Nürnberg gibt Gas: Elektroautos sind auf dem Vormarsch

11.12.2020, 05:54 Uhr
Nürnberg gibt Gas: Elektroautos sind auf dem Vormarsch

© Klaus Felix/N-ergie

Wenn Stefan Keßler von der Nürnberger Kfz-Zulassungsstelle in seinen PC schaut, kann er einen beeindruckenden Trend verkünden: "Die Zahl der zugelassenen reinen E-Autos hat sich seit vergangenem Jahr verdreifacht." Das hört sich gut an, doch der Sachbearbeiter schiebt korrigierend nach: "Eine Verdreifachung auf extrem niedrigen Niveau." In absoluten Zahlen sind dies nämlich nur 1520 Pkw. Insgesamt waren im Oktober in Nürnberg allerdings 321.325 Autos gemeldet. Im Vergleich könnte man sagen: Eine Schnecke nimmt ein wenig Fahrt auf.

Ausreichend Ladestationen nötig

Wichtigster Punkt für die Entscheidung, auf ein E-Auto umzusteigen, dürfte die Verfügbarkeit und Erreichbarkeit einer Ladestation sein. Die N-ergie betreibt im Stadtgebiet derzeit 70 öffentliche Ladesäulen mit jeweils zwei Anschlüssen. Im nächsten Jahr will sie weitere 85 öffentliche Stationen aufbauen, darunter die erste Schnellladestation im neuen Parkhaus im Stadtteil Sandreuth, das im Juni 2021 eröffnet werden soll. Im Parkhaus selbst sind 130 Ladepunkte vorgesehen, die auch von der Öffentlichkeit genutzt werden können.

Der Ausbau der öffentlichen Infrastruktur kommt also voran. Doch Nürnbergs Baureferent Daniel Ulrich merkt an, dass dafür in der Nord-, Süd- und Weststadt zu wenig Platz gibt. Er sieht das größere Potenzial beim Aufbau privater Wallboxen. Ladestationen also, die in der Garage eines Hausbesitzers oder auf dem Gelände eines Arbeitgebers angebracht werden.

Strom tanken in Parkhäusern

SPD-Stadtrat Harald Dix weist auf das neue "Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz" hin, das den Anspruch legitimiert, auf eigene Kosten eine Lademöglichkeit zu errichten. Er fordert ebenso wie die CSU Informationen von der Verwaltung über den Stand der Ladeinfrastruktur in Nürnberg. Auch Tankmöglichkeiten im halböffentlichen Raum - etwa bei Parkhäusern oder Supermarkt-Parkplätzen - sollen erfasst werden.

Nürnberg gibt Gas: Elektroautos sind auf dem Vormarsch

© Florian Schuh/dpa

Schließlich ist die E-Mobilität Teil des ambitionierten, städtischen Klimafahrplans, mit dem die CO2-Emissionen bis 2030 um 60 Prozent im Vergleich zu 1990 verringert werden sollen.

Fördermittel für Wallbox

Das Aufstellen einer Wallbox müssen Privatleute übrigens nicht ausschließlich aus der eigenen Tasche zahlen. Die N-ergie fördert dies mit 250 Euro aus ihrem CO2-Minderungsprogramm, die KfW unterstützt die Installation mit bis zu 900 Euro.

Offenbar ist das ein lukratives Angebot: Die N-ergie hat im vergangenen Jahr 150 Kunden beim Aufbau einer Ladestation unterstützt, heuer waren es bereits 330 Anträge. Das Interesse an der E-Mobilität ist deutlich gestiegen, registriert Pressereferent Michael Enderlein: "Die Anrufe haben sich in den zurückliegenden drei Monaten verdoppelt."

Eine spannende Frage ist, wie stark die Stromrechnung steigt (wenn gleichzeitig Benzinkosten wegfallen). Enderlein gibt hierzu eine Modellrechnung: Bei 15.000 Kilometer Fahrleistung pro Jahr und einem Durchschnittsverbrauch von 16 Kilowattstunden pro 100 Kilometer ergibt sich ein Stromverbrauch von 2400 Kilowattstunden. Zum Vergleich: Ein Drei-Personen-Haushalt benötigt etwa 3500 Kilowattstunden innerhalb von zwölf Monaten. Da fallen also etliche Euro zusätzlich an.

Nur mehr E-Busse angeschafft

Eine weitere wichtige Säule beim Umstieg auf die E-Mobilität ist der öffentliche Nahverkehr: U-Bahn und Straßenbahnen fahren seit jeher mit Strom, seit 2012 sogar mit Ökostrom. Bleibt die Busflotte mit derzeit 180 Fahrzeugen. Bis Anfang der 2030er sollen nur mehr E-Busse unterwegs sein. Momentan rollen aber gerade einmal sechs "Stromer" durch das Stadtgebiet.

"Die VAG hat die Weichen ausschließlich auf E-Mobilität gestellt", sagt Pressesprecherin Elisabeth Seitzinger, " denn der Klimawandel stoppt schließlich nicht. Er treibt den Technologiewechsel voran." Im nächsten Jahr werden ausschließlich E-Fahrzeuge angeschafft: 28 Gelenk- und elf Solobusse liefert die Firma MAN. Die erste Generation von Nürnberger E-Bussen stammt vom polnischen Unternehmen Solaris. Die Aufträge werden jeweils neu ausgeschrieben.

E-Tankstelle in Schweinau

Bis Ende 2022 will die VAG 52 E-Busse im täglichen Einsatz haben. Eine kräftige Förderung durch das Bundesumweltministerium in Höhe von 24 Millionen Euro erleichtert das Erreichen des Ziels. Außerdem nimmt die Verkehrs AG zur Jahresmitte ihre große E-Tankstelle im Stadtteil Schweinau in Betrieb, um ihre Busflotte am Laufen zu halten. Derzeit rückt ein Großteil der E-Busse nach dem Schülerverkehr ein, um die Batterien aufzuladen.

Denn die Reichweite ist momentan noch auf 200 Kilometer limitiert, halb so viel wie bei einem Diesel-Bus. Dafür kostet die E-Version mit 500.000 bis 600.000 Euro doppelt so viel wie ein Diesel-Fahrzeug. Die Förderung durch das Bundesumweltministerium gleicht 80 Prozent der Mehrkosten aus.

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