Freistaat soll grünes Licht für Drogenkonsumräume geben

1.12.2014, 05:59 Uhr
Freistaat soll grünes Licht für Drogenkonsumräume geben

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Freilich, räumt Georg Hopfengärtner ein, als städtischer Drogenbeauftragter und Chef des Bereichs Armutsprävention im Sozialamt habe man es mit „Dauerbaustellen“ zu tun: „Aber ab und zu wird auch das eine oder andere Richtfest gefeiert“, sagt der stellvertretende Leiter des Sozialamts, der jetzt in den Ruhestand getreten ist. Auf eines dieser Richtfeste wartete er bis zum Ende seiner beruflichen Laufbahn vergebens: Hopfengärtner glaubt, dass die Stadt einen Drogenkonsumraum braucht, um es Schwerstsüchtigen zu ermöglichen, ihren Stoff unter medizinischer Aufsicht zu nehmen. Allerdings müsste hierfür der Freistaat grünes Licht geben, was bisher am Widerstand der CSU scheitert. Hopfengärtner meint indes eine gewisse Bewegung bei den Konservativen wahrzunehmen und ist weiter optimistisch. Man könne dieses Angebot auch als Modellversuch starten und schauen, ob es funktioniert: „So ein Drogenkonsumraum ist schnell wieder zugemacht.“

Der bald 60-Jährige übernahm 1996 die Aufgabe als Drogenbeauftragter und verfolgte von Anbeginn den Ansatz der akzeptierenden Dorgenhilfe: „Um die Menschen zu verändern, muss man sie so nehmen, wie sie sind.“ Das bedeutet, den Süchtigen zunächst einmal zu helfen, in der Szene zu überleben und sie nicht mit Strafandrohungen zu verfolgen. Dieses früher heftig diskutierte Vorgehen ist inzwischen politisch weitgehend unumstritten; die Aufgabe des Suchtbeauftragten sei dennoch nicht leichter geworden, berichtet Hopfengärtner: „Es gibt dauernd neue Drogen und Süchte. Das ist das abenteuerlichste Feld überhaupt.“ Dennoch sei Nürnberg gut aufgestellt, um mit dem Problem umzugehen. „Wir haben eine engagierte Suchthilfelandschaft.“

Freistaat soll grünes Licht für Drogenkonsumräume geben

© Foto: Eduard Weigert

Als Hopfengärtner 1996 zum Suchtbeauftragten avancierte, war er schon elf Jahre bei der Stadt beschäftigt. Der Soziologe arbeitete zunächst drei Jahre an der Bamberger Universität, bevor er 1985 ins Nürnberger Sozialreferat kam, das damals noch von Joachim Kottke geleitet wurde. 1987 übernahm Ingrid Mielenz den Posten, Hopfengärtner erlebte als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Referentin seine „längste und prägendste berufliche Phase“. Damals reagierte die Stadt auf die sich abzeichnende demografische Veränderung und entwickelte Konzepte, um das Thema Alter nicht nur gleichzusetzen mit Betreuung und Pflege. So entstanden der Stadtseniorenrat oder das – unserer Zeitung viermal jährlich beiliegende – Magazin „Sechsundsechzig“. Nachdem Mielenz in den Ruhestand gegangen war, übernahm Reiner Prölß 2005 das Sozialreferat und im Sozialamt stand – bedingt durch die Hartz-Gesetze – ein Umbau an, frühere Aufgabenbereiche gingen an die Arge (heute Jobcenter). Doch diese Erneuerung bot auch eine Chance, findet Hopfengärtner, der damals stellvertretender Leiter der Behörde wurde; das Amt konnte sich wieder stärker auf Probleme konzentrieren, „die mit Geld nicht alleine zu lösen sind“.

Das spiegelte sich auch im neuen Namen wider, das von Dieter Maly geleitete Sozialamt heißt seither „Amt für Existenzsicherung und soziale Integration“. Hopfengärtner war zuständig für den Bereich „Soziale Integration“ und somit auch für die Armutsprävention. Den Ausbau des Nürnberg-Passes von einer reinen Rabattkarte zu einem wichtigen Hilfsinstrument (inzwischen haben 41 000 Nürnberger diesen Ausweis), die Alphabetisierungskampagne oder die Bildung eines „Netzes gegen Armut“, in dem die Stadt mit Wohlfahrtsverbänden und Initiativen zusammenarbeitet, betrachtet er als wichtige Fortschritte der vergangenen Jahre.

Hopfengärtner findet es zudem positiv, dass die Stadt sich unter Federführung von Sozialreferent Prölß offensiv zum Problem Armut bekannt hat – im Vorfeld der ersten (von mittlerweile drei) Armutskonferenzen war 2007 auch gewarnt worden, ob Nürnberg damit nicht seinem Image schade. Aber die Stadt müsse sich dem Thema weiter stellen angesichts notleidender Kinder, vieler Langzeitarbeitsloser und dem sich verschlimmernden Problem der Altersarmut.

Nun verabschiedet sich der Sozialexperte in die passive Phase der Altersteilzeit. Der verheiratete Vater zweier erwachsener Kinder will „die Akzente anders setzen“, mehr Zeit für Hobbys wie Reisen oder Sprachen haben. Über Lehraufträge an den Nürnberger Hochschulen wird er seinen sozialen Themen treu bleiben. Die Aufgaben bei der Stadt, sagt er im Rückblick, ermöglichten ihm eine optimale Mischung aus Theorie und Praxis. „Wenn ich etwas plane, will ich auch an der Umsetzung beteiligt sein.“ So schaut er zufrieden zurück: „Es waren tolle Jahre.“

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