Ein Gastwirt, der starke Duftmarken setzt

12.8.2013, 00:00 Uhr
Ein Gastwirt, der starke Duftmarken setzt

© Michael Matejka

Die Lesebrille hüpft über der gestreiften Küchenschürze, in der Kochjacke stecken drei (!) Kugelschreiber. Dass Stefan Rottners Zeit knapp ist, spürt man schon am schnellen Schritt, mit dem er zum Tisch im schattigen Hofgarten spurtet. Geschmorte Geißleinhaxe in Basilikumsoße oder Kalbsleber und -nieren in Estragonsoße mit Nudelrisotto machen sich eben nicht von alleine.

Schnell ein Mineralwasser, es ist heiß. Jetzt sitzt er da, graumeliert und schnauzbärtig, ganz routinierter Chef. Sein Großreuth? „Herum um die Kurve, und plötzlich ist da ein Dorf.“ Recht hat er mit dieser knapp gefassten Beschreibung seines Heimatorts, in dem die Familie Rottner seit 1812 erfolgreich ein Wirtshaus führt.

„Kein Don Quijote“

Kein Grund, sentimental zu werden. Dass hier in den nächsten Jahren rund 2000 neue Wohnungen entstehen sollen, dass die vielen Mais- und Gemüsefelder rund um Großreuth verschwinden werden und die U-Bahn kommen wird, sieht der Wirt vom Gasthaus Rottner nüchtern. Vielleicht auch, weil die Wirtsleute schon immer von neuen Verkehrswegen profitiert haben. 1914 zum Beispiel, als die Straßenbahnlinie 2 vom Dutzendteich kommend ihre neue Endhaltestelle an der Gustav-Adolf-Straße bekam. Seither gehörte der kleine Spaziergang hinaus zum Rottner in der Winterstraße für Nürnberger Ausflügler zum Sonntagsritual.

„Ich bin kein Don Quijote“, sagt der 55-Jährige und lächelt sich viele kleine Fältchen um die Augen. So nett das ist mit dem kleinen, wehrhaften Dorf à la Asterix und Obelix (Rottner über Großreuth) — je mehr Menschen in der Nähe wohnen, desto mehr kommen zu ihm zum Essen. Eine einfache Rechnung. Für kleinere Geldbeutel gibt es schließlich eine Speisekarte, auf der Stadtwurst mit Musik und Bratwürste stehen. Oder Rettich mit Schnittlauchbrot.

Ein Gastwirt, der starke Duftmarken setzt

© Michael Matejka

Bei aller Liebe, Stefan Rottner ist Pragmatiker. Natürlich dürfe nah beim Dorfkern nicht sechsstöckig gebaut werden, das Ensemble müsse erhalten bleiben. Im Hintergrund flitzen geräuschlos Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen über den dunklen Flur. 50 Menschen beschäftigen Gasthaus und das 1998 eröffnete Romantik-Hotel. Und es wird weitergehen, der Sohn ist auf der Walz in den feinsten Küchen des Landes, die Tochter studiert Hotel- und Eventmanagement und kommt in der Welt herum. Irgendwann werden vermutlich sie hier die Geschäfte führen. Und tun, was ihr kochender Vater tut: „Das Handwerk verteidigen. Authentisch bleiben.“ Mit zwei Jahrhunderten Tradition im Kreuz, kein Wunder.

Erst im vergangenen Jahr ist das feine Gasthaus 200 Jahre alt geworden. Im Sandstein über der mächtigen Wirtshaustür steht das Datum. 1615 wurde die einstige „Grüne Weintraube“ zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Wobei den durstigen Großreuthern ein Wirtshaus nie genug war. Im 16. Jahrhundert gab es bereits drei, heute servieren neben Rottner zwei weitere Lokale griechisch-fränkische Küche in Großreuth.

Errichtet wurde das heutige Wirtshaus 1723 als „ganz neu erbaute Behausung, mit darin gerichter Gerechtigkeit Branntwein zu brennen“, so ein Saalbuch aus der Zeit. Was bald die Neubürger in ihren neuen Eigentumswohnungen sein werden, waren Anfang des 19. Jahrhunderts die Militärs, die in Schweinau stationiert und Stammkunden des Wirtshauses waren. 1881, der erste Rottner heiratet ein; zwei Jahre später wird angebaut. Im Plan steht, dass „eine Stallung nebst Schweinestall, Aport, Pisoir und Eißkeller“ gebaut werde.

Seit 1985 führt Stefan Rottner das Lokal, seine Duftmarke hat er mit einem gelben Ortsschild gesetzt. „Großreuth — Trüffelölfreie Zone“ steht darauf. Was spricht gegen Trüffelöl? Das, sagt der Wirt und schüttelt sich, sei leider immer synthetisch.

Mehr Informationen über das Gasthaus Rottner in unserer Rubrik Essen und Trinken!

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