Fraktionschef erklärt: So hätte die SPD die Corona-Tests gestaltet

17.8.2020, 05:44 Uhr
Horst Arnold, Fraktionschef im Landtag, erklärt, wie die SPD die Corona-Tests gestaltet hätte.

© Stefan Hippel Horst Arnold, Fraktionschef im Landtag, erklärt, wie die SPD die Corona-Tests gestaltet hätte.

Der Fürther SPD-Landtagsabgeordnete Horst Arnold gilt als scharfer Kritiker der CSU-Regierung. In Corona-Zeiten setzt er eher auf konstruktive Mitwirkung als auf politische Profilierung.

NN: Nach der Corona-Test-Panne forderte der Generalsekretär der BayernSPD Uli Grötsch, dass Gesundheitsministerin Melanie Huml zurücktreten müsse. Teilen Sie seine Auffassung?

Arnold: Ihr Rücktritt hätte die Probleme nicht gelöst. Sie sind struktureller Natur. Söders Ankündigung war sehr vollmundig. Die Frage ist, wie werden die Tests umgesetzt und für die Umsetzung ist nicht nur Frau Huml verantwortlich, sondern auch das Management der Staatsregierung. Jeder Manager muss sich fragen: Können Ziele umgesetzt werden und kann mein Betrieb das leisten? Huml ist jetzt aber eine Ministerin auf Bewährung.


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NN: Markus Söder hatte bei der Pressekonferenz am Donnerstag argumentiert, dass nicht er das hohe Tempo vorgibt, sondern das Coronavirus. Können Sie dieses Argument nachvollziehen?

Arnold: Der Staat ist für die Gesundheitsfürsorge verantwortlich und er muss Vorkehrungen treffen. Aber das Projekt, Reiserückkehrer sehr schnell zu testen, wurde von Söders Ehrgeiz getrieben. Die Idee war gut - wir hatten sie auch – aber sie hätte mehr durchdacht werden müssen. Söder muss sich gefallen lassen, dass er für die Ankündigung von Maßnahmen, die richtig waren, aber nicht umsetzbar sind, kritisiert wird.

Es geht in einer gefährlichen Pandemie um Leben und Tod

NN: Was ist das für ein Ministerpräsident, der die Verantwortung für die Panne auf die Verwaltung abwälzt?

Arnold: Er ist Bestandteil der Exekutive. Söder hat diese Aufgabe jedoch an die zuständige Ministerin delegiert. Sie liegt damit in ihrer Verantwortung. Sie muss dafür sorgen, dass die Tests funktionieren. Es ist wohl lange Zeit nicht aufgefallen, dass Tausende Tests liegengeblieben sind. Diese Information ist der Ministerin nicht mitgeteilt worden oder sie hat nicht nachgefragt.


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Es gibt das System der Wiedervorlage. Was mir wichtig ist, lass ich mir jeden Tag wieder vorlegen. Ob die Tests funktionieren, hätte er täglich prüfen müssen. Wie wir wissen, geht es hier in einer gefährlichen Pandemie um Leben und Tod.

NN: Hätten die Tests nicht stattfinden dürfen? Was wäre die Alternative gewesen?

Arnold: Die Ankündigung hätte umsetzbar sein müssen. Die Daten der Getesteten wurden per Hand erfasst. Natürlich waren die Tests aus der Not geboren, aber so etwas kann man sich nicht leisten. Viele Getestete haben sich in Sicherheit gewogen, weil sich niemand mehr bei ihnen gemeldet hatte.

NN: Angenommen, die SPD würde in der Zeit der Corona-Krise regieren. Was hätten Sie angesichts der Teststationen an den Flughäfen und Grenzstationen an den Autobahnen anders gemacht? Hätten Sie diese überhaupt erst installiert?

Arnold: Ja, meine Kollegin Ruth Waldmann hatte bereits Mitte Juli gefordert, Coronatests an Flughäfen und an Bahnhöfen durchzuführen. Wir hätten uns darum gekümmert, dass die notwendige Logistik funktioniert und ein Pilotverfahren gestartet. Wir hätten die Rettungsdienste weitaus früher einbezogen und uns mit ihnen abgestimmt. Weiter hätten wir das Landesamt für Lebensmittelsicherheit und Gesundheit rechtzeitig angewiesen, digitale Lösungen zu schaffen.


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NN: Die Aufgabe einer Opposition ist es, der Regierung auf die Finger zu schauen. Dem Ministerpräsidenten ist nun der Fehler unterlaufen. Wie sehr ist er, der sich als starker Mann in der Krise präsentiert hat, entzaubert worden?

Arnold: Es geht uns nicht um Entzauberung. Wir schauen, ob er seinen Aufgaben gerecht wird und haben übrigens das Krisenmanagement Söders zu Beginn der Krise durchaus anerkannt und unterstützt. Seine Ankündigungen sind ambitioniert, und jetzt gibt es bei der Umsetzung Defizite. Das sagen wir dann auch. Zum Beispiel müssen die Maßnahmen in der Corona-Krise sozial gerecht gestaltet sein. Und einige Dinge sind wirklich nicht gut gelaufen: Ein Beispiel ist die Beihilfe für Künstler und Soloselbstständige. Der Ministerpräsident hatte am 20. April in seiner Regierungserklärung angekündigt, sich darum zu kümmern. Aber erst im Juli liefen konkrete Maßnahmen an. Unsere Verbesserungsvorschläge sind nicht wahrgenommen worden, weil die Öffentlichkeit nahezu ausschließlich auf die Pressekonferenzen der Regierung geschaut hat.

Briefe an Söder: Ideen der SPD in der Corona-Krise

NN: Welche Ideen hatte denn die SPD?

Arnold: Unsere Abgeordneten haben laufend Briefe mit Vorschlägen an Söder und seine Minister geschickt. Wir haben sehr schnell gefordert, dass der Freistaat die Gebühren für die Kita übernehmen muss. Wer sein Kind nicht in die Kita bringen kann, soll aus unserer Sicht auch keine Gebühren zahlen. Und wir haben schnell vorgeschlagen, ein Konjunkturprogramm für die Wirtschaft aufzulegen. Weiter haben wir uns dafür eingesetzt, dass die Wohlfahrtsverbände, die in der Krise Hervorragendes leisten, die Kosten für die Corona-Schutzausrüstung nicht selbst tragen müssen.

NN: Zurzeit befindet sich der Landtag in der Sommerpause. Bevor das Parlament am 21. September wieder zusammenkommt, treffen sich die Fraktionen zu den Herbstklausuren. Welche Themen wird die SPD ansprechen?

Arnold: Die Coronakrise wird natürlich thematisiert und wie der Weg aus der Krise gelingt. Ich bin ja auf meiner Sommertour in Bayern unterwegs und schaue gemeinsam mit meinen Kollegen vor Ort, wie die Maßnahmen wirken und was noch gebraucht wird. Wir werden bei der Klausur auch über die Gestaltung des bayerischen Staatshaushalts sprechen und das Volksbegehren Artenvielfalt. Dieses hatte die Regierung übernommen und ein Versöhnungsgesetz geschaffen, an dem immer noch herumgedoktert wird. Schließlich diskutieren wir auch die Herausforderungen im Hinblick auf die neuen Technologien, insbesondere in der Automobilindustrie und bei Zulieferern. Wir nennen das sozial-ökologische Transformation und wir wollen, dass sie sozial verträglich gestaltet wird und Arbeitsplätze erhalten bleiben.

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