Nürnberger Biergeschichte(n)

Am liebsten frisch gezapft: Vom Siegeszug der Bierfässer

Johannes Handl

Redaktion Nürnberg

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15.03.2022, 12:00 Uhr
Am liebsten frisch gezapft: Vom Siegeszug der Bierfässer

Wer abends mit Freunden in der Kneipe sitzt und sich ein Feierabendbierchen bestellt, möchte vor allem eines: unbeschwert genießen. Wohl kaum jemand verschwendet einen Gedanken daran, wie das Bier zuvor gelagert wurde. Gunther Butz dagegen hat eine spezielle Beziehung zu Fässern. "Ich kenne sie auch von innen", sagt der Tucher-Geschäftsführer für Technik, Logistik und Verwaltung - und muss dabei selbst ein wenig lachen. Nur zu gut erinnert er sich noch daran, wie er in der Ausbildung mit Wasserschlauch und Schrubber hantieren durfte, um die Behälter zu reinigen.

Hygiene spielt auch heute eine wichtige Rolle, damit das Bier den gewünschten Geschmack behält. Bevor in den 1920er Jahren die Edelstahlfässer ihren Siegeszug antraten, kam den Wirten laut Butz aber noch eine weitaus größere Bedeutung zu. Denn wenn sie schluderten, wurde der schlechte Geschmack auch der Brauerei angelastet. Wirte sollten daher dringend dafür sorgen, dass Getränkereste nicht tagelang im Holzfass eintrockneten. Neigte sich der Abend dem Ende entgegen, galt es genau zu überlegen, ob noch ein neues Fass angestochen werden sollte.

Holzfässer, ursprünglich das Gebinde schlechthin, geben Aroma an das Bier ab. Um geschmackliche Einflüsse weitgehend zu vermeiden, wurden Holzfässer gepicht, also einer körperlich überaus anstrengenden Prozedur unterzogen. Beim Pichen wird die Fassinnenseite mit Pech ausgekleidet, damit die Poren und Fugen des Holzes geschlossen werden und keine Kohlensäure entweichen kann. Wird die Pechschicht nämlich rissig, rau oder undicht, können sich Bakterien festsetzen, so dass das Bier verdirbt.

Metalltanks haben die Arbeit ungemein erleichtert. Dennoch erfreuen sich die von Holzfässern ausgehenden Aromen unter vielen Bierkennern inzwischen wieder großer Beliebtheit. Auf dem Markt gibt es allerdings auch Fässer, die von außen den Anschein traditioneller Holzfässer erwecken, im Inneren aber aus Edelstahl bestehen.

© Foto: Günter Distler

In der Gastronomie kommen heute zumeist 30- und 50-Liter-Fässer zum Einsatz. Bei Großveranstaltungen wie Rock im Park oder dem Oktoberfest sind häufig Container im Einsatz, die 2500 Liter fassen. Andernfalls käme man angesichts der Menschenmassen mit dem Zapfen und Ausschenken kaum hinterher.

Privatleute greifen für Feierlichkeiten gerne zu Partyfässern, die bis zu 20 Liter beinhalten. CoolKegs, also sich selbst kühlende Fässer, bietet Tucher trotz großer Nachfrage nicht mehr an. Warum? Ganz einfach: "Sie werden nicht mehr hergestellt", erklärt Butz.

Ein eigener Fass-Park

Um immer genügend Fässer vorrätig zu haben, unterhält Tucher einen eigenen Fass-Park. Denn längst nicht immer gehen geleerte Edelstahlfässer, die laut Butz etwa zehn bis zwölf Jahre halten und zu 100 Prozent recycelbar sind, umgehend an die Brauerei zurück. Das hat auch finanzielle Auswirkungen. Während Gastwirte 30 bis 50 Euro Pfand für Fässer zahlen, ist der Anschaffungspreis für die Brauerei ein Vielfaches höher. Verständlich, dass Brauereien die Behälter möglichst schnell zurückhaben möchten.

Von der Pfandproblematik kann auch Stefan Stretz ein Liedchen singen. Der Geschäftsführer von Schanzenbräu kann nicht nachvollziehen, warum für Bierflaschen nur acht Cent Pfand fällig werden, wenn es für PET-Flaschen satte 25 Cent gibt. Man brauche sich nicht wundern, dass Bierflaschen überall in der Gegend herumfliegen, wenn sie nichts wert seien.

Wie bei den Fässern sind für die Brauer auch Flaschen in der Anschaffung deutlich teurer. Umso ärgerlicher, wenn sie nicht wieder dem Kreislauf zugeführt werden. Aus diesem Grund plädiert Stretz schon länger für ein deutlich höheres Flaschenpfand – und nicht nur das: Mit Blick auf stetig steigende Rohstoffpreise müsste Bier generell mehr wert sein und teurer werden, stellt Stretz klar.

Derzeit wage sich jedoch noch niemand aus der Deckung, weil keiner der Erste sein will, der die Preise anzieht. "Das letzte Jahr", sagt der Brauer auch mit Blick auf die Folgen der Corona-Pandemie, "haben wir überstanden. Doch dieses Jahr wird spannend."

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