Kleines, unbeheiztes Büro: Hier hantiert Nürnbergs Bäderchef mit Millionen

18.12.2020, 09:31 Uhr
Im Volksbad fanden schon viele Pressekonferenzen statt, so wie hier im Oktober mit Ministerpräsident, Oberbürgermeister und Bürgermeister. Lächele (im roten Pullover) bleibt gerne im Hintergrund.

© Michael Matejka, NZ Im Volksbad fanden schon viele Pressekonferenzen statt, so wie hier im Oktober mit Ministerpräsident, Oberbürgermeister und Bürgermeister. Lächele (im roten Pullover) bleibt gerne im Hintergrund.

Ein „Sparfuchs“ sei er, erklärt Joachim Lächele, dabei ist dieser Hinweis völlig überflüssig. Nürnbergs Bäderchef teilt sich ein spartanisches Zimmer mit einer Kollegin, das immer geöffnete Fenster lässt Luft und Lärm in den Raum. Der ist im zweiten Stock eines städtischen Bürogebäudes am Recyclinghof im Südwesten der Stadt, die Sicht geht auf riesige Container, die beständig gefüllt und unter lautem Getöse entleert werden.

Wenn Münchens Grünwald ein Edelschlitten wäre, dann wäre diese Ecke von St. Leonhard ein verbeultes Fahrrad, bei dem das Hinterrad mal aufgepumpt werden müsste und bei dem einer von drei Gängen nicht mehr richtig geht.

Zurück zur Stadt

Dass Lächele hier sein Büro hat, passt zu seiner Art. „Wir mieten einen Raum in der Nähe vom Volksbad“, habe man ihm vorgeschlagen, erzählt der 56-Jährige. Das war 2019, als er nach Nürnberg zurückkehrte, um Leiter der Projektgruppe Volksbad zu werden.

Nürnbergs Bäderchef hat zwei Schreibtische, einer steht in einem unbeheizten Gebäude am Recyclinghof. An diesem hier erledigt er alles, was das Volksbad betrifft.

Nürnbergs Bäderchef hat zwei Schreibtische, einer steht in einem unbeheizten Gebäude am Recyclinghof. An diesem hier erledigt er alles, was das Volksbad betrifft. © Roland Fengler, NZ

Die Suche habe ihm zu lange gedauert, Lächele wollte ein Zimmer, das sofort beziehbar ist. Dieses hier stand frei. Weil es auf der Seite des Gebäudes ist, auf der die Heizung nicht geht. Deswegen steht auch ein ausgesteckter Heizlüfter an einer Wand: Für den Fall, dass es doch mal zu kalt werden sollte.

Das Nürnberger Volksbad wird saniert, hat der Stadtrat am 21. Oktober beschlossen. Wenn der einstige Prachtbau im Jahr 2024 wiedereröffnet, wird er viele haben, die sich diesen Erfolg zuschreiben lassen dürfen. Doch der Übervater ist Joachim Lächele. Für das heruntergekommene Gebäude an der Rothenburger Straße verließ er die Rummelsberger Diakonie, für die hatte er Immobilien verwaltet. Eine Tätigkeit, an die er offenbar gerne zurückdenkt, denn direkt unter einem seiner zwei Computerbildschirme steht ein Schlüsselanhänger, der „Schutzbengel“: das lächelnde Maskottchen der Rummelsberger-Initiative für Kinder und Jugendliche.

Der gelernte Maschinenbaumechaniker war seit 1993 an verschiedenen Stellen der Stadtverwaltung gewesen, als ihn die Diakonie abwarb. Im Mai vergangenen Jahres kehrte er zurück, Bürgermeister Christian Vogel hatte ihn mit der Projektleitung Volksbad gelockt. Im Februar stieg er zu Nürnbergs Bäderchef auf.

Horror mit Kunstblut

Wie viel Arbeit diese Position mit sich bringt, verrät der schlichte Schreibtisch nicht – jedenfalls nicht dieser, denn Lächele hat noch einen zweiten, im Südbad. Der im Recyclinghof dient dem Volksbad, hier sitzt er drei Tage in der Woche. An der Wand hängen groß ausgedruckte Zeitungsbeiträge über die „Jugendstilperle“, die seit 1994 geschlossen ist und innen teilweise so düster wirkt, dass manch Filmemacher hier schon Horrorszenen mit spritzendem Kunstblut gedreht hat.

Der Istzustand mag noch bekümmern, in Lächeles Vorstellung ersteht das Volksbad in Pracht und Modernität wieder, mit Wellness-Bereich und spektakulären Kulissen sowohl beim Schwimmen als auch beim Essen und bei Events: eine glänzende, die allergrößte Fliese im Mosaik der Neugestaltung des Plärrers. So schön wie „Volksbad“ klingt auch „Grundig“, Lächele hat auf dem Schreibtisch ein Radio davon. Dass sein Fahrrad von „Hercules“ ist, der einst glanzvollen Nürnberger Traditionsmarke, versteht sich von selbst.

Lächele denkt gerne in Riesenmaßstäben. Sein Büro aber ist klein, und deswegen ist auch alles andere klein, was ihn hier umgibt: die Kaffeemaschine, der weiße, niedrige Kühlschrank, die zwei Zimmerpflänzchen, der Wandkalender, auf dem kein einziger Termin vermerkt ist. Die stehen im Computer, ebenso die Baupläne und vieles mehr, wofür manche Ordner, Akten, dicke Kladden stapeln.

Als er damals, vor 16 Jahren, gefragt wurde, ob er in den städtischen Eigenbetrieb NürnbergBad wechseln möchte, habe er gesagt: „Was, Bäder? Ich habe gerade mal eine Badehose daheim.“ Aus dem Südstadtbad sei er als Jugendlicher öfter rausgeflogen, weil er immer wieder unerlaubt vom 7,50-Meter-Brett ins Wasser reingestochen sei. Die perfekte Vergangenheit, um ein Volksbad in die Gegenwart zu holen.

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