Von Unfällen und Kontrollen

Autobahnpolizei auf der A7: "Im Notfall ist man auch Sterbebegleiter"

Stefan Blank

Region/Bayern

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6.2.2021, 12:11 Uhr
LED-Signale statt Kelle: Die Arbeit der Polizei auf der Autobahn hat sich in den vergangenen Jahrzehnten verändert – Sichtbarkeit ist dabei ein großes Thema.

© Stefan Blank, NN LED-Signale statt Kelle: Die Arbeit der Polizei auf der Autobahn hat sich in den vergangenen Jahrzehnten verändert – Sichtbarkeit ist dabei ein großes Thema.

Autobahn 7. Deutschlands längste Autobahn. 962 Kilometer von Flensburg an der Grenze zu Dänemark bis Füssen und weiter nach Österreich. Heute nur noch schwer vorstellbar: Vor etwas mehr als 35 Jahren war bei Uffenheim-Langensteinach Schluss. Eine Anschlussstelle Bad Windsheim gab es nicht.

Im Oktober 1985 wurde der Abschnitt bis Feuchtwangen fertiggestellt. Die A7 führt auch durch den Westen Frankens, nahe an der Landesgrenze zwischen Bayern und Baden-Württemberg: Doch was wird von wem wann wie und wo erledigt?

300 Unfälle pro Jahr

Tempo 200 plus x. Ein Fahrfehler, dann kracht es. Wenn es auf der Autobahn 7 zwischen den Anschlussstellen Gollhofen im Norden bis Wörnitz im Süden scheppert, ist die Polizei Rothenburg gefordert. 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, 365 Tage im Jahr. Rund 300 Unfälle sind es pro Jahr auf den 84 Kilometern Fahrbahn plus der Rastanlagen Ohrenbach Ost und West, "Tendenz leicht steigend", wie Stefan Schuster, der Leiter der Inspektion, erklärt. Nach dem Notruf muss es schnell gehen.


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"Wir versuchen so aufzufahren, dass wir einen künstlichen Stau verursachen, den Verkehr runterbremsen", erzählt Michael Zankl. Der 59-jährige Polizeihauptkommissar ist der erfahrenste unter den 50 Mitarbeitern der Inspektion, was die Autobahn betrifft. "Vor Ort müssen wir die Situation bewerten, entscheiden: Komplettsperrung der A7, Teilsperrung oder Vorbeileiten? Erstlagebericht. Verletzte? Gefahrstoffe?" Doch das ist längst nicht alles.

Hubschrauber kann im Hof landen

1981 wurde die Autobahn-Polizei Rothenburg gegründet, zu Beginn der Bauphase des Teilstücks südlich von Langensteinach. 1982 stieß Michael Zankl dazu. Bis Oktober 2004 gab es zwei Dienststellen in einem Gebäude, das 1989 bis 1991 für 6,5 Millionen Mark gebaut wurde. Mit prägnanten Merkmalen wie einem sehr großen Hof mit Garagen für zehn Fahrzeuge. "Dort kann ein Hubschrauber landen", erklärt Schuster, seit sechseinhalb Jahren Erster Polizeihauptkommissar und damit der Chef. Auch eine Brückenwaage gibt es, die ist bis 60 Tonnen belastbar.


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"Da 40 Tonnen das erlaubte Maximum ist, ist sie für alles ausgelegt, was auf deutschen Straßen rumfährt", sagt Schuster. Selbst Langholzfuhrwerke und Sattelzüge können gewogen werden. "Ich weiß gar nicht, ob es sowas in Mittelfranken nochmal gibt", sagt Zankl. Die Schutzpolizei für den Raum Rothenburg (nördlich bis Ohrenbach, südlich bis Schillingsfürst) hatte 36 Beamte, die Autobahn-Spezialisten 21. Nun sind es 46 Beamtenstellen insgesamt.

Dass Polizisten einer Inspektion sowohl für die Autobahn als auch für schutzpolizeiliche Bereiche zuständig sind, gibt es laut Schuster nur zweimal in Bayern: In Mainburg (A93) und Rothenburg. "Bei uns gibt es keine Trennung, alle vier Dienstgruppen machen beides", erklärt Schuster.

