Aus dem Gerichtssaal

Absichtlich angefahren? Streit zwischen Nachbarn endet vor Gericht

4.10.2021, 09:20 Uhr
Absichtlich angefahren? Streit zwischen Nachbarn endet vor Gericht

© Foto: Jürgen Leykamm

Die kurze Szene wäre wohl auch des neuen James-Bond-Films würdig gewesen: Eine scharfe verbale Auseinandersetzung mündet in eine kurze, wilde Autofahrersequenz, in der zwei Personen insgesamt gleich dreimal ins Visier einer wütenden Fahrerin geraten. Doch was sich in dem Treuchtlinger Ortsteil wirklich abgespielt hat, konnte nun auch eine Verhandlung vor dem Weißenburger Amtsgericht nicht klären.

Denn die während der fast dreistündigen Verhandlung gemachten Aussagen ließen nicht nur an die Kino-Actionreihe denken, sondern auch ein bisschen an den Filmklassiker "Lola rennt". Eigentlich ein Kurzfilm, der sich mehrfach wiederholt und dabei immer wieder Details verändert, sodass stets ein anderes Bild von dem Geschehen entsteht.


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Der Vorsitzenden Richterin Anna Richter präsentierte sich nach den Aussagen der Angeklagten und der Zeugen ein ähnlich buntes Mosaik von den Vorfällen. Die ereigneten sich schon im Januar, als die beklagte Sonja Imhof (Name geändert) ihr Auto auf ihrem Grundstück abstellen wollte, der Platz aber schon belegt war. Nach ihren Aussagen eigentlich der Regelfall, oft durch den Pflegedienst, der im Nachbarhaus zu tun hat.

Verschiedene Versionen

Durch Hupsignale sei er dann aber oft zum Wegfahren zu bewegen. Diesmal habe zusätzlich noch der Kastenwagen eines Handwerkers die Anfahrt blockiert. All dies bei hohem Blasendruck der Fahrerin. Den Arbeiter mit kosovarischer Staatsangehörigkeit selbst soll Imhof darauf mit "Scheißausländer" und die Assistentin der benachbarten Hausbesitzerin, deren Parkplatz wiederum sie schließlich selbst blockierte, mit "Schlampe" beschimpft haben.

Laut der Angeklagten aber habe der Mann so sehr gegen die Autoseitenscheibe geschlagen, dass sie um ihren Außenspiegel habe fürchten müssen. Zudem sei er sehr laut und aggressiv geworden. Ihre verbalen Reaktionen seien der Angst geschuldet gewesen.

Die Dame habe sie nicht beleidigt. Ebenso bestritt Imhof, zweimal auf den Handwerker und einmal auf die Assistentin losgefahren zu sein: "Ich bin ein defensiver Mensch, ich würde nie jemanden absichtlich anfahren." Das gesamte Geschehen wertete sie als "Dorfmobbing, das war nicht das erste Mal".

Mehrere Versionen

Der Handwerker aber hatte die Szene völlig anders in Erinnerung. Er habe gar nicht an die Scheibe geklopft, sei ruhig geblieben und habe vielmehr versucht, Imhof zu besänftigen, die er mit den Worten zitierte: Die Autos sollen weggefahren werden, "sonst mache ich sie platt und euch auch!" Dann sei sie auf ihn zugerast, und er habe sich nur durch schnelles Ausweichen retten können. Ähnlich sei es dann ein zweites Mal geschehen. Doch wie sich die Reihenfolge der Ereignisse genau zutrug, wer in welcher Szene wie agierte, wo stand oder saß – über all dies und mehr gab es im Rahmen der Verhandlung mehrere Versionen.

Da an dem Tag zudem auch Schnee gelegen hatte, ließ sich auch nicht feststellen, ob das besagte Zurasen vielleicht nicht doch ein Rutschen gewesen war. Ein eher negatives Bild zeichnete die Assistentin von der Angeklagten: "Sie rastet regelmäßig aus." Auch zum Tatzeitpunkt sei sie "richtig ausgeflippt – die kennt gar kein normales Reden". Das Klopfen an der Scheibe habe sie aber auch so wahrgenommen, so die Zeugin. Beide Zeugen aber hätten sich in Widersprüche zu ihren Vernehmungen bei der Polizei verstrickt, erklärte die Richterin. Insgesamt ergäben sich viele verschiedene Versionen des Tathergangs. Das Zufahren in Intensität und Absicht und damit eine Nötigung "ist nicht zweifelsfrei erwiesen".

Die Beleidigung "Scheißausländer" aber sei "nicht mal mehr am unteren Rand" des Tolerierbaren. Imhof, die derzeit ohne eigenes berufliches Einkommen ist, wurde dazu verpflichtet, innerhalb eines halben Jahres 300 Euro an den Bund Naturschutz zu zahlen. Mit dieser Geldauflage wurde das Verfahren gegen sie eingestellt.

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