Ukraine-Flüchtlinge angekommen

Alina ist aus der Ukraine geflüchtet: "Es könnte sein, dass meine Freunde nicht mehr aufwachen."

Patrick Schroll

Stellvertretender Ressortleiter

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16.3.2022, 17:54 Uhr
Alina ist aus der Ukraine geflüchtet:

© Foto: Athina Tsimplostefanaki

Alina ist aus der Ukraine geflüchtet:

© Foto: Athina Tsimplostefanaki

Jetzt ist sie mit ihren Eltern und drei Geschwistern in Sicherheit, wird fortan in einer Flüchtlingsunterkunft im Landkreis leben und auf den Frieden und eine Rückkehr in ihr Land hoffen. Doch die Sorgen bleiben.

"Es könnte sein, dass sie einschlafen und nicht mehr aufwachen", sagt Alina im Gespräch mit unserer Zeitung. Wir unterhalten uns in Englisch. Sie hat Angst um ihre Freunde und ihre Oma, die noch in der Ukraine leben. Jeder Tag, jede Nacht könnte durch einen Beschuss oder eine einschlagende Rakete die letzte sein, befürchtet sie. Dennoch ist Alina optimistisch. Sie wird uns später Anteil nehmen lassen an ihren Eindrücken während der Flucht, aber auch an ihrer Zuversicht, irgendwann in der Ukraine wieder ein normales Teenager-Leben führen zu können.

Die Flüchtlinge finden an verschiedenen Orten im Landkreis ein vorübergehendes Zuhause

Rund 100 Menschen aus der Ukraine sind am Mittwochmorgen auf dem Parkplatz des Beruflichen Schulzentrums in Forchheim mit zwei Bussen aus Bamberg angekommen. In der Nachbarstadt haben sie sich bereits im für Flüchtlinge zuständigen Ankerzentrum offiziell registriert. Von dort werden Geflüchtete auf die Landkreise und Städte der Region verteilt.

Alina ist aus der Ukraine geflüchtet:

© Foto: Athina Tsimplostefanaki

In der Stadt Forchheim, Streitberg, Obertrubach und Muggendorf hat der Landkreis Unterkünfte angemietet. Es handelt sich dabei nicht um Privathäuser, sondern größere Einheiten. Sie dienten bereits 2015 als ein Dach über dem Kopf – damals hauptsächlich für Geflüchtete aus Syrien. Die meisten Immobilien standen zwischenzeitlich leer, sagt Landrat Hermann Ulm (CSU). Der ASB kümmert sich um den Transport der Flüchtlinge dorthin. "Es gibt genügend Zimmer", sagt Ulm. Pro aufgenommene Person und Tag erhält der Betreiber 22 Euro für die Unterbringung.

Bis zu 900 Flüchtlinge werden erwartet

Mit bis zu 900 ukrainischen Flüchtlingen kalkuliert der Landkreis. Ob es dabei bleibt, ist fraglich, sagt Frithjof Dier. Er leitet im Amt den Bereich kommunale und soziale Aufgaben. "Wahrscheinlich befinden sich bereits bis zu 500 Flüchtlinge im Landkreis", sagt er, ohne eine genaue Zahl zu kennen.

Monika Mäx aus Forchheim hat eine sechsköpfige ukrainische Familie bei sich aufgenommen. Die ukrainische Großmutter ist begeistert beim Pfannkuchen backen. 

Monika Mäx aus Forchheim hat eine sechsköpfige ukrainische Familie bei sich aufgenommen. Die ukrainische Großmutter ist begeistert beim Pfannkuchen backen.  © Mäx Monika, NN

Es sind Menschen, die bei Bekannten Unterschlupf gefunden haben. Nach und nach melden sie sich bei den Behörden. Erst dann sind sie offiziell registriert und gezählt. Wer Wohnraum für Flüchtlinge anbieten will, kann sich an das Bayerische Innenministerium wenden. Auf der Internetseite steht ein Formular bereit.

Die Freude beim Pfannkuchen backen

Auch Monika Mäx hat schon seit mehreren Tagen in ihrem privaten Haus in Forchheim eine sechsköpfig Familie aufgenommen. Auf Fotos, die uns ihre Mutter Ursula Mäx zeigt, ist eine ukrainische Großmutter zu sehen, die in Kochschürze und mit einem breiten Grinsen beim Pfannkuchen Backen hinter dem Herd steht.

