Gesunder Schlaf: Das rät ein Nürnberger Mediziner

10.10.2018, 14:48 Uhr
Gesunder Schlaf: Das rät ein Nürnberger Mediziner

© Foto: Roland Fengler

NZ: Herr Dr. Herold, heutzutage ist man wer, wenn man viel arbeitet, reist und netzwerkt. Brechen Sie mal eine Lanze fürs Schlafen, also fürs Nichtstun!

Jürgen Herold: Ein schöner Schlaf ist etwas Wunderbares, ich freue mich immer darauf. Schlafen heißt ja nicht Nichtstun. Es ist nicht nutzlos, sondern sogar ein aktiver Prozess. Unser Kongress steht unter dem Motto "Schlaf ist Medizin". Der Schlaf ist integraler Bestandteil des Lebens, ist wichtig für die Regeneration, fürs Immunsystem, zur Erholung des Herz-Kreislauf-Systems. Im Schlaf verfestigen wir Lerninhalte. Deshalb kommt es zu Störungen, wenn man nicht genug schläft.

Babys, Senioren, gestresste Manager - welche Bevölkerungsgruppe hat eigentlich die meisten Schlafstörungen?

Herold: Das kann man global nicht sagen. Babys zum Beispiel schlafen nicht unbedingt schlecht, aber anders, nicht wie Erwachsene am Stück. Dass ältere Menschen nicht gut schlafen, kann zwei Gründe haben. Zum einen braucht man im Alter bis zu einem gewissen Grad weniger Schlaf. Zum anderen treten im Alter mehr Krankheiten hinzu, die Schlafstörungen begünstigen. Und Stress ist generell kontraproduktiv für den Schlaf. Wenn man Stress hat, muss man einen Ausgleich schaffen.

NZ: Müde zu sein, wenn der Wecker klingelt, ist ziemlich normal. Was ist nicht normal?

Herold: Wenn man häufiger als dreimal die Woche und länger als einen Monat eine Ein- und Durchschlafstörung hat, ist das als Krankheit zu betrachten. Aber auch nur dann, wenn man sich dadurch am Tag schlecht und unerholt fühlt. Meist ist das durch Stress und psychische Probleme bedingt. Man kann sich nicht mehr ausreichend entspannen und beschäftigt sich irgendwann ständig mit der Schlafstörung und der Angst davor. Etwa bei einem Drittel der Leute mit Ein-/Durchschlafstörung liegt aber zusätzlich eine organische Störung vor, die den Schlaf beeinträchtigt. Beispielsweise die Schlafapnoe, das Schnarchen mit Atempausen. Oder das periodische Bewegen der Beine im Schlaf.

Der Schlafmediziner Dr. Jürgen Herold.

Der Schlafmediziner Dr. Jürgen Herold. © Praxis Herold/Kaa

NZ: Arbeitsmediziner beklagen riesige wirtschaftliche Schäden durch übermüdete Berufstätige. Werden Schlafgestörte richtig behandelt?

Herold: Die Haus- und Fachärzte wissen heute deutlich besser über das Thema Bescheid. Andererseits gibt es noch viele Patienten, gerade mit dem sehr häufigen Krankheitsbild der Schlafapnoe, die nicht diagnostiziert und leitliniengerecht behandelt werden. Man darf eine chronische Schlafstörung nicht als Befindlichkeitsstörung abtun. Bei alten Patienten spielt der Schlaf in der Diagnostik leider auch noch eine sehr kleine Rolle. Dabei könnte man diesen Menschen ganzheitlicher helfen. Wenn beispielsweise jemand Parkinson, Zucker und Bluthochdruck hat und nicht gut laufen kann, bezieht man noch zu wenig ein, dass natürlich auch schlechter Schlaf die Motorik und Merkfähigkeit verschlechtern kann.

NZ: Die Apotheken laufen über vor rezeptfreien Schlafmitteln. Taugen die was?

