Experten sind alarmiert: Immer mehr Antisemitismus in Franken

17.2.2021, 05:20 Uhr
Immer wieder solidarisieren sich Menschen in Bayern mit Opfern von Antisemitismus. 

© Michael Kappeler/dpa Immer wieder solidarisieren sich Menschen in Bayern mit Opfern von Antisemitismus. 

Ausgewertet hat die Statistik die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (Rias) Bayern. Sie gilt als niederschwellige Anlaufstelle, bei der auch Vorfälle unterhalb der Schwelle zur Strafbarkeit gemeldet werden können (www.rias-bayern.de).


Judenhass greift um sich: Bayern will gegensteuern


Seit einigen Wochen ist der "Verein für Aufklärung und Demokratie" (VAD) neuer Träger. Er steht unter Schirmherrschaft der bayerischen Sozialministerin Carolina Trautner (CSU) und des bayerischen Antisemitismusbeauftragten Ludwig Spaenle (CSU).

Eine hohe Dunkelziffer

Laut Rias sind in Mittelfranken allein im ersten Halbjahr des vergangenen Jahres 18 antisemitische Vorfälle bekannt geworden. Im gesamten Jahr zuvor waren es 15. Ähnlich sieht es in Oberfranken (2019: zehn Vorfälle; erstes Halbjahr 2020: acht Vorfälle) und Unterfranken (sechs/drei) aus.

Dabei ist Rias Bayern erst vor zwei Jahren gegründet worden und war zunächst noch nicht so bekannt wie jetzt. Grundsätzlich sei für die vergangenen zwei Jahre von einer "großen Dunkelziffer" solcher verwerflicher Taten auszugehen.

Es sind hässliche Ereignisse, die da zu Tage gefördert wurden. So schrieb ein Amateur-Rapper aus Nürnberg über ein soziales Netzwerk an einen Juden und droht, er werde mit dessen Mutter "einen Holocaust machen". Ebenfalls in Nürnberg tauchte an einem Strommast ein durchgestrichener Davidstern auf.

Tür in der Uni beschmiert

Eine Tür der Uni Bayreuth wurde mit den Schriftzügen "Jew World Order" und "Global Power Grab" beschmiert. Diese Floskeln sind eine Variation des Begriffs "New World Order" und sollen ausdrücken, dass Juden die Welt beherrschen oder dies planen. Dieses Motiv griff eine Rednerin bei einer Nürnberger Kundgebung sogenannter Coronarebellen auf. Sie meinte, hinter Corona stecke der Zweck, "die Welt in eine neue Ordnung" umzustrukturieren. Und in der Bamberger Altstadt hing ein handgeschriebenes Pappschild, auf dem unter anderem von "Judenkapitalismus" die Rede war.

Laut Rias spielten jüngst Vorfälle mit einem Bezug zur Corona und Leugnern der Pandemie eine wichtige Rolle. Annette Seidel-Arpaci, Leiterin von Rias-Bayern, betont: "Die Denkstruktur von Verschwörungserzählungen funktioniert analog zu jener des Antisemitismus. Eine vermeintlich geheim agierende Elite wolle für 'das Volk' Böses, für sich selbst aber Profit und Macht." Rias spricht ausdrücklich nicht von Verschwörungstheorien, denn Theorien werden wieder verworfen, wenn sie sich als falsch herausgestellt haben. Anhänger von Verschwörungserzählungen oder -mythen blendeten dagegen Fakten aus, die ihrer Erzählung widersprechen.

Alte Vorurteile

Schon im ersten Jahr seines Bestehens, also im Jahr vor der Corona-Pandemie, registrierte Rias Bayern bei 20 Prozent dokumentierter antisemitischer Ereignisse im Freistaat einen Hintergrund zu einer Verschwörungsideologie. Ein solches Denken sei ein notwendiger Bestandteil des menschenfeindlichen Antisemitismus.

Schon in der Vergangenheit haben sich Impfgegner solcher antisemitischer Vorurteile bedient. Rias verweist auf eine Hetzschrift von Eugen Dühring, einem Vordenker der NS-Rassenlehre, aus dem Jahre 1881. Er behauptete, Impfen sei ein Aberglaube, ersonnen von jüdischen Ärzten, um sich persönlich zu bereichern.

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