Reichsparteitagsgelände

Erhalt der Zeppelintribüne: So lange dauert es noch bis Baubeginn

Isabel Lauer

Lokalredaktion Nürnberg

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02.07.2021, 10:42 Uhr
Steine für die Ewigkeit? Die Stadt Nürnberg will das Zeppelinfeld mit der Steintribüne für zukünftige Generationen erhalten und für geistige Erkenntnisse öffnen.  

© Daniel Karmann, dpa Steine für die Ewigkeit? Die Stadt Nürnberg will das Zeppelinfeld mit der Steintribüne für zukünftige Generationen erhalten und für geistige Erkenntnisse öffnen.  

Ein 370 Meter langer Steinquader mit Stufen ist Nürnbergs wohl kompliziertestes bauliches Erbe. Die Zeppelintribüne auf dem Reichsparteitagsgelände wartet weiter auf ihre Instandsetzung. Und obwohl das vor Ort nicht zu erkennen ist, kommen im Hintergrund die Vorbereitungen voran.

So sollen bis Jahresende die Fachfirmen gefunden sein, die im Auftrag von Bund, Land und Stadt das Areal für zukünftige Besuchergenerationen erschließen. "Corona hat uns dabei leider etwas zurückgeworfen", gesteht Robert Minge, der Koordinator im Hochbauamt.


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Nachdem die Stadtverwaltung die zentrale Aufgabe, die Objektplanung, bereits 2020 an das Nürnberger Architekturbüro "Fritsch Knodt Klug + Partner" vergeben hat, steht in diesen Tagen eine weitere Vergabe vor dem Abschluss: Das Ingenieurbüro für die Untersuchung der Natursteine soll benannt werden. Die letzte der entscheidenden Ausschreibungen, nämlich für die Ausstellungsgestaltung, soll bis Jahresende beendet sein.

Es braucht Ästhetik-Brüche

Hakenkreuz-Mosaik an der Decke des "Goldenen Saals" in der Tribüne.

Hakenkreuz-Mosaik an der Decke des "Goldenen Saals" in der Tribüne. © Roland Fengler

Gerade dieser Auftrag sei außerordentlich sensibel, sagt Minge. "Wir wollen jemanden, der da mit dem richtigen Händchen rangeht." Denn es muss Eingriffe ins Gelände und in den Bau geben, um der Bevölkerung die Geschichte intensiver nahezubringen als heute mit den Info-Tafeln. Zum Beispiel braucht es eine Überdachung dort, wo eines der Treppenhäuser zugänglich gemacht wird. Der "Goldene Saal", das Herzstück der Tribüne, benötigt aus Sicht der Verantwortlichen auch gestalterisch eine Kommentierung, einen Bruch der nationalsozialistischen Optik. "Wie gehen wir mit der Ästhetik eines Raums mit vielen laufenden Metern Hakenkreuzen um? Die gewiss niemand sanieren will?", fragt Minge. Ein Info-Pavillon soll neben der Tribüne entstehen, am dem Dutzendteich zugewandten Ende, außerdem Stationen auf dem Gelände, an denen sich Besucher selbstständig informieren können.

An den ersten warmen Tagen 2021 nutzten viele Menschen trotz Corona-Auflagen die Zeppelintribüne als Treffpunkt. Ein frei zugänglicher "Begegnungsort" soll sie bleiben.

An den ersten warmen Tagen 2021 nutzten viele Menschen trotz Corona-Auflagen die Zeppelintribüne als Treffpunkt. Ein frei zugänglicher "Begegnungsort" soll sie bleiben. © News5, Bauernfeind

Die Planer im Geschäftsbereich Kultur nennen diese Stationen "Reflexionsorte". Stoff dafür ist in den vergangenen Monaten viel gesammelt worden, trotz wegen Corona teils geschlossener Archive, berichtet Matthias Klaus Braun von der Stabsstelle ehemaliges Reichsparteitagsgelände. Zusammen mit anderen Historikern, darunter Wissenschaftler des Dokumentationszentrums und von "Geschichte für Alle", bearbeitet und sortiert er mögliche Unterthemen.


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So interessiert die Forscher zum Beispiel die Perspektive von Reichsparteitags-Besuchern. Sie ergründen auch organisatorische Details der Parteitage, etwa die Ehrengäste oder die Abläufe der Schauprogramme, die auf dem stets im Ausbau befindlichen Gelände oft unperfekt gerieten.