Herold: Die Behandlung von Ein- und Durchschlafstörungen sollte verhaltenstherapeutisch und mit Entspannungsverfahren erfolgen. Erst wenn beides nicht zum Ziel führt, kann man zusätzlich Medikamente in Betracht ziehen. Trotzdem ist es oft hilfreich für den Patienten, etwas zu nehmen. Oft bringt ihn gerade das in Entspannung. Obwohl die leichteren pflanzlichen Sachen eigentlich gar nicht so gut wirken.

NZ: Placebo?

Herold: Nicht unbedingt. Die Möglichkeit, etwas zur Verfügung zu haben, das entspannt, führt durchaus zu einer physiologischen Reaktion. Auf Dauer ist es aber besser, sich etwas verschreiben zu lassen, was auch wirkt und nicht abhängig macht. Die stärker wirksamen frei verkäuflichen Mittel, die Antihistaminika, machen zwar müde, können aber Nebenwirkungen haben und sind nicht 100-prozentig das Richtige.

NZ: In der Fernsehsendung "Die Höhle der Löwen" hat ein Nürnberger Forscher neulich für seinen Schlaftrunk aus Aminosäuren und Vitaminen ein Millionenkapital eingeworben. Ist so etwas Humbug?

Herold: Der Ansatz ist nicht falsch. Botenstoffe, die im Gehirn den Schlaf fördern, entstehen unter anderem aus einer Aminosäure, die durch das Präparat unterstützt werden soll. Bestimmte Lebensmittel wie Walnüsse oder Bananen haben den gleichen Effekt. Es gibt aber noch keine Beweise durch Studien, dass das Produkt eine über den Placeboeffekt hinausgehende Wirkung hat. 

NZ: Apropos Abendbeschäftigung. Wie sehr stören Smartphone- und andere Bildschirme unseren Schlaf?

Herold: Die Beschäftigung mit Tablets, PCs und Handys am Abend begünstigt Schlafstörungen durch die ständige Verfügbarkeit von Ablenkung. Aber vor allem ihr Licht mit dem Blauanteil ist ein Aktivator für den Körper. Es unterdrückt Botenstoffe im Gehirn wie das Melatonin, die den Schlaf fördern. Man kann den Effekt etwas schwächen, wenn man das Handy abends auf mehr Rotanteil umstellt.

NZ: Was kann jeder Mensch für einen erholsamen Schlaf tun?

Herold: Man muss ein gewisses Entspannungsniveau mitbringen. Die Probleme nicht mit ins Bett nehmen. Nicht im Bett arbeiten und essen. Man sollte sich tagsüber körperlich bewegen, einen möglichst geregelten Schlaf-Wach-Rhythmus einhalten, Licht und Lärm im Schlafzimmer vermeiden. Wenn man Schlafstörungen hat, sollte man sie nicht durch koffeinhaltige Getränke oder Alkohol am Abend weiter provozieren. Wenn man sehr lange wachliegt, ist es besser, aufzustehen, etwas Beruhigendes zu lesen und erst dann wieder ins Bett zu gehen, wenn man den Schlafdruck spürt. So vermeidet man es, zu lernen, im Bett wach zu sein. Und ganz wichtig: Wenn man mal ein-, zweimal nicht gut schläft, ist das kein Beinbruch. Viele Leute schlittern in eine chronische Schlafstörung hinein, weil sie sich immer mit ihrem Schlaf beschäftigen.


Forum für Patientenfragen am Samstag

Experten der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin laden am Samstag, 13. Oktober, von 14 bis 16 Uhr zum öffentlichen Patientenforum. Besucher können ihre Fragen in einer moderierten Gesprächsrunde an Prof. Joachim Ficker, Dr. Dora Triché (beide Klinikum Nürnberg), Prof. Christoph Lauer (Klinikum Ingolstadt) und Dr. Peter Geisler (Bezirksklinikum Regensburg) richten. Die Veranstaltung findet im Klinikum Nord, Prof.-Ernst-Nathan-Straße 1 (Haus 51, Personalkantine), statt. Der Eintritt ist frei.

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