt, ist gar nicht stereotyp im Aufbau, sondern man sieht auch schon den Mahler der zehnten Symphonie durchscheinen, obwohl Jahrzehnte dazwischen liegen».

Luftige, verspielte, heitere Abstraktion

Dazu passte die luftige, verspielte, heitere Abstraktion im langsamen Satz für Streichquartett (mit Zsuzsa Zsizsmann als erster Geigerin, Christian Heller an der Viola und Peter Thalheimer am Cello), den der damals 22-jährige Anton Webern unter den Argusaugen seines Lehrers Arnold Schönberg komponiert hatte. In die literarischen Dunkelkammern der Freiheit führte hingegen Arthur Schnitzlers weitsichtiger innerer Monolog «Die Braut» – mit hingewischter und doch grüblerischer Lebemann-Attitüde vorgestellt von Rainer Matschuk.

Sopranistin Heidi Elisabeth Meier zwirbelte anschließend den Spannungsbogen in Alexander Zemlinskys Gedichtvertonung für Sopran und Streichsextett «Maiblumen blühten überall» nach Richard Dehmel kräftig auf. So überstrahlt glühende Expressivität feinere Nuancen. Zum Resümee dann Erich Korngolds in glanzvoller Opulenz und mit lebendiger Rhetorik aufgefächertes Streichsextett in D-Dur Opus 10. Ein warm schimmernder und fast schon orchestraler Sextettklang.

Nächstes Konzert: 11. April um 11 Uhr mit Bariton Jochen Kupfer und dirigiert von Christof Prick geht es um spätromantische Aufbrüche - beispielsweise mit Wagners «Siegfried-Idyll».