Ein offener Ort für alle

Noch wenig erforscht sei auch die Nutzung durch die US-Army. Dabei kann es für Braun schon erzählenswert sein, dass bereits im Frühjahr 1945 schwarze und weiße Soldaten einträchtig Sportfeste auf Steinen feierten, die kurz zuvor im Zeichen des Rassenwahns gestanden hatten.

Für die Innenräume der Tribüne soll man künftig ein Ticket lösen. Der "Wertigkeit" halber, sagt Braun. Nur reingucken, klick, ein Foto und weiter – das bitte nicht. Die 1937 fertiggestellte Zeppelintribüne mit dem Aufmarschfeld ist das einzige Bauwerk des von Albert Speer entworfenen Geländes, das vollendet und benutzt worden war. "Wir sehen die Instandsetzung nicht als reine Baumaßnahme", sagt der Historiker, der zu Nürnbergs Nazi-Oberbürgermeister Willy Liebel geforscht hat.

"Wir erhalten hier einen Lern- und Begegnungsort, an dem sich heute die plurale Stadtgesellschaft widerspiegelt. Und zwar einen niedrigschwelligen, an den man aus anderen Motiven kommen kann, als gezielt NS-Geschichte sehen zu wollen." Die pädagogische Aufbereitung soll auch Spaziergänger ansprechen und Menschen, die hier vielleicht Sport machen oder in der Sonne sitzen.

Baubeginn vielleicht 2024

Für die Instandsetzung sind 85,1 Millionen Euro bewilligt. Davon wollen der Bund die Hälfte, der Freistaat und die Stadt jeweils ein Viertel tragen. Matthias Braun spricht von "ungeheuer komplexen" Planungen angesichts von Arbeiten und Materialschäden, für die es keine Vorerfahrungen gibt. Außerdem muss das Gelände weiterhin für das Norisring-Autorennen und "Rock im Park" offen bleiben. Die Stadtverwaltung rechnet derzeit mit einem Beginn der Bauarbeiten 2024 und einer Dauer von rund zehn Jahren.

Zur Grundsatzfrage, ob die Erschließung der Tribüne ihre Kosten wert ist, haben die städtischen Projektverantwortlichen eine klare Meinung. "Am Ende gibt es nur ein Ziel", sagt etwa Eva Anlauft, die sich als Bauphysikerin im Hochbauamt mit der Entfeuchtung der Steine befasst. "Dass ein ordentliches Objekt da steht, aus dem die Menschen etwas lernen können."

Eine Gruppenführung auf dem Zeppelinfeld: Am 18. Juli veranstaltet die städtische Kulturverwaltung wieder einen Informationstag für die Öffentlichkeit.

Eine Gruppenführung auf dem Zeppelinfeld: Am 18. Juli veranstaltet die städtische Kulturverwaltung wieder einen Informationstag für die Öffentlichkeit. © Michael Matejka

Denn: "Wir machen hier grundlegende Bildungsarbeit", sagt ihr Kollege Robert Minge, der das Zeppelinfeld seit mehr als zehn Jahren betreut. Er stört sich schon am Begriff, wenn in der Vergangenheit einzelne Architekten und Historiker für den "kontrollierten Verfall" plädierten. "Einen solchen gibt es nicht." Verfall ist Verfall, sagt er, "kontrollieren kann man dann gar nichts mehr, nur absperren".

"Die Bauten sind da - wir müssen sie erklären"

Die Sorge, dass ein abgeriegeltes Zeppelinfeld dann die "falschen" Neugierigen anlockt und wieder Stoff für Mythen produziert, teilt Historiker Braun. "Die Bauten sind ja da – und man muss sie erklären. Wir wollen weder verschönern noch fertig bauen, sondern dass man sich auch weiterhin sicher darin aufhalten kann. Und dafür gab es eine starke Zusage demokratisch gewählter Gremien."

Kulturbürgermeisterin Julia Lehner betont die Bedeutung der Baumaßnahme im Gesamtzusammenhang des Geländes. "Der Ausbau des Dokumentationszentrums und die Neukonzeption der Dauerausstellung, die Entwicklung von Zeppelintribüne und -feld als Lern- und Begegnungsort, auf dem man sich gefahrlos aufhalten und eindrücklich die Ortsgeschichte erkunden können soll, sowie unsere jüngsten Überlegungen, einen Teil der Kongresshalle für Kunst und Kultur zu erschließen – es gilt diese Potenziale stärker als bisher herauszustellen."

Am Sonntag, 18. Juli, findet wieder ein Infotag auf dem Zeppelinfeld mit kostenlosen Führungen von 9 bis 18 Uhr statt.

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