"Ich habe den Eindruck, dass viele Menschen Angst haben, Flüchtlinge aufzunehmen", sagt Ursula Mäx. Bereits seit 2015 engagiert sie sich in der Flüchtlingshilfe im Landkreis. Die Geflüchteten packten im Haushalt mit an oder kümmerten sich mit Leidenschaft um den Garten, beschreibt sie den Alltag. "Die Menschen wollen etwas tun, nicht nur rumsitzen und weinen." Am Mittwoch war Monika Mäx mit ihren Schützlingen auf der Suche nach einer Wohnung.

Alina ist aus der Ukraine geflüchtet:

© Foto: Athina Tsimplostefanaki

Es sind viele Mütter mit kleinen Kindern, die in der wärmenden Morgensonne auf dem Parkplatz stehen. Ihre Existenz liegt im Bauch des Busses. Bei jenen, die mit dem eigenen Auto geflohen sind, liegt sie im Kofferraum. Ihr bisheriges Leben haben sie in wenige Taschen gepackt, manche haben ihre Haustiere noch dabei. Und dann haben sie noch das, was sie als Kleidung am Leib tragen. Alles andere bleibt verwaist zurück.

Zlata ist sechs Jahre alt und kommt mit ihren Geschwistern und ihrer Mutter aus der hart umkämpften Stadt Charkiw im Osten des Landes. Wie viele Kinder hat sie bunte Stifte in der Hand und malt auf einem kleinen Block Bilder aus. Die Kinder beißen zwischendrin in Laugenbrezen und trinken einen Schluck Wasser, Apfelsaft oder Cola, während die Eltern in der Turnhalle Anträge für das Sozialamt stellen, um finanzielle Hilfe zu erhalten. Eine Art Taschengeld, damit sie sich später am Tag noch etwas zum Essen oder Trinken kaufen können, soll es noch bar auf die Hand geben, erwähnt der Landrat.

Schon Gummibären helfen

"Ich bin in einem fremden Land und könnte ohne Hilfe nicht zurechtkommen", sagt Alina. "Ich bin dankbar, dass die Menschen hier so aufgeschlossen sind." Es sind die Kuscheltiere, die Ursula Mäx zum Verschenken mitgebracht hat, die Kindern einen Halt schenken. Es sind die Gummibären, die Christa Heidrich verteilt und die zu einem Lächeln führen. Oder es ist die spontane Bereitschaft der Forchheimerin und Ukrainerin Olga Berger, die als Übersetzerin zwischen den Menschen vermittelt und ihnen damit wortwörtlich das Gefühl gibt, besser verstanden zu werden.

Alina ist aus der Ukraine geflüchtet:

© Foto: Athina Tsimplostefanaki

Miriam Meklenburg hat sich für eine wortlose Botschaft entschieden. Ein rotes Herz, gemalt auf einem Stück Pappe, hält die Forchheimerin den Menschen bei ihrer Ankunft entgegen. Diese Nachricht verstehen auch jene, die sich nicht in Englisch unterhalten können. Meklenburg engagiert sich schon seit Jahren für Menschen in Not.

"Der Wille zu überleben vereint"

Um syrische Flüchtlinge hat sie sich schon gekümmert. Im September hat sie eine private Spendenaktion für die Flutopfer im Ahrtal organisiert und Küchengeräte, Werkzeug oder Brennholz zu den Menschen gefahren. "Die Suche nach Sicherheit und der Wille zu überleben vereint die geflüchteten Menschen", sagt Meklenburg.

Alina ist aus der Ukraine geflüchtet:

© Foto: Athina Tsimplostefanaki

Um ihr Leben zu schützen, ist Alina mit ihrer Familie im Auto geflohen. "Wir waren 26 Stunden unterwegs, bis wir Deutschland erreicht haben." In der Universität in der Hauptstadt Kiew studiert die 17-Jährige Fremdsprachen, unter anderem Koreanisch. "Ich bin von der asiatischen Kultur und den asiatischen Ländern begeistert und ich will künftig an der Völkerverständigung zwischen Korea und der Ukraine arbeiten", beschreibt sie ihren Traum. Denn sie weiß: Dort, wo sich die Menschen kennen und schätzen, ist die Wahrscheinlichkeit für Konflikte geringer. "Ich hoffe, dass ich nach dem Krieg zurück und meinen Traum wahr machen kann", sagt sie. Dass sie zurück will, steht für sie außer Frage. "Ich liebe mein Land."

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