Eine weitere Besonderheit: die touristische Situation inklusive der Großveranstaltungen wie Taubertal-Festival und Reichsstadt-Festspiele. Den Standort ganz im Osten der Stadt bezeichnet Schuster als ideal. "Wir sind in kürzester Zeit in der Altstadt und nur ein paar hundert Meter weg von der Autobahn. Und haben das Krankenhaus gegenüber."

Reifenplatzer sind "täglich Brot"

Von dort geht es raus auf die A7. Auf den Teilstücken gibt es fast keine Tempolimits. Was die Rothenburger Polizisten dort erleben, damit könnte man Bücher füllen. "Auf der Autobahn wirken enorme Kräfte", sagt Schuster. Zwar bekräftigt der 54-Jährige, "der allergrößte Teil fährt hier ganz normal". Doch: "Umso höher das Tempo, desto größer die Gefahr."

Reifenplatzer seien "täglich Brot", ebenso verlorene Ladung, überladene Fahrzeuge und Fahrten unter Drogeneinfluss. Auch der "klassische Familienstreit, bei dem Familienmitglieder ausgesetzt werden, oder Partner oder Kind an der Tanke vergessen werden, kommt häufiger vor".

Zur Ausstattung der Autobahn-Polizeifahrzeuge gehören unter anderem Blinklichter, Leuchtpylonen, Besen oder ein Feuerlöscher, die Michael Zankl zeigt.

Zur Ausstattung der Autobahn-Polizeifahrzeuge gehören unter anderem Blinklichter, Leuchtpylonen, Besen oder ein Feuerlöscher, die Michael Zankl zeigt. © Foto: Stefan Blank

Aufgrund der Möglichkeit, Grenzen der Autos ohne Tempolimit auszuprobieren, waren Touristen auf "Erlebnisreisen" ebenso Stammgäste auf der A7 wie Erlkönige, also getarnte Erprobungsfahrzeuge der Autokonzerne. Wie der Rothenburger Polizeichef erzählt, sei eine "hochwertige Neuentwicklung" einmal in Flammen aufgegangen.

Der Sachschaden ging in die Millionen, "Sie glauben nicht, wie schnell da ein Spezialabschlepper vom Werk da war". Im Laufe der Jahre sei es aber weniger geworden. Nicht vergessen wird Schuster den Bericht einer Kollegin, als ein Lasterfahrer Schlangenlinien fuhr und bei der Kontrolle nicht nur "zweikommairgendwas Promille" festgestellt wurden. Der Mann saß splitternackt am Steuer. Lasterfahrer, die auf der A7 Kaffeekochen, Fernsehen oder Zeitung lesen gebe es öfter.

Rund 40.000 Fahrzeuge am Tag

Die Arbeit habe sich deutlich verändert, berichtet Zankl, der im Mai in den Ruhestand geht. "Anfangs war der Verkehr überschaubar." Heute sind es bis zu 40.000 Fahrzeuge am Tag. Unfälle habe es nur wenige gegeben. "Ich weiß noch, als wir mit unseren weißen Mänteln ausgestiegen sind, das war wie ein weißer Adler im Schnee – hat nur bedingt Sinn gemacht." Zankl muss lachen und zeigt später auf die neuen leuchtenden Mäntel in den Signalfarben Orange und Neongelb.

Die BMW-Kombis der Polizei Rothenburg haben mehr als 300 PS, Dienststellenleiter Stefan Schuster (links) zeigt einen der reflektierenden neongelben Schutzmäntel, rechts an der Tür steht Michael Zankl.

Die BMW-Kombis der Polizei Rothenburg haben mehr als 300 PS, Dienststellenleiter Stefan Schuster (links) zeigt einen der reflektierenden neongelben Schutzmäntel, rechts an der Tür steht Michael Zankl. © Foto: Stefan Blank

Ähnlich verhält es sich bei den Fahrzeugen. Früher: grün-weiße Limousine mit einem kleinen Blaulicht obendrauf, Motorrad oder "Jumbo" genannter Bus mit Blaulicht und Teleskopstange. "Wir hatten im Kofferraum Schutzwesten, Pylonen, Kreide, Ledertasche, Maßband, Verbandsmaterial, Feuerlöscher und ,Blinklichtchen‘", erzählt Schuster. Wenn jemand zum Anhalten aufgefordert werden sollte, wurde die rot-weiße Kelle aus dem fahrenden Auto rausgehalten, bei hohem Tempo mit zwei Händen festgeklammert. "Da hat sich aber die eine oder andere Kelle ins Gebüsch verabschiedet."


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Smartphones oder Tablets, wie sie heute verwendet werden, gab es nicht. "20 Pfenning haben zur Grundausstattung eines jeden Polizisten gehört", erinnert sich Schuster. Zum Telefonieren an einer Telefonzelle. "Wir hatten nicht überall eine Verbindung zur Einsatzzentrale", erzählt Zankl, auch auf der Autobahn nicht. "Notrufsäulen waren damals lebenswichtig. Nach einem Unfall war die oberste Priorität, die Säule wieder in Ordnung zu bringen."

Mit 300 PS und Blaulicht

Heute fährt die Polizei blau-silberfarbene, mehr als 300 PS starke BMW 5er-Kombis oder X3 mit blitzenden blauen Leuchten im Kühlergrill, an der Heckklappe und LED-Display auf dem Dach. Ein VW-Bus wird zur Kommandozentrale bei größeren Unfällen. Bei solchen ist die Situation vor Ort nicht immer einfach. Rettungsgasse?

"Es gibt Menschen, die bringen es einfach nicht auf die Reihe", sagt Schuster, "ich habe selbst schon aussteigen, vor dem Streifenwagen herlaufen und den Weg freiwinken müssen." Seit der gesetzlichen Verschärfungen sei es aber deutlich besser geworden. "Sehr häufig stoßen wir auch auf eine Lage, die der Erstmeldung nicht entspricht", sagt Zankl aus Erfahrung. Und: "Wenn man da bei einem Unfall steht und einer donnert mit 200 plus x vorbei, da wackelt alles." Ein Vorteil sei, dass seit wenigen Jahren der Rettungshubschrauber aus Sinnbronn bei Dinkelsbühl sehr schnell vor Ort ist.

Hat es heftig gekracht, "läuft es wie ein Uhrwerk", sagt Stefan Schuster, der sich an einen schweren Verkehrsunfall zwischen Bad Windsheim und Langensteinach erinnert. Zwei Handwerker waren "mit ordentlich Tempo in ein Silofahrzeug geprallt, schwerst eingeklemmt". Beim Eintreffen der ersten Streife hatten beide noch ihr Handy in der Hand, das Fahrzeug war bis zur C-Säule eingedrückt. "Die Feuerwehr hat sie stundenlang rausgeschnitten, auf beiden Seiten. Das Zusammenwirken aller Rettungskräfte war sehr beeindruckend", sagt Schuster. "Dieser unbedingte Wille, Leben zu retten, bei Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen, in der Blaulicht-Familie."

Bittere Momente

Doch der Polizisten-Job habe auch ganz bittere, schlimme Momente: "Wenn der Notarzt zu dir sagt, dass es ab dem Nabel nur noch eine undefinierbare Masse ist, musst Du schon schlucken", sagt Zankl mit leiser Stimme. Er habe es auch schon erleben müssen, dass er einem Unfallopfer so lange die Hand gehalten hat, bis er die Augen für immer geschlossen hat.

"Im Notfall ist man auch Sterbebegleiter", sagt Stefan Schuster, und danach müssen die Angehörigen informiert werden. Spurlos gehe das an keinem Polizisten vorüber. "Es gibt Dinge, die begleiten einen ein Leben lang, das ist wie ein Kratzer auf der Festplatte", sagt Schuster. "Man kommt an Unfallstellen vorbei und sieht immer wieder die gleichen Bilder."

Für Michael Zankl und Stefan Schuster ist die Arbeit bei der Polizei, auf der A7, wo die Autos oft mit mehr als 200 Kilometer pro Stunde rasen, mehr als ein Beruf, bei dem auch andere Geschichten unvergessen bleiben: "Es hat mal ein Tiertransport vor ein paar Jahren ein Ferkel verloren", erzählt Schuster, es lag im Straßengraben und hat gegrunzt. "Peppa" wurde von einem Polizisten gekauft und adoptiert